Energieversorgung:Gaskraftwerk als stille Reserve

Kirchturm vor Kühltürmen

Wenn die Kühltürme des Atomkraftwerks ausgedient haben, könnte eine neue Gas-Anlage in Betrieb gehen.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Das Atomkraftwerk in Grafenrheinfeld soll Ende 2015 vom Netz gehen. Wirtschaftsministerin Aigner will mit einem neuen Eon-Gaskraftwerk die Energieversorgung sichern - dafür könnte eine Anlage aus dem slowakischen Malzenice nach Unterfranken verlagert werden.

Von Christian Sebald und Mike Szymanski

Energieministerin Ilse Aigner (CSU) will offenbar dem Stromkonzern Eon ermöglichen, rasch ein hochmodernes Gaskraftwerk im unterfränkischen Grafenrheinfeld zu errichten. Ein neues Reservekraftwerk sei "zwingend erforderlich", um die Sicherheit der Stromversorgung und die Stabilität des Stromnetzes in ganz Süddeutschland zu gewährleisten, wenn das Atomkraftwerk (AKW) am selben Ort Ende 2015 vom Netz geht, sagte Aigner am Montag in München. Dafür gebe es eine Möglichkeit. Details wollte Aigner aber nicht nennen.

Nach SZ-Informationen könnte es sich bei Aigners Plan um die Verlagerung eines Eon-Gaskraftwerks aus dem slowakischen Malzenice nach Grafenrheinfeld handeln. Mit der Anlage könnten vor allem die Stabilität des Stromleitungsnetzes in Süddeutschland sichergestellt werden, wenn das AKW Grafenrheinfeld abgeschaltet ist, und die Überlandleitung "Thüringer Strombrücke" noch nicht fertig ist, über die einmal Strom aus Norddeutschland nach Bayern transportiert werden soll. Das Eon-Gaskraftwerk Malzenice ist genau so eine Anlage, von denen die Staatsregierung laut ihrem Konzept "Energie innovativ" vier bis fünf für eine erfolgreiche Energiewende im Freistaat braucht.

Die Anlage, die erst vor knapp drei Jahren ans Netz ging, hat eine Leistung von 430 Megawatt und kann so schnell angefahren und wieder abgeschaltet werden, dass alle möglichen Instabilitäten im Stromnetz ausgleichbar sind, die bei der Produktion immer größerer Mengen von Wind- und Sonnenstrom auftreten. Das Kraftwerk ist für eine Stromproduktion von drei Milliarden Kilowattstunden Strom ausgelegt, das entspricht dem Verbrauch von 900 000 Haushalten.

Malzenice hat freilich das Problem vieler Gaskraftwerke: Sonne und Wind liefern inzwischen so viel Strom, dass die Anlage auf nicht einmal die Hälfte der Betriebsstunden kommt, die sein Betreiber für einenen rentablen Betrieb bräuchte. Laut Eon ging man bei seiner Planung davon aus, dass die Anlage 4000 bis 5000 Stunden im Jahr läuft und Strom produziert. Tatsächlich produzierte das Kraftwerk zwischen Januar 2011 und Juni 2013 aber nur 5600 Stunden lang Strom.

Das ist die Hälfte der Zeit, mit der man bei Eon kalkuliert hatte. Bereits im Juli 2013 kündigte der Energiekonzern an, die Anlage vom Netz zu nehmen und in die sogenannte Kaltreserve zu überführen. Und wie bei anderen stillgelegten Kraftwerken startete man Überlegungen, die Turbine an einen rentableren Standort zu verlegen, wie das Unternehmen der SZ bestätigte.

Derweil werden die Warnungen der Wirtschaft vor Stromausfällen immer lauter, wenn das AKW Grafenrheinfeld Ende 2015 ohne entsprechende Ersatzkapazitäten abgeschaltet wird. Zugleich forderten Wirtschaftsleute einen "Plan B" für diesen Fall. Sie stützten sich dabei auf die Studie "Monitoring Energiewende", die das Wirtschaftsinstitut Prognos für die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (VBW) jedes Jahr vorlegt. Auch die aktuelle Studie geht davon aus, dass der bayerische Kraftwerkspark alleine die Stromversorgung nach 2015 nicht sicherstellen kann.

Schon bei ihrer Präsentation in der vergangenen Woche ließen hochrangige VBW-Leute durchblicken, dass es doch ein leichtes wäre, bis Ende 2015 ein unrentables Gaskraftwerk in Osteuropa abzubauen und nach Grafenrheinfeld zu verlagern. "Ein Kraftwerksstandort eignet sich auch deshalb so gut, weil die gesamte Infrastruktur von den starken Umspannwerken bis hin zur Gasleitung dort oder in nächster Nähe vorhanden sind", erklärte ein VBW-Mann. Dazu passt, dass Eon bereits im Juli im Gemeinderat von Grafenrheinfeld erste Überlegungen für den Bau und den Betrieb eines hochmodernen Gaskraftwerks in der Kommune präsentiert hatte.

Am Montag erklärte Aigner nun, dass sie an dem verlangten "Plan B" arbeite. Als Erstes werde sie die Bundesnetzagentur auffordern, den Bedarf für ein Reservekraft in Unterfranken festzuschreiben, wenn das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld abgeschaltet wird. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass dessen Betreiber Zahlungen dafür erhält, dass er die Anlage zur Verfügung stellt.

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