Energiepläne der CSU:Affront gegen die FDP

Seehofer träumt vom Bayernwerk: Der CSU-Chef kann sich für Bayern wieder eine eigene Energieversorgung vorstellen - nur mit seinem Wirtschaftsminister von der FDP hat er darüber nicht gesprochen. Dafür erhält er von anderer Seite unerwartete Unterstützung.

Frank Müller und Mike Szymanski

Mit seiner Vision von der Wende bei der Energiewende setzt Horst Seehofer alle Parteien im Freistaat unter Strom. Dabei kommt es zu manch ungewöhnlicher Konstellation: Während SPD-Herausforderer Christian Ude die Überlegungen seines CSU-Gegners offen begrüßt und Grünen-Fraktionschef Martin Runge zumindest positive Ansätze findet, ist der eigene Koalitionspartner verschnupft. Vize-Ministerpräsident Martin Zeil steht am Rande des Landtagsplenums in einer Nische und mokiert sich offen über Seehofer, ohne ihn beim Namen zu nennen: Nun sei nicht die Zeit für "täglich neue Vorschläge", sagt Zeil auf Seehofer gemünzt. Jeder habe das Recht, Ideen vorzubringen, meint Zeil mit gönnerhafter Süffisanz, auch wenn Seehofers Ansatz "ein Vorschlag ist, der uns nicht weiterführt".

Kabinettssitzung in Bayern

CSU-Chef Horst Seehofer hat seinen Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) in seine Energiepläne für Bayern nicht eingeweiht.

(Foto: dpa)

Die Aufregung hatte Seehofer mit Gedanken verursacht, die er am Vortag in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung äußerte. Aus seiner Verärgerung über den zögerlichen Fortgang der Energiewende innerhalb der Bundesregierung preschte Seehofer unmittelbar vor dem Berliner Energiegipfel vom Mittwoch mit zwei spektakulären Ideen vor. Einerseits drohte er Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einem Alleingang des Freistaats durch die Wiedergründung des legendären Bayernwerks - eine Idee, die Seehofer ausdrücklich als noch nicht durchgeplantes Konzept, sondern eben als Drohung bezeichnete.

Zum zweiten kündigte Seehofer einen "Bayernplan" an, der das bisherige Konzept zum Atomausstieg bis zum Jahr 2022 noch einmal aufschnüren würde. Seehofer will, wie berichtet, weg von den Gaskraftwerken, mit denen der Freistaat eigentlich seine Versorgungslücke nach dem Abschalten der letzten Atommeiler schließen wollte. Bis zu fünf neue Gaskraftwerke sind geplant. Nun könnten es nur zwei werden, weil Seehofer und sein Landwirtschaftsminister Helmut Brunner die Stromlücke durch ein landesweites Netz kleiner Biogasanlagen schließen wollen. In denen sollen Gülle und andere Landwirtschaftsreste zu Strom werden (siehe Bericht unten).

Aus Seehofers und Brunners Sicht hat die Vision viele Vorteile: Sie würde die Landwirtschaft stärken. Durch die Beschränkung auf kleine Einheiten mit maximal 50 Megawatt würden größere Transportprobleme vermieden und die kleinteilige bäuerliche Struktur gestärkt. Zeil dagegen lässt durchblicken, dass er das für Luftschlösser hält. 26.000 solcher Kleinstanlagen bräuchte Bayern, hat Zeil schon am Morgen seine Experten nach der Zeitungslektüre ausrechnen lassen - ein Mehrfaches der Rechnung, die Brunner aufmacht.

Nicht zum ersten Mal hat Seehofer Zeil als den eigentlich zuständigen Fachminister in der Energiefrage übergangen. Zeil bemüht sich, den Affront sportlich zu nehmen: "Ich hab' das ja jetzt heute auch erst zur Kenntnis genommen", sagt er. Noch skeptischer als Seehofers Bayernplan sieht er ein Wiederaufleben der staatlichen Energieversorgung. Eine Rückkehr zum alten Bayernwerk strahle zwar "einen gewissen Romantizismus" aus. Aber: "Eine Bayernwerk-Renaissance ist mit uns nicht zu machen." Schließlich sei die Energiewirtschaft aus guten Gründen liberalisiert und entstaatlicht worden, sagt Zeil.

Passend dazu verabschiedet die Landtags-FDP ein schon seit längerem erarbeitetes Positionspapier gegen staatliches Unternehmertum: "Der Staat darf sich außerhalb seiner Kernaufgaben nicht beliebig wirtschaftlich betätigen", sagt FDP-Fraktionschef Thomas Hacker.

Die CSU selbst springt Seehofer dagegen bei. "Ich teile die Ungeduld von Horst Seehofer", sagt Umweltminister Marcel Huber zum Bayernplan des CSU-Chefs. "Die Idee ist gut, wir müssen handeln." Möglicherweise sei die Versorgungslücke durch den Bayernplan schneller zu schließen als durch große Gaskraftwerke. Auch eine Wiedergründung des Bayernwerks stößt auf Zustimmung: "Die Zeit des Bayernwerkes war keine schlechte", sagt Markus Blume, Wirtschaftspolitiker der CSU-Fraktion. In den Kommunen und Teilen der Wirtschaft gebe es durchaus Interesse, die Energiewende selbst in die Hand zu nehmen. In einem Bayernwerk könne eine "Allianz der Willigen'" zusammenfinden, so Blume.

Den Begriff Bayernwerk hat Seehofer jedenfalls mit Bedacht gewählt. Denn er weckt Erinnerungen an eine alte Herrlichkeit, als der Freistaat noch selbst im Besitz von Energieproduktion war. 1921 wurde das traditionsreiche Unternehmen gegründet, sein Name verbindet sich unter anderem mit dem Betrieb des legendären Walchenseekraftwerks. Unter Ministerpräsident Edmund Stoiber wurde das Bayernwerk in den neunziger Jahren dann erst privatisiert und schließlich zum damals neuen Energieversorger Eon verschmolzen.

SPD-Herausforderer Ude hält der CSU zugute, dass sie "den Irrweg der Privatisierung verlassen will und zumindest nachträglich den Wert öffentlicher Unternehmen erkennt". Seehofer erbringe den Beweis, "dass die Privatisierungspolitik der CSU ein verhängnisvoller Irrweg war und die energiepolitischen Handlungsmöglichkeiten mutwillig zerstört hat, so dass der historische Irrweg mit ebenso winzigen wie sündteuren Trippelschritten zurückgegangen werden muss."

Grünen-Fraktionschef Runge verlangt auszuschließen, "dass ein staatlicher Energiekonzern nur die Geschäfte betreibt, die sich für Eon nicht rechnen". Selbst von Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger bekommt Seehofer verhaltenen Beifall: "Höchste Zeit, dass dieser Fehler wieder ausgebügelt wird."

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