Elvis in der Oberpfalz:Der King of Grafenwöhr

Elvis in der Oberpfalz: 23 Jahre alt und weltberühmt: Elvis Presley mit seiner Grafenwöhrer Romanze Elisabeth Stefaniak (mit Geschwistern).

23 Jahre alt und weltberühmt: Elvis Presley mit seiner Grafenwöhrer Romanze Elisabeth Stefaniak (mit Geschwistern).

(Foto: Archiv Kultur- und Militärmuseum Grafenwöhr)

Zwei Konzerte hat Elvis Presley außerhalb der USA gespielt - eines davon wohl in Grafenwöhr in der Oberpfalz. Tonaufnahmen oder Fotos gibt es nicht. Über eine besondere Spurensuche.

Von Andreas Glas, Grafenwöhr

Man will ihn gern fragen, wie es wirklich war. Aber Elvis ist aus Plastik. Er sitzt da, steif und stumm, eine lebensgroße Puppe am Original-Flügel, auf dem er damals seine großen Lieder gespielt hat. Ziemlich sicher "Hound Dog", vielleicht auch "Heartbreak Hotel", genau weiß das keiner mehr. "Aber das Konzert hat stattgefunden", sagt Wolfgang Houschka, "das ist Fakt."

Houschka, 70, steht neben dem Plastik-Elvis im Kultur- und Militärmuseum in Grafenwöhr. Hier ist die Micky Bar nachgebaut, in der Elvis Presley im Dezember 1958 ein Privatkonzert gegeben hat. In der Vilsecker Straße, wenige Gehminuten vom Museum entfernt. Houschka war zu jung, um in der Bar dabei zu sein, aber alt genug, um mit Presleys Musik aufzuwachsen. Später, als Journalist, hat Houschka immer wieder mit Zeitzeugen gesprochen, die das Konzert gesehen haben. Wie ein Puzzle hat er zusammengesetzt, was sich in der Micky Bar abgespielt hat. Das Elvis-Konzert in Grafenwöhr, sagt Houschka, "war sein einziger belegbarer Auftritt außerhalb der Vereinigten Staaten".

So ganz stimmt das nicht, Presley ist auch mal in Kanada aufgetreten. Ansonsten aber spricht vieles dafür, dass sich die Dinge so zugetragen haben, wie es Houschka erzählt. Was ohnehin bekannt ist: Während seiner Militärzeit kam der Sänger für ein Manöver in die Oberfalz, wurde am 3. November 1958 auf dem Truppenübungsplatz der US-Armee in Grafenwöhr einquartiert, sechs Wochen lang. Er war 23 und bereits weltberühmt. Man kann sich das Gekreische der Mädchen vorstellen, wenn der junge Presley irgendwo in Grafenwöhr auftauchte.

Beinahe hätte auch Wolfgang Houschka den Mann leibhaftig gesehen, den er damals so verehrte und der ihn heute noch fasziniert. "Ich bin fünf Minuten zu spät gekommen", sagt er über den Tag, als Elvis Presley in Amberg war. Dort ist Houschka groß geworden, 40 Kilometer südlich von Grafenwöhr. Eines Tages habe sich in der Stadt herumgesprochen, dass Presley am Marktplatz in Amberg stehe und eine Panzerkolonne durch den Ort lotse. Houschka war ein Bub, elf Jahre alt, er lief so schnell er konnte. Doch als er am Marktplatz ankam, war sein Idol schon wieder weg. Das bedauert er bis heute.

Es gibt viele Fotos, die Presleys Zeit in der Oberpfalz dokumentieren: Elvis eingemümmelt bei einer Patrouillenfahrt an der verschneiten tschechischen Grenze. Elvis beim Autogrammschreiben, umringt von Kindern, im Gasthof Zum Weißen Lamm in Hirschau. Elvis mit der 19-jährigen Elisabeth Stefaniak im Arm, die beiden sollen in Grafenwöhr eine Romanze gehabt haben. Nur dieser eine, legendäre Auftritt ist nirgendwo dokumentiert: das Elvis-Konzert in der Micky Bar.

Unter den GIs war das Tanzlokal über die Oberpfalz hinaus bekannt. Striptease-Tänzerinnen traten auf, Bands aus ganz Europa. Bis zu 40 Angestellte arbeiteten dort, bis zu 350 Gäste passten hinein. Im Winter 1958 besuchte Vernon Presley seinen Sohn in Grafenwöhr, Elvis quartierte ihn für eine Woche in einem Gästezimmer in der ersten Etage der Micky Bar ein. Die Wirtin habe sich rührend um die beiden gekümmert, sagt Wolfgang Houschka. Überliefert ist, dass Elvis jeden Abend mit einem Fahrer zur Bar kam, dass die Wirtin täglich Schnitzel und Bratkartoffeln für Elvis und seinen Vater machte. Am nächsten Tag, frühmorgens, brachte der Fahrer den Sänger zurück in die Kaserne.

Elvis in der Oberpfalz: Die bei US-Soldaten beliebte Micky Bar in Grafenwöhr.

Die bei US-Soldaten beliebte Micky Bar in Grafenwöhr.

(Foto: Archiv Kultur- und Militärmuseum Grafenwöhr)

Irgendwann, sagt Houschka, habe Elvis gefragt, was er der Wirtin schuldig sei für das Essen und das Gästezimmer. "Nichts, Sir, es war uns ja eine Ehre", soll die Wirtin gesagt haben. Seine Rechnung beglich der Sänger dann offenbar auf eine ganz besondere Weise. Am Abend, bevor sein Vater abreiste, habe er das Personal der Micky Bar zusammengetrommelt, sagt Houschka. "Es durfte nicht fotografiert und nichts mitgeschnitten werden", das sei die Bedingung gewesen. Das Lokal sei abgeschlossen worden, dann habe sich Elvis an den Flügel gesetzt "und die Leute ein wenig unterhalten", sagt Houschka.

Wie lange das Konzert ging, ob Elvis in Zivil oder in Uniform am Klavier saß, welche Lieder er spielte - darüber gibt es bis heute unterschiedliche Aussagen. Schon seltsam, sagt Houschka, "die Songs hätten die Leute doch kennen müssen". Doch als er später bei seinen Recherchen nachfragte, "da haben viele nur gesagt: Schön hat er gesungen". Dass es bekannte Elvis-Hits waren, das immerhin konnten die meisten Zeugen bestätigen. Eine Sensation, findet Houschka, denn das Management hatte Presley verboten, während seiner Militärzeit mit eigenen Stücken in Deutschland aufzutreten.

Flügel und Pianohocker stehen nun im Museum

Kurz nach dem Konzert in der Micky Bar verließ Presley die Oberpfalz. Er wurde wieder ins hessische Friedberg abkommandiert, wo er die längste Zeit seines Militärdienstes in Deutschland verbrachte. Einmal noch, Anfang 1960, kehrte er für ein zweites Manöver nach Grafenwöhr zurück. Die Micky Bar habe er da aber nicht mehr besucht, sagt Houschka. Heute erinnert der schwarze, ziemlich ramponierte Flügel im Kultur- und Militärmuseum an das legendäre Privatkonzert in der Micky Bar - samt Hocker, auf dem Presley damals saß. Der Sohn der Wirtin, heute 81 Jahre alt, hat das Instrument dem Museum verkauft.

Die Micky Bar gibt es schon länger nicht mehr, das Gebäude immerhin steht noch. Wer in diesen Tagen durch Grafenwöhr marschiert und sich in der Vilsecker Straße umschaut, der entdeckt dort ein unscheinbares, kalkweiß gestrichenes Haus mit flachem Anbau. Die Leuchtreklame ist vom Dach des Hauses verschwunden, die blinkende Striptease-Tänzerin an der Fassade sowieso. Wo früher gesündigt wurde, wird heute gebetet. "Kirche Jesu Christi" steht auf dem Schild, das an der Fassade hängt. Wer die vielen Elvis-Jünger gesehen hat, die neulich wegen seines 40. Todestages an sein Grab in Memphis gepilgert sind, der kann das für eine gelungene Pointe halten.

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