Elefantöses Thema:Weltpolitik am Gartenzaun

Podiumsgespräch über Verständigungskultur

Markus Ederer, Staatssekretär im Außenministerium, und Unterhaltungsschwergewicht Gerhard Polt erörtern die derzeitigen Krisenherde.

(Foto: Manfred Neubauer)

Die Nachbarn Gerhard Polt und Markus Ederer diskutieren am Schliersee über Syrien, Waffenlieferungen und die Rolle der Türkei

Von Stefan Kornelius, Schliersee

Man muss das als geglückten Versuch der Politikvermittlung werten, wenn ein Unterhaltungsschwergewicht wie Gerhard Polt als eine Art Lockvogel fungiert, damit an einem friedlichen Sonntagmorgen in einem der friedlichsten Winkel der Bundesrepublik die Härten der Welt erklärt werden können. Polt also lockt, aber die Vermittlung übernimmt Markus Ederer, Staatssekretär im Außenministerium, dessen Beruf es geradezu verbietet, sich über die Welt lustig zu machen. Zu betrachten ist also eine Art Nachbarschaftshilfe, weil die in Schliersee benachbart wohnenden Herren Polt und Ederer verabredet haben, dass sie die Weltpolitik (Ederer) auf die heimische Bühne (Polt) bringen würden. Diese Bühne bietet der rührige Kulturverein Josefstaler Elefant. Der hat sich mit dem Syrien-Krieg ein wahrhaft elefantöses Thema eingebrockt, aber mit Ederer einen der besten Erklärer dafür besorgt.

Polt, ein politisch durchaus austeilender Mensch, gesteht ein, dass er als Fragender gekommen sei, der zwar Meinungen habe, "aber Meinungen soll man nicht überbewerten". Diesem selbstbescheidenden Statement in meinungssatten Zeiten setzt Ederer umso mehr Einordnung entgegen, erklärt also die Rolle Russlands in Syrien, die Risiken einer kurdischen Staatsgründung, die Interessen Saudi-Arabiens und schnürt das alles mit dem Obersatz ab, wonach Deutschland erstens "Instabilität importieren wird, wenn es keine Stabilität exportiert", und dass es zweitens ein Charakteristikum von Außenpolitik sei, "dass wir immer wieder ansetzen müssen, wo es keine Erfolgsgarantie gibt". Denn: "Was ist denn die Alternative?"

Weniger Waffen zu liefern, wäre eine Alternative, schlägt das Publikum vor, oder sich seine politischen Partner wie etwa den türkischen Präsidenten Erdoğan besser auszusuchen. Das sind für den Oberrealisten Ederer wenig taugliche Argumente, weil er weiß, dass aus Deutschland gelieferte Waffen wenigstens unter scharfer Kontrolle und Aufsicht stehen. Und in Krisen stünden die Partner eben auch nicht zur Wahl.

Was also Erdoğan oder den Umgang mit Putin oder noch schlimmer Assad betrifft, hält Ederer eine sachliche Botschaft parat: "Es gibt hier keine moralisch sauberen Lösungen. Wir arbeiten im Graubereich, schwarz und weiß sind in der Außenpolitik selten vorgesehen. Alles dazwischen sind Schattierungen, und da arbeiten wir." Dann zitiert er einen syrischen Oppositionellen, der das Problem auf eine schlichte Formel gebracht habe: Ohne Assad werde es keinen Frieden geben, und mit Assad keine Zukunft.

Was also tun, gerade wenn man der Deutschen Dilemma mit den Flüchtlingen betrachte? "An dem Prozess gibt es viel zu kritisieren, aber ich sehe keine besseren Alternativen", so die Botschaft aus Berlin. "Wichtig ist, dass wir unsere Werte kennen, auch wenn wir sie nicht aufoktroyieren können." Gerhard Polt, der sich möglicherweise mit Rücksicht auf seinen politisch leichter verwundbaren Gesprächspartner ein paar satte Bemerkung zum "Führer Orbán" oder den "Freund Erdoğan" verdrückt, hält zum Schluss wenigstens einen tröstlichen Rat bereit: "Auch wenn es keine Hoffnung gibt, nehmen wir sie wahr."

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