Ehefrau getötet und missbraucht:"Ich war wie ferngesteuert"

Totschlagsprozess in Traunstein

Der Angeklagte Wilhelm E. im Landgericht in Traunstein.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)

Wilhelm E. erwürgte seine Frau, verging sich sexuell an ihrer Leiche und ließ sich dann von seiner Tochter mit dem toten Körper im Kofferraum zur Polizei fahren. Nun steht der 53-Jährige in Traunstein wegen Totschlags vor Gericht.

Von Heiner Effern

Am Morgen, nachdem Wilhelm E. seine Frau erwürgt hatte, rief er seine Tochter aus erster Ehe an. Ob sie ihn denn bitte nach Mühldorf fahren könnte? Keine ganz ungewöhnliche Frage, schließlich hatte er schon lange keinen Führerschein mehr. Die jetzt 26 Jahre alte Tochter kam am Sonntagvormittag zum Haus nach Neumarkt (Kreis Mühldorf), fuhr ihren Vater in die Stadt, hielt den Wagen an. Dann erklärte ihr Wilhelm E., dass im Kofferraum ihre tote Stiefmutter liege. Die junge Frau rannte entsetzt davon. Er selbst ging in die Polizeiinspektion und eröffnete den Beamten, dass die Leiche seiner Frau draußen im Kofferraum seines BMW sei.

So erzählt es Wilhelm E., 53, der nun im Saal B 31 des Landgerichts Traunstein sitzt, angeklagt des Totschlags an seiner Frau Esther. Er hat eine feine Hose angezogen, einen Pulli und darüber eine Strickjacke. Als der Staatsanwalt die Anklage vorliest, ist sein Gesicht mit den buschigen Brauen noch regungslos. Nur der Oberkörper bewegt sich vor und zurück, kaum merkbar schaukelnd, immer wieder. Als er dann erzählt, wie ihm "der Schalter rausgesprungen ist", wie er "umi gehupft" ist auf die Couch und ihr die Hände um den Hals legte, bricht er in Tränen aus.

Er habe gewollt, dass sie "endlich staad sei", dass sie aufhöre mit den Vorwürfen und der Ankündigung von der endgültigen Trennung. Als sie auf dem Sofa unter ihm lag, habe er noch das Knie auf den Hals gedrückt, sagt er. Anschließend habe er sie über die Treppe hinauf ins Schlafzimmer getragen, unten einen Kaffee getrunken und am Sofa die Kissen aufgeschüttelt. Alles schön aufgeräumt, bevor er wieder hinauf ist. Und dann ist selbst Wilhelm E., der für jedes Detail wortreiche Erklärungen hat, an dem Punkt angekommen, an dem Worte kaum mehr etwas erklären können.

Warum er mit seiner toten Frau noch den Beischlaf vollzogen habe, will der Vorsitzende Richter Erich Fuchs wissen. Zuerst kommt nichts, dann versucht es Wilhelm E. doch: "Ich wollte ihr nahe sein, einfach nur nahe sein." Er liebe seine Frau, die er immer noch "Mäuschen" nennt. Liebe und Sex seien doch irgendwie eines. "Ich sehe sie nie wieder, das ist das letzte Mal." Solche Gedanken seien ihm durch den Kopf gegangen. Und warum er der toten Frau ein Anästhetikum in den Mund geflößt hat? Wilhelm E. kann es nicht erklären. Aber dass es nach dem Tod war, das weiß er noch.

Alkohol war ein langjähriger Begleiter

Als die Tochter aus der Ehe mit Esther abends nach Hause kam, fand sie nichts Auffälliges am Vater. Sie hätten gemeinsam nach einem Top, in dem sie ausgehen wollte, gesucht, sagt sie vor Gericht. Ihre Mutter schlafe, habe Wilhelm E. ihr damals erklärt. Da lag Esther E. tot im Schlafzimmer. Auch die anderen beiden Kinder aus dieser Ehe waren zur Tatzeit nicht im Haus. In einer Verhandlungspause gleich nach dem Geständnis kommt dieselbe Tochter vor zu ihrem Vater an die Anklagebank. Die beiden umarmen sich innig. Plötzlich drückt sich ein tiefer, verzweifelter Schrei aus der Brust des Angeklagten. Richter Fuchs reißt die Tür des Hinterzimmers auf und fragt besorgt, ob er einen Notarzt rufen soll. Nicht nötig. Ein paar Minuten später spricht der Angeklagte schon wieder von einer Leberkässemmel.

Dessen Stimmungen wechseln so schnell, dass die Menschen im Saal kaum mehr mitkommen. Als Wilhelm E. anscheinend bedrückt erzählt, wie sich am 6. Juli 2013 der tödliche Streit aufschaukelte, wünscht er einer Frau, die im Saal hustet, zwischendurch "Gesundheit". Der Angeklagte sagt, er habe sich an diesem Samstag mit seiner Frau eigentlich einen schönen Abend machen wollen. Schließlich war es ihr Kennenlern-Tag, genau vor 21 Jahren waren sie sich als Paar näher gekommen.

Doch dann platzte am Vormittag ein Geschäft, nach vielen beruflichen Pleiten versuchte er sich gerade als Immobilienmakler. Seine Frau arbeitete ebenfalls an diesem Samstag. Mit dem in der Familie "Onkel" genannten Horst W., der für Kost und Logis den Haushalt machte, ging er in ein Café. Dort trank er fünf halbe Liter Weinschorle. Als seine Frau abends heimkam, sei er geschafft auf einem Hocker gesessen, sagt er. Es kam zum Streit, wieder einmal wegen des Alkohols.

Der Alkohol, ein langjähriger Begleiter von Wilhelm E.: Mit zwölf habe er angefangen zu trinken. Die erste Ehe sei deshalb draufgegangen. Nun also die zweite. "Meine Frau ist alles für mich gewesen. Und meine Familie", sagt Wilhelm E. Doch als Esther die 21 vergangenen Jahre wie eine Scharfschützin schlecht geredet habe, sei er ausgerastet. "Ich war wie ferngesteuert." Denn offensichtlich meinte sie es nach vielen Streitereien diesmal mit der Trennung ernst, das habe er gespürt. "Das ist doch nicht normal, dass du dein Leben immer kämpfen musst, dass du eine normale Ehe führst."

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