Doppelter Abi-Jahrgang:Schlange stehen statt studieren

Von der Mensa bis zur Bibliothek: Die Infrastruktur für Studenten ist nicht auf den Ansturm der Absolventen des doppelten Abiturjahrgangs vorbereitet.

Tina Baier

Neulich fiel in der Würzburger Mensa am Hubland wieder einmal die Fritteuse aus. "Es hat drei Wochen gedauert, bis das 30 Jahre alte Gerät, für das es keine Ersatzteile mehr gibt, endlich wieder funktionierte", sagt Michael Ullrich, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Studentenwerke. Auch die Spülmaschinen der Würzburger Mensa arbeiten nicht mehr so, wie sie eigentlich sollten.

Studentin in der Münchner Universität, 2010

Die Infrastruktur für Studenten ist nicht auf den Ansturm der Absolventen des doppelten Abiturjahrgangs vorbereitet.

(Foto: Robert Haas)

Ob die marode Technik des dringend sanierungsbedürftigen Studentenrestaurants durchhält, wenn im Wintersemester die Absolventen des doppelten Abiturjahrgangs an die Universität strömen, wird sich zeigen. Geld für eine Sanierung ist jedenfalls nicht vorgesehen.

Genauso wie die altersschwache Fritteuse am Hubland ist die gesamte Infrastruktur für Studenten nicht auf den Ansturm vorbereitet. "Die Studentenwerke in Bayern, die unter anderem Mensen und Wohnheime betreiben sowie psychosoziale Beratung für Studenten anbieten, sind beim Ausbau der Hochschulen für den doppelten Abiturjahrgang leer ausgegangen", sagt Christian Zwanziger, Sprecher der bayerischen Studierenden.

Nach Ansicht von Ullrich steckt dahinter auch die Überlegung, dass es spätestens im Jahr 2020 wieder deutlich weniger Studenten geben wird, weil dann die geburtenschwachen Jahrgänge an die Universitäten kommen.

Leidtragende sind besonders die Absolventen des doppelten Abiturjahrgangs, die es nicht nur extrem schwer haben, bezahlbaren Wohnraum zu finden (siehe SZ vom 15. 4 und vom 16./17.4.), sondern sich zudem auf Preiserhöhungen in Mensen und Cafeterien gefasst machen müssen. Auch die Wartezeiten auf die Bearbeitung von Bafög-Anträgen und auf Beratungsgespräche erhöhen sich möglicherweise.

Nach einer Analyse der SPD-Fraktion zum doppelten Abiturjahrgang in Bayern sind die Zuschüsse des Freistaats an die Studentenwerke in den vergangenen Jahren trotz steigender Studentenzahlen kontinuierlich gekürzt worden. Im Jahr 2000 bekamen sie noch 111 Euro pro Student. 2011 und 2012 sind es nur noch 55 beziehungsweise 53 Euro.

"Für Sanierungen und Baumaßnahmen fehlen den Studentenwerken in Bayern bis zum Jahr 2014 mehr als 50 Millionen Euro", sagt Isabell Zacharias, hochschulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion. Beim Studentenwerk in München seien weniger als zehn Prozent der geplanten Ausgaben gedeckt.

Eines der größten Probleme in der Landeshauptstadt ist fehlender Wohnraum für Studenten. Doch auch die Zustände beispielsweise in den Mensen der Technischen Universität in der Innenstadt und in Garching findet Zacharias skandalös. "Die Studierenden essen aus einer Art Fressnapf", sagt sie. Die Beilagen würden nicht auf Tellern serviert, sondern direkt in eine Mulde auf dem Tablett gekippt. Zacharias erkundigte sich, warum das so ist, und bekam zur Auskunft, dass es spezielle Spülmaschinen für die unappetitlichen Tabletts gebe und dass es schlicht zu teuer sei, neue Maschinen anzuschaffen.

"Viele Mensen in Bayern sind dringend sanierungsbedürftig.", sagt Ulrike Gote, hochschulpolitische Sprecherin der Grünen. Außerdem gibt es schlicht zu wenig Platz, um den Ansturm des Doppeljahrgangs zu bewältigen. Nach Erfahrung von Christian Zwanziger kommt es schon jetzt an vielen Standorten zu Engpässen.

Eine Maßnahme, die Essensausgabe zu beschleunigen sei, die Frittierzeit der Pommes frites auf 60 bis 70 Prozent zu reduzieren. Damit im Wintersemester überhaupt alle Studierenden eine Chance auf ein billiges warmes Essen bekommen, planen viele Betreiber eine Verlängerung der Öffnungszeiten oder eine zusätzliche Öffnung am Abend.

Platzmangel in den Bibliotheken

Eng wird es nach Informationen von Zacharias auch in einigen Bibliotheken. Schon jetzt können manche Bücher nicht mehr ausgeliehen werden, da nur eine bestimmte Anzahl von Exemplaren zur Verfügung steht, die den Bedarf aber bei weitem nicht decken. Geld für die Anschaffung zusätzlicher Exemplare gibt es nicht. In der bayerischen Staatsbibliothek in München etwa lernen viele Studenten und Studentinnen deshalb vor Ort. Für Schüler und Schülerinnen ist das Lernen in der Stabi dagegen verboten, weil es schon jetzt nicht genug Arbeitsplätze für alle gibt.

"Auch im Bereich der psychosozialen Beratung wurde nicht aufgestockt", sagt Ulrike Gote. Dabei ist schon allein wegen der höheren Zahl von Studierenden mit einer steigenden Nachfrage dieses Angebots der Studentenwerke zu rechnen. Die Beratungsstellen sind schon jetzt oft am Rande ihrer Kapazitäten, weil der Bedarf seit Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge mit ihrem hohen Prüfungsdruck stark angestiegen ist. Auch die Einführung der Studiengebühren hat das Studentenleben nicht gerade einfacher gemacht. "Wenn dann auch noch die Prüfungen schieflaufen und man wegen Überfüllung keinen Platz in einem bestimmten Seminar bekommt, das man aber unbedingt für den Abschluss braucht, kann die Situation schon belastend werden", sagt Ullrich.

Ob die Absolventen des achtstufigen Gymnasiums (G8), die ja im Schnitt ein Jahr jünger sind als Studienanfänger früherer Jahrgänge, größere Schwierigkeiten haben werden, mit diesen Stressfaktoren umzugehen und verstärkt Beratung brauchen, wird sich erst zeigen.

Schon jetzt zeichnet sich aber ab, dass die angehenden Studenten mehr Hilfe beim Start ins Studentenleben benötigen als frühere Generationen: Noch vor einigen Jahren hatten die Mitarbeiter der Studentenwerke so gut wie nie mit Eltern zu tun, heute ist das gang und gäbe. Das ergibt sich allein schon dadurch, dass manche Absolventen des G8 noch nicht volljährig sind, wenn sie mit dem Studium beginnen. Deshalb brauchen sie die Eltern, um etwa den Mietvertrag für die Studentenbude zu unterschreiben. "Seit einiger Zeit rückt häufig die ganze Familie an, um etwa das Zimmer im Studentenwohnheim zu besichtigen", sagt Ullrich. "Der Vater inspiziert die Toilette, die Mutter begutachtet die Küche."

Oft sei der angehende Student bei der Besichtigung gar nicht dabei. Wenn die Eltern das Zimmer für gut befinden, nehmen sie den Schlüssel mit. Der künftige Bewohner kommt dann später nach.

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