Domspatzen:Wie das Bistum Regensburg mit Georg Ratzinger umgeht

Missbrauchsskandal Regensburger Domspatzen

Georg Ratzinger, drei Jahrzehnte lang Herr über die Regensburger Domspatzen.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Erst nennt Ratzinger die Aufklärung des Missbrauchsskandals einen "Irrsinn", dann heißt es in einer Mitteilung, er begrüße sie. Subtext: Diesen alten Mann fragt man besser nicht mehr.

Porträt von Rudolf Neumaier

Die Pressemitteilung des Bistums Regensburg klingt wie eine Korrektur. Prälat Georg Ratzinger, heißt es darin, begrüße die Aufarbeitungsarbeit des Bistums Regensburg bei den Domspatzen. Mit dem Vorgehen der Diözese sei er "uneingeschränkt einverstanden".

Gemeint sind damit die Ermittlungen und der Zwischenbericht eines vom Bistum beauftragten Anwalts. Der recherchierte zumeist Jahrzehnte zurückliegende Fälle von Schlägen und sexuellem Missbrauch, vor allem in der externen Domspatzen-Vorschule außerhalb Regensburgs. Aber außer einigen Zahlen brachte er zumindest nach Einschätzung des Prälaten wenig Neues ans Tageslicht.

Wahrscheinlich war ihm das Echo darauf zu schrill. Denn wenige Stunden vor der Pressemitteilung des Bistums hatte Ratzinger von einer "Kampagne" und von "Irrsinn" gesprochen, als ihn eine vertraute Reporterin des Bayerischen Rundfunks anrief.

Auf vieles hat Ratzinger vor sechs Jahren geantwortet

Erst soll es Irrsinn sein - und noch am selben Nachmittag hält er es für "richtig, alle Beschuldigungen rückhaltlos aufzuklären"? Im Subtext sagt die Mitteilung aus dem Bischöflichen Ordinariat: Leute, ihr seht ja, dieser Mann ist ein alter Mann, von jetzt an fragt ihr ihn besser nicht mehr.

Die Verlautbarung soll ihn behüten - wenn sich der Bruder von Papst Benedikt unter Kuratel stellen lässt, könnten ihm unruhige Wochen erspart bleiben. Denn es gibt einige Fragen, die ihm Opfer von Prügel und sexuellem Missbrauch gerne noch stellen würden. Ratzinger wirkte von 1964 bis 1994 als Regensburger Domkapellmeister.

Auf vieles hat er vor sechs Jahren geantwortet, als die Domspatzen von ihrer Vergangenheit eingeholt wurden. Nein, der brutale Erziehungsstil in der auswärtigen Vorschule sei ihm nicht bewusst gewesen. Nein, von sexuellem Missbrauch im Domspatzen-Internat habe er nichts mitbekommen. Ja, er habe selbst Buben geohrfeigt, ehe in Bayern Ende der Siebziger diese Züchtigung verboten wurde. Für all das bat er um Entschuldigung, für das, was er tat, und für das, was ihm entgangen sei.

Den Opfern muss wohl Ratzingers Erklärung von 2010 reichen

Es spricht viel dafür, dass Georg Ratzinger um die Vorgänge in der Vorschule mehr wusste als er heute angibt. Viele seiner früheren Sänger sagen, sie hätten es ihm erzählt, Jahrgang für Jahrgang, immer wieder. Und auch die Geschichten über sexuelle Übergriffe könnten ihm nicht entgangen sein. Wollte Ratzinger nichts davon wissen?

Als Musiker wollte Ratzinger in seinem Chorsaal Chef sein, nur hier und nicht außerhalb. Schule und Internat hingegen interessierten ihn bestenfalls am Rande. Doch als Domkapellmeister war er Oberhaupt über die gesamte Einrichtung - und er hätte sich kümmern müssen, auch um die Vorschule, das werfen ihm die Opfer von damals heute vor.

Am Freitag wird Georg Ratzinger 92 Jahre alt. Er ist fast blind, braucht eine Gehhilfe. Angeblich will er jetzt wirklich keine Interviews mehr geben. Den Opfern muss vermutlich seine Erklärung von 2010 reichen.

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