Dirigent Jin Wang vor Gericht:"Mir wird schlecht" - sagt die Studentin

Fans folgen ihm bis in den Saal des Würzburger Landgerichts: Der Prozess um die mutmaßliche sexuelle Nötigung einer Studentin durch Dirigent Jin Wang wird fortgesetzt.

Olaf Przybilla

Der Maestro Jin Wang ist gerade zurückgekehrt von einer Konzertreise. Der Strafprozess gegen ihn hat auch deswegen für 19 Tage unterbrochen werden müssen, weil der Terminplan des Dirigenten das einfach nicht anders hergegeben hat. Ein bisschen stößt sich das mit den Bekundungen Wangs, nach den Vorwürfen gelte er als Maestro in der Szene als "verbrannt".

Würzburger GMD Jin Wang beteuert Unschuld

Der ehemalige Generalmusikdirektor Jin Wang teilte vor dem Gerichtssaal mit, dass er an einer Oper namens "Provinztheater" arbeite.

(Foto: dpa)

Für diese Ungereimtheit aber hält der ehemalige Generalmusikdirektor (GMD) von Würzburg eine schlichte Erklärung bereit: Fast ruiniert sei sein Ruf nur hierzulande. Andernorts, in den Opernhäusern in China etwa, interessiere man sich keineswegs dafür, dass Maestro Wang eine Studentin sexuell genötigt haben soll. "Und in Rumänien lachen sie darüber", berichtet er.

Der Prozess gegen Wang, 50, wird an diesem Mittwoch am Landgericht in Würzburg fortgesetzt, dort lachte zuletzt niemand mehr über die Vorwürfe. Auch nicht der Tross von Damen im gesetzten Alter, der dem Dirigenten im Gerichtssaal die Treue hält. Als 2007 bekannt wurde, dass gegen den GMD wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung ermittelt wird, hatte sich die Affäre Wang in Würzburg zu einem Politikum ausgeweitet.

Die Bewunderer des Dirigenten - es sind bis heute nicht wenige - behaupteten, die Vorwürfe seien Teil einer Verleumdungskampagne der Stadt. Deren Kulturreferent, so lautete der Vorwurf, habe nur auf eine Chance gewartet, den Maestro aus dem Mainfranken-Theater auf möglichst billige Weise loszuwerden.

Die Argumentation wirkte zunächst nicht ganz abwegig: Tatsächlich war es Kulturreferent Muchtar Al Ghusain, der die Ermittlungen gegen Wang in Gang gebracht hatte, er hatte die Staatsanwaltschaft informiert. Und tatsächlich waren diese Vorwürfe in eine Zeit gefallen, in der es im Orchestergraben des Würzburger Theaters zu Verwerfungen gekommen war.

Dort gab es 2007 eine Minderheit, die Wangs Art der Menschenführung im Sinn des gemeinsamen Ziels zu tolerieren bereit war - immerhin hatte Wang angekündigt, aus dem Orchester einer kleinen Großstadt einen Klangkörper von europäischem Format zu machen. Die Mehrheit der Musiker indes wollte sich den Methoden des Dirigenten nicht mehr unterwerfen. Wang, so lautete der Vorwurf, erniedrige Musiker auf eine Weise, die kaum noch zu ertragen sei.

Der Vorwurf der Musiker spielt in der Anklage keine Rolle, in der Verteidigung Wangs sehr wohl. Der Dirigent hat zu Prozessbeginn dreieinhalb Stunden in eigener Sache gesprochen. Möglicherweise sei er "ein bisschen streng zu den Musikern gewesen", sagt er, das aber mache ihn "doch nicht schuldig im Sinne der Anklage".

"Ein Vorfall, der mir Angst gemacht hat"

Vor dem Gerichtssaal hat Maestro Wang kurz zuvor Journalisten eine Mitteilung auf den Weg gegeben: Er arbeite gerade an einer Oper, "Provinztheater" soll sie heißen - Thema seien die Verwicklungen von Kultur, Politik und Justiz in einer Kleinstadt. Später hat Wang sogar seine Geige gezückt und im Gerichtssaal ein paar Takte aus Puccinis "Tosca" hören lassen. Er, Wang, habe ein reines Gewissen, sollte das vermutlich signalisieren. Die Bewunderer auf der Zuhörerbank zeigten sich entzückt.

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Jin Wang hat seine eigene Version von den Vorfällen im Treppenhaus.

(Foto: dpa)

Das alles lässt vermuten, dass der in Peking geborene Musiker mit österreichischem Pass den Ernst der Lage noch nicht begriffen hat. Denn im Prozess ist bislang nur eines wirklich klar geworden: Egal ob der Dirigent am Ende verurteil wird oder nicht - der Kulturreferent von Würzburg hat das, was ihm zu Ohren gekommen ist, der Staatsanwaltschaft mitteilen müssen.

Wang soll eine damals 22 Jahre alte Studentin in deren Treppenhaus an den Armen gepackt, gegen die Wand gedrückt, gegen ihren Willen geküsst, ihr T-Shirt, BH und Rock hochgeschoben und sie im Intimbereich berührt haben. Die Studentin hatte ihrer Mutter berichtet, dass es "da einen Vorfall gab, der mir Angst gemacht hat", so hat sie es vor Gericht ausgesagt.

Die Mutter erzählte davon einem ihr bekannten Musiker, dieser wiederum berichtete dem Kulturreferenten davon - und der verständigte die Polizei. Sie habe Wang nicht anzeigen wollen, betont die Studentin. Aber als sie dann verhört worden sei, da habe sie die Wahrheit gesagt.

Wang stellt die Frau, die unter Depressionen leidet, als diejenige hin, die gegen seinen Willen über ihn hergefallen sei. Er habe die Studentin aus dem Hochschulorchester als "reines Mädchen" kennengelernt, "so fröhlich wie der Wind". Im Hausgang aber, "von einer Sekunde auf die andere", habe die Studentin ihren Mund auf den seinen gezwängt. Er habe das als "unhygienisch" empfunden, deswegen habe er begonnen, sie an anderen Stellen zu küssen.

Sie habe dann im Hausgang den Reißverschluss seiner Hose geöffnet. Warum die Studentin ihn dann nicht in ihre Wohnung gelassen habe, fragt der Richter, wenn sie so erpicht auf Sex gewesen sei. Die Studentin habe ihm gesagt, es sei dort "nicht aufgeräumt", erklärt Wang. Als die Studentin, die in einem anderen Zimmer als Wang vernommen wird, mit dessen Aussagen konfrontiert wird, macht sie eine lange Pause. Dann sagt sie leise: "Mir wird schlecht."

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