Dieter Wieland:"Dass sie mich dort nicht erschlagen haben, wundert mich noch heute"

Luftbild vom Verkehrsanschluss Gewerbegebiet Gersthofen an die Bundesstraße 2.

Zu den Hauptthemen, die Dieter Wieland ein Leben lang beschäftigt haben, gehören unter anderem der zerstörerische Umgang mit der Natur, die Zersiedelung der Landschaft und der maßlose Flächenverbrauch.

(Foto: Klaus Leidorf)

Der Journalist Dieter Wieland schärft seit Jahrzehnten den Blick für die Verschandelung von Natur, Heimat und Häusern - und wich dabei keinem Konflikt aus.

Von Hans Kratzer

Nur wenige Menschen können von sich behaupten, sie hätten Fernsehgeschichte geschrieben. Dieter Wieland kann dieses Verdienst auf jeden Fall für sich beanspruchen. Mit seinen mehr als 250 TV-Dokumentationen hat er von den Siebzigerjahren an journalistische und aufklärerische Maßstäbe gesetzt.

Wieland war einer der ersten, die öffentlich die Verschandelung von Natur und Landschaft, schlechtes Bauen und die Unwirtlichkeit der Städte anprangerten. Doch er beließ es nicht bei bloßer Kritik. Er zeigte auf, wie es besser geht, wie man freundlichere Häuser baut, schönere Gärten anlegt, angenehmere Innenstädte plant. Er hat mit seinen Filmen, Reden und Ausstellungen das ästhetische Empfinden und das Umweltbewusstsein einer ganzen Generation geprägt.

Ein Erfolgsmensch wie Wieland sollte an seinem 80. Geburtstag, den er an diesem Donnerstag feiert, eigentlich hochzufrieden auf sein Lebenswerk schauen. Sein Resümee fällt jedoch eher zwiespältig aus. Vor wenigen Wochen hat er anlässlich einer Ausstellung in Landshut eine Rede gehalten, in der seine Skepsis über den Lauf der Welt überwog. "Manchmal habe ich das Gefühl, es sei alle Mühe umsonst gewesen", sagte er. "Es hat sich nichts geändert, es ist alles nur noch schlimmer geworden", fuhr er fort mit jenem elegisch-melancholischen Tonfall in der Stimme, der von Anfang an seine Filme geprägt hat und zu seinem Markenzeichen geworden ist.

In den Siebziger- und Achtzigerjahren waren Wielands Beiträge Kult. Die Bauern verließen vorzeitig den Stall, die Ausflügler eilten nach Hause, um am Abend nur ja nicht diese unerhörten Sendungen zu verpassen, die "Grün kaputt" hießen oder "Unser Dorf soll hässlich werden". Es hatte sich herumgesprochen, dass hier einer wortmächtig klagte über den Kahlschlag, der durchs Land ging, über schlechtes Bauen, über das Kaputtsanieren der Städte. Viele Zuschauer ahnten plötzlich, dass etwas nicht stimmte in ihrem Land, das seinen rasanten Fortschritt mit dem schleichenden Verlust von vertrauter Heimat bezahlte.

Mit der rhetorischen Wucht eines alttestamentarischen Propheten rüttelte Wieland damals am Selbstverständnis der Wirtschaftswunder-Deutschen, die noch keinen Umweltschutz kannten, an die Allmacht des Wachstums glaubten und weniger daran, dass die hiesigen Landschaften die "Basis unserer Kultur" seien.

Ein Journalist gegen den Betonwahn

In den Sechzigerjahren hatte er als Student erstmals Fernsehluft geschnuppert. Den Plan, in Amerika zu studieren, warf er über den Haufen: "Was sollte ich in einem Land, das keine Geschichte hat und keine Barockkirchen?" Vor allem der Münchner Kunsthistoriker Hans Sedlmayr, der so manches Gebäude vor der Zerstörung gerettet hatte, prägte ihn nachhaltig. Wieland begriff: "Ich muss mitkämpfen."

Damals gab es ja noch keinen Denkmalschutz, in den Innenstädten wurde ein hässlicher Betonklotz nach dem anderen hinplatziert. Unter dem schützenden Arm von BR-Intendanten wie Christian Wallenreiter begann er mit argumentativer Schärfe Politiker, Behörden und Investoren anzuprangern, die Städte und Landschaften verschandelten. Keinem Konflikt wich er aus.

Das Dilemma der Altstädte treibt Wieland um

1973 drehte er einen Film über Landshut, über jene Stadt also, in der er aufgewachsen war. Er war eine Anklage durch und durch. Der junge OB Josef Deimer intervenierte heftig gegen seinen Schulfreund Wieland, doch Wallenreiter hielt an Wieland fest. "Einmal war ich in einer Diskussion in einem Wirtshaus", erzählt Wieland gerne. "Dass sie mich dort nicht erschlagen haben, wundert mich noch heute." Immerhin bewirkte er, dass die Landshuter keine Verkehrsschneise quer durch ihre Altstadt schlugen.

Auch in Regensburg mischte sich Wieland ein. Diese Stadt benehme sich wie ein Immobilienmakler, schimpfte er, sie verscherbele ihre letzten Reste an intakter Schönheit. Das Dilemma der Altstädte treibt ihn bis heute um. Das Verschwinden des städtischen Lebens und der Läden, die Aggressivität der Großketten. "Es geht nur noch um Rendite. Man schmeißt den Investoren die besten Baugründe hin. Mit Städtebau hat das nichts mehr zu tun."

Uffing, Dieter Wieland

Kein Journalist in Deutschland hat mehr Auszeichnungen erhalten als Dieter Wieland, der jetzt 80 wird.

(Foto: Georgine Treybal)

Aktuell sorgt er sich um die Alte Akademie in der Münchner Fußgängerzone. "Warum hat der Freistaat Bayern dieses Gebäude veräußert, ohne jede Auflagen an den Investor zu den Nutzungen?", fragt sich Wieland, denn städtebaulich sei die Alte Akademie ein Höhepunkt in München. Sie präge das Erscheinungsbild der Innenstadt entscheidend. Das sagt, von den Entscheidungsträgern fast ungehört, der Mann, dessen Filme den Boden dafür bereiteten, dass Bayern 1973 als erstes Bundesland ein Denkmalschutzgesetz bekam.

Als seinen größten Erfolg betrachtet Wieland die weitgehende Eindämmung der Flurbereinigung. In seiner Sendung "Grün kaputt" (1983) führte er auch den Kahlschlag in den Gärten vor Augen, wo Hofbäume zuhauf durch Krüppelkoniferen ersetzt wurden. Der Film erregte Aufsehen und erfuhr eine Fortsetzung erfuhr in einer Ausstellung des Bundes Naturschutz, die allein ins Münchner Stadtmuseum 40 000 Besucher lockte.

In den Neunzigerjahren widmete sich Wieland dann den Kirchen, Parks und Gärten in den neuen Bundesländern, später auch dem Erhalt des Seidl-Parks in Murnau. Zweifellos hat Dieter Wieland viel bewegt. "Nach ,Grün kaputt' waren wir der Meinung, wir hätten am Rad gedreht", sagt er. Er hat aber auch erlebt, dass in der Umweltpolitik vieles schnell versandet. "Meine Themen haben sich verbraucht", klagt er manchmal. Selbst das Waldsterben werde kaum noch registriert, obwohl die Schäden heute höher sind als damals, als alle darüber sprachen.

Es klingt wie Resignation, und das bei ihm, der mehr Auszeichnungen erhalten hat als jeder andere Journalist. Doch wenn Wieland von seinem Haus am Staffelsee auf die Berge schaut, zieht er eine versöhnliche Bilanz: "Wenigstens habe ich keine Feinde, trotz meiner vielen Kontroversen. Das ist doch auch eine Leistung."

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