Architekturpreis:Bayern baut Besonderes

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In München wird der Mut von Architekten und Bauherrn ausgezeichnet - und dieser zeigt sich auch bei den stillen Örtchen

Von Alfred Dürr, München

Misslungene Planungen, trostlose Baukunst, verfallene Denkmäler - diesem Schreckensszenario, das leider viel zu oft in den Städten und Dörfern Realität wird, will der Landesverband des Bunds Deutscher Architekten (BDA) mit seinem BDA Preis Bayern positive Botschaften entgegensetzen.

Denn es gibt ihn noch, den Mut von Architekten und Bauherrn, herausragende Gebäude zu errichten, sagt Architekt Amandus Sattler, der Kurator des Preises. Die ausgezeichneten Projekte scheuten weder Risiko, noch Mehraufwand oder Gegnerschaft. Das sind also Beispiele für architektonische Qualität in der Region, die für den Vorsitzenden des BDA Bayern, Karlheinz Beer, beeindruckend sind. Der Preis ist damit auch ein Bericht "zum Zustand unserer anspruchsvollen Baukultur", sagt Beer.

Nun wurde der "kleine bayerische Architektur-Oscar", wie ein Teilnehmer sagte, im Münchner Künstlerhaus am Lenbachplatz vergeben. Das war alles andere als eine konservativ-gediegene Veranstaltung. Für eine gewisse Lockerheit sorgten unter anderem die Hamburger Rockband "Die Handlung" und der Journalist Till Briegleb, der als Mitglied der Jury durch Bayern gereist ist, um alle nominierten Projekte kritisch unter die Lupe zu nehmen.

Aus München wurde nur ein Projekt eingereicht

Eher unfeierliche Texte zur Baukultur hat er dann verfasst. Gerade im Münchner Raum wurde viel gebaut, aber nur ein Projekt wurde eingereicht. Das habe in der Jury die Frage provoziert, berichtet Briegleb, ob sich die Beteiligten vielleicht für die Resultate geschämt hätten?

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In der Kategorie Städtebau hat die Gemeinde Wettstetten im Landkreis Eichstätt mit ihrer neuen Ortsmitte gewonnen. Die Neubauten - Rathaus, Gemeindesaal und ein Haus für die Tagespflege - wurden vom Architektenbüro Bembé Dellinger aus dem oberbayerischen Greifenberg entworfen. Mit der Form einer sensiblen Moderne und der klugen Organisation der Servicekomplexe gelinge eine überzeugende Dorfkern-Bebauung im Kontext des Bestands, urteilten die Juroren.

Als vorbildlich im Bereich Wohnungsbau wurde in Ansbach das Projekt des Teams "Deppisch Architekten" aus Freising ausgezeichnet. In einer stillen Nachkriegs-Siedlung mit schmucklosen Mehrfamilien-Häusern wurden zwei komplett mit Holz verkleidete Wohnriegel errichtet. Das Haus sieht nicht nur gut aus, es erfüllt auch höchste Energiespar-Anforderungen.

Funktionale Gebäude: Es geht auch kreativ

Schulen und Gewerbebauten - nicht selten bestimmen hier rein praktisch-funktionale Kriterien Planung und Erscheinungsbild. Es geht auch kreativer: Das Gymnasium Ergolding (Behnisch Architekten, Stuttgart, mit dem Büro Leinhäupl und Neuber, Landshut) erweckt für die Jury Assoziationen an ein Schloss der Gegenwart: "Staunenswerte Treppenanlagen, Räume und Farbspiele, wo architektonische Verschwendung und barocke Vielfalt möglich sind." Nichts sei hier stur, streng oder allwissend, sondern eine gebaute Aufforderung, sich eigene Wege zu suchen.

Ähnlich aufsehenerregend ist das neue Verwaltungsgebäude einer Firma in Schweinfurt, die Metallschrott verarbeitet. Die Fassade ist mit Cortenstahl-Platten verkleidet. Das massive Gebäude mit seinem hermetischen Auftritt präsentiere sich in allen Arbeitsbereichen überraschend hell. Da leistet man sich sogar ein bisschen Ironie: Falls die Fassade zu sehr rostet und sie niemand mehr gefällt, kann man sie nämlich gleich auf dem Hof verschrotten.

Vom rauen Charme der Industriewelt zum möglichst sensiblen Umgang mit dem Bauen im Bestand oder mit neuen Kulturhäusern: Manchmal müsse man sentimentale Opfer bringen, so sieht es die Jury, um mit Architektur neues Glück zu zeugen. Ein altes Wirtshaus unterhalb der Parsberger Burgruine, das nicht mehr besonders in Schuss gewesen sei, wurde beseitigt.

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Der Verlust des Erinnerungsorts habe mit einem überzeugenden Angebot emotional verständlich gemacht werden müssen. Dieses Angebot der Architekten AG Gebauer Wegerer Wittmann aus Parsberg sei ein großer Platz, der durch die organische Anpassung des neuen Gemeindesaals an den Berg und einen seitlichen Küchenflügel ermöglicht worden sei.

Eher auf der Documenta zu erwarten

Eine spezielle Ehre im Zusammenhang mit dem aktuellen BDA-Preis wurde dem Konzerthaus, das im Zentrum des Bayerwalddorfes Blaibach im Boden steckt, zuteil. Das hoch gelobte und oft beschriebene Projekt (Peter Haimerl Architektur, München) siegte nicht nur in der Kategorie Kulturbauten, sondern bekam auch noch den Preis der Jury. Ein kleiner Saal für Konzerte und Veranstaltungen in spektakulärer Hülle hat einen Ort ganz groß gemacht.

Die stillen Örtchen des Golfclubs Lauterhofen in der Oberpfalz haben indes den Preis in der Abteilung Besondere Bauten gewonnen. Die drei Toilettenhäuschen (Berschneider und Berschneider Architekten und Innenarchitekten, Pilsach) sind so kunstvoll, dass man sie eher auf der Documenta erwarten würde als auf einem Grün für den feinen Reichensport, lautet die Begründung für den Preis.

Erstmals wurde auf Initiative der Architektin Lydia Haack mit dem BDA-Preis auch ein Nachwuchspreis ausgelobt. Diesen bekam die Studentengruppe der Technischen Universität München mit Julia Gräff, Michael Mayer, Phillip Weibhauser , Karina Gnüchtel, Doria Bornheimer, Magdalena Pfeffer und Stephanie Tröndlin-Ehrler. Sie planten und errichteten ein Operationsgebäude für einen Ort in Kamerun.

Diese intelligente, lokal verwurzelte und pragmatisch realisierbare Architektur sei gelungen. Generell beklagt Till Briegleb aber, dass die Studenten eher in "visionärer Keuschheit" ausgebildet würden. Wie solle da jemals eine fantasievolle Generation von Denkern und Entwerfern entstehen? "Bitte, mehr Mut!" lautet deshalb der Appell an Professoren wie Studenten.

© SZ vom 29.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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