Die Stoiber-Opfer:Man sieht sich immer zweimal

Edmund Stoiber hat nicht nur die Opposition in Bayern erfolgreich in Schach gehalten, er blickt auch auf eine stattliche Zahl von parteiinternen Opfern zurück. Viele von ihnen warten bis heute auf ein Wort des Bedauerns.

Peter Fahrenholz

Wenn Edmund Stoiber auf dem CSU-Parteitag Ende des Monats von einem neuen Parteivorsitzenden abgelöst wird und wenige Tage später auch als Ministerpräsident geht, werden manche CSU-Politiker möglicherweise mit einer gewissen Genugtuung an das alte Sprichwort denken, wonach man sich im Leben immer zweimal sieht.

Denn Edmund Stoiber hat nicht nur die Opposition in Bayern erfolgreich in Schach gehalten, er blickt auch auf eine stattliche Zahl von parteiinternen Opfern zurück. Stoiber zeichnete sich dabei durch zweierlei aus: Er konnte auch langjährige Vertraute blitzschnell und ohne erkennbare Emotionen fallen lassen, wenn er seine eigene Position in Gefahr sah.

In die Wüste geschickt

Und es ist ihm, wenn sich später herausstellte, dass das politische Opfer gar nicht notwendig gewesen wäre, nie ein Wort des Bedauerns über die Lippen gekommen. "Er hat in seinem Leben nie etwas zugegeben", sagt beispielsweise Alfred Sauter, dem Stoiber besonders übel mitgespielt hat.

Stoibers erstes Opfer war die resolute Justizministerin Mathilde Berghofer-Weichner, eine der wenigen, die sich traute, auch einem Franz Josef Strauß im Kabinett offen zu widersprechen. Als Stoiber 1993 ins Amt kam, schickte er Berghofer-Weichner in die Wüste, obwohl sie gerne noch das eine Jahr bis zum regulären Ende der Legislaturperiode geblieben und dann freiwillig gegangen wäre.

"Ein Riesenschock"

Nach offizieller Lesart war sie mit ihren damals 62 Jahren zu alt, was angesichts der Wunschperspektive Stoibers, möglichst bis weit über 70 im Amt zu bleiben, merkwürdig anmutet. Der wahre Grund dürfte gewesen sein, dass die scharfzüngige Berghofer-Weichner eher als Anhängerin von Stoibers Rivalen Theo Waigel galt. "Das war für die Mathilde ein Riesenschock", sagt ein CSU-Präside.

Weit spektakulärer war 1994 der erzwungene Rücktritt von Peter Gauweiler. Der machte zu diesem Zeitpunkt heftige Schlagzeilen, weil er den Mandantenstamm seiner ehemaligen Anwaltskanzlei verpachtet hatte. Gauweiler lag gerade wegen eines Schwächeanfalls im Krankenhaus, als sich die dunklen Wolken über ihm zusammenzogen. "Ich habe gespürt, der will mich raushauen", sagt er rückblickend.

Zunächst versuchte Stoiber, ihm einen Rücktritt aus Gesundheitsgründen schmackhaft zu machen. "Ihr habt' s wohl einen Vogel", erinnert sich Gauweiler an seine damalige Reaktion. Jahre vor Angela Merkel wurde er wenige Tage später bei einem Frühstück in Wolfratshausen weichgekocht - von Stoiber und CSU-Chef Waigel gemeinsam. Er musste gehen und machte daraus am Abend des Aschermittwoch 1994 mit einer eigenen Großveranstaltung eine spektakuläre Show.

Als ihm mehr als zwei Jahre später attestiert wurde, die Verpachtung sei rechtens gewesen, schickte er das Urteil an die Staatskanzlei und hoffte auf ein öffentliches Wort des Bedauerns. Stattdessen habe man ihm eine "gewundene Erklärung" vorgeschlagen.

Noch härter wurde 1999 Alfred Sauter abserviert: Er bekam seine Entlassung am Handy mitgeteilt. Sauter musste den Sündenbock für die Schieflage bei der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft LWS abgeben, damit Stoiber in dieser Affäre nicht in die Schusslinie geriet.

Der Justizminister wollte aber nicht das Bauernopfer sein und wehrte sich. Ungerührt nahm Sauter noch an der nächsten Kabinettsitzung teil, mischte sich in der anschließenden Pressekonferenz unter die Journalisten und kommentierte Stoibers Ausführungen lautstark als "Schafscheiß". Sauter, bis dahin glühender Stoiber-Fan, gilt seither als einer der Intimfeinde des Regierungschefs.

Bei Barbara Stamm drückte sich Stoiber darum, die Hiobsbotschaft persönlich mitzuteilen - er schickte Staatskanzlei-Chef Erwin Huber. Stamm musste 2001 in den Turbulenzen um die Rinderseuche BSE gehen, nachdem ein Brief der Tierärztekammer bekanntgeworden war, in dem es um mangelhafte Kontrollen nicht bei Rindern, sondern bei Schweinen ging.

Später stellte sich heraus, dass an den Vorwürfen gegen Stamm nichts dran war. "Da hätte ich mir erwartet, dass zumindest ein oder zwei Sätze gesagt werden", sagt Stamm, Stoiber hätte sie "sichtbar wieder mit einer Aufgabe betrauen müssen". Beides fand nicht statt.

Der ehemalige Europaminister Reinhold Bocklet schließlich musste nach der Wahl 2003 weichen, weil er dem Regionalproporz im Wege stand. Der ist zwar in der CSU heilig, doch Bocklet konnte sich mit Recht getäuscht fühlen. Der anerkannte Europaexperte hätte nämlich zunächst Vizepräsident und dann Präsident des Ausschusses der Regionen werden können.

Dazu hätte er aber im Kabinett bleiben müssen. Deshalb fühlte Bocklet bei Stoiber rechtzeitig vor und wurde von diesem ausdrücklich ermuntert. "Mach das, du bist der Einzige, den ich habe", habe Stoiber ihm gesagt. Kurze Zeit später ließ er Bocklet dann einfach fallen. So sei es halt nun mal, teilte ihm Stoiber lapidar mit.

Ein Jahr später versuchte Stoiber, sich in der Affäre Hohlmeier bewusst völlig anders zu verhalten - und lag wieder falsch. Weil er den Ruf, er lasse Vertraute bei erster Gelegenheit fallen, wenn es für ihn brenzlig werde, aufpolieren wollte, hielt Stoiber noch monatelang an seiner angeschlagenen Kultusministerin fest.

Dabei war Hohlmeiers Verwicklung in ein ganzes Bündel miteinander verflochtener Affären so evident, dass Stoiber hier hätte sofort handeln müssen.

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