Wiesn-Momente:Ein unerwartetes Busserl und ein klebriger Kuss

Manche Redakteure von sueddeutsche.de hassen das Oktoberfest, andere sind fast täglich auf der Theresienwiese gewesen. Die Wiesnliebhaber haben ihre schönsten Erlebnisse aufgeschrieben.

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Oktoberfest 2010

Quelle: dapd

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Manche Redakteure von sueddeutsche.de hassen das Oktoberfest, andere jedoch sind fast jeden Tag auf der Theresienwiese gewesen. Die Wiesnliebhaber haben ihre schönsten Erlebnisse aufgeschrieben.

Ein Busserl von der Bedienung

Winzerer Fähndl, Donnerstagnachmittag. Das Mittelschiff ist nur spärlich gefüllt, an einem Tisch sitzt eine sehr angetrunkene Gruppe Amerikaner. Als einer von ihnen aufstehen will, reißt er drei Maßkrüge am Tisch um. Sein Sitznachbar zieht seinen Pulli aus und wischt den Tisch damit trocken. Die Bedienung, die ihn dabei beobachtet hat, geht hin, baut sich vor ihm auf - und gibt ihm dann ein Busserl.

Moritz Baumstieger

177. Oktoberfest - Zuckerwatte

Quelle: dpa

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Ein klebriger Kuss

Mit einem Siebenjährigen an der Hand über die Wiesn schlendern, bei jedem Standl stehenbleiben statt durchhetzen. Beim Toboggan rutschen statt vom Power Tower zu fallen. Beim Kinderkarussell die Stelle herausfinden, wo der Hubschrauber hält, statt nach einem Zugang im überfüllten Bierzelt zu suchen. Dosen werfen statt Rosen schießen und am Ende des ganzen Wahnsinns dafür einen klebrigen Kuss bekommen, der zwar nicht nach Bier, dafür aber nach Zuckerwatte schmeckt.

Violetta Simon

BIERZELT OKTOBERFEST

Quelle: SZ

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Mehr Alkohol, mehr Brutalität

"Some people can't handle Oktoberfest": Ich bin in diesem Jahr mit meinem besten Freund aus den Vereinigten Staaten aufs Oktoberfest und habe beschlossen, ihm die komplette Wiesn-Erfahrung zu gönnen: eine halbe Ente in der Entenbraterei Heimer, eine Fahrt im Fünferlooping, fünf Maß Bier im Hippodrom - natürlich alles in bajuwarischer Tracht. Nur entdeckte mein Freund nach drei Maß, dass ihm das Geschirr zu eng sei - weg damit. Nach vier Maß passten die Haferlschuhe nicht mehr, er schenkte sie zwei italienischen Schönheiten. Noch eine Maß später beschloss er, auch sein Trachtenhemd ins Volk zu werfen. Auf dem Heimweg dann stürzte er sich Kopfüber in eine Hecke, so dass wie in einem Comic nur noch Lederhose und Füße zu sehen waren. Als er am nächsten Tag die Bilder sieht, sagt er nur: 'Oktoberfest 1 - Joey 0!'

Jürgen Schmieder

Eroeffnung der Historischen Wiesn

Quelle: dapd

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Wiesn mit Tradition

Es ist Sonntag, es ist Vormittag, an gewöhnlichen Tagen läge ich jetzt noch im Bett. Aber was ist schon gewöhnlich, wenn Wiesn ist ... Da stehe ich also. Berufsbedingt. Die Lederhosen reichen nicht einmal bis ans Knie, die Strümpfe bedecken gerade einmal die halbe Wade - kurz: Es ist saukalt. Sieben Stunden, etliche Gespräche, ein Brotzeitbrettl und eine Maß Bier später ist das Tagwerk vollbracht. Und nun? Raus aus dem Gedränge, rein in den abgesperrten Bereich der Historischen Wiesn. Ich bestaune Brillenschafe, Ponys, Hasen, Meerschweinchen, schaue Kindern beim Schiffschaukeln zu und genieße die Freiräume, die ich im Festzelt zuvor so vermisst habe. Jetzt einen Schluck Jubiläumsbier, der Himmel strahlt weiß-blau. Endlich Feierabend. Und das Schönste: Ich friere nicht mehr.

Tobias Dorfer

"Hamperer" Andreas Bussmann auf dem Münchner Oktoberfest, 2010

Quelle: Stephan Rumpf

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Die Frau mit dem wirren Haar

Eva und ich waren früher richtig gut befreundet, einmal haben wir sogar zwei Monate lang ein Zimmer geteilt. Als ich nach München zog, haben wir uns aus den Augen verloren. Ich wusste nur, dass sie sich statt an der Uni viel lieber auf diversen Kleinkunstbühnen herumtrieb. Als ich Eva heuer nach fünf Jahren auf der Wiesn wiedertraf, hatte sie wirres Haar, viel zu rot geschminkte Lippen und schwarz umrandete Augen, sie trug einen seit Jahren aus der Mode gekommenen Hut. Ich wagte nicht, sie anzusprechen: Sie bediente gerade die Guillotine beim Schichtl.

Lilith Volkert

Oktoberfest 2010 - Lichtinstallation

Quelle: dpa

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"57, 58, 59, ..."

Als Sechziger-Fan ist man seit einigen Jahren nicht all zu sehr vom Glück verfolgt. Doch, welch Wunder! Während der Oktoberfestzeit heimst der TSV 1860 München einen Sieg nach dem anderen ein; drei Siege und ein Unentschieden. Und was einen Löwen natürlich besonders freut: Der FC Bayern schliddert stattdessen durch eine Pechsträhne; drei Niederlagen, ein Unentschieden. Am mittleren Wiesnsonntag, 15:30 Uhr, die Sechziger haben eben Augsburg 2:1 geschlagen. Der Kapellmeister in der Bräurosl stimmt das nächste Lied an. Den Sechzgermarsch! "57, 58, 59, 60 ja so klingt's im Chor!" Wir steigen auf die Bierbank, prosten einander zu. "Mein Verein für alle Zeit wird 1860 sein!" Der Blick schweift durchs Zelt: Allzuviele Menschen sind nicht aufgestanden. Aber egal! Endlich haben wir es ihnen einmal gezeigt!

Lisa Sonnabend

-

Quelle: AFP

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Vom Mars heruntergehüpft

Wer den Samstags-Wahnsinn erlebt hat, kann nur zu dem Schluss kommen: Am schönsten ist die Wiesn am Dienstagmittag, bei schönem Wetter in der Ochsenbraterei. Nicht nur, dass die dreijährige Tochter den Ochsen am Spieß bestaunt, als wäre der vom Mars heruntergehüpft. Dieser Ochse schmeckt dann auch noch so gut, dass selbst die Zuckerwatte keine Chance mehr hat. Und wenn der Papa noch ein Bier dazu kriegt, ist das größte Volksfest der Welt für wenige Minuten auch ein Familienfest.

Thomas Hummel

200 Jahre Oktoberfest

Quelle: dpa

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Wiesn-Momente:Eine Frage der Perspektive

Mein schönstes Wiesnerlebnis hat etwas mit der Perspektive zu tun, aus der man das Oktoberfest betrachtet. Jeder sollte einmal im Leben in einem der großen Zelte auf dem Balkon stehen und den Massen beim Feiern zuschauen. Am eindrucksvollsten ist es am frühen Nachmittag, wenn sich der Alkoholpegel noch im angemessenen Bereich bewegt und die motorischen Fähigkeiten für die Choreographie des Fliegerlieds noch vorhanden sind. Wenn Tausende Menschen die Arme in die Luft strecken, um zu zeigen, dass sie so groß sind wie eine Giraffe oder "zu dir nüber" schwimmen, wenn sie ein imaginäres Lasso schwingen oder auf vorgestellten Pferden "um die Wette reiten", dann geht einem da oben auf dem Balkon das Herz auf und es hilft nur noch eins: nach unten laufen und mitmachen.

Felicitas Kock

177. Oktoberfest

Quelle: dpa

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Der Hammer

Zugucken beim "Hau den Lukas". Im Moment arbeitet sich an der Mädchenbeeindruck-Maschine ausgerechnet ein fesches Madl mit schwarzen Zöpfen im Dirndl ab, die Kerle gucken zu. Die Frau schwingt den sechs Kilo schweren Hammer ohne große Mühen und hat sichtlich Spaß dabei. Sogar der Animateur, der sonst nicht um einen dummen Spruch verlegen ist, scheint beeindruckt. Was für eine Vorlage. Die Kerle zögern noch, lassen zunächst noch einen kleinen Bub den Hammer schwingen, der kaum größer ist als das Werkzeug lang. Der Kleine hat sichtlich Mühe, den Hammer auf den Holzbock zu hieven. Dafür hat er die Zuschauer auf seiner Seite. Dann fasst sich einer der Kerle doch Mut und schwingt den Hammer drei Mal, der Zapfen saust zwei Mal bis ganz nach oben, so dass die Glocke läutet. Nicht schlecht. Respekt. Doch in Sachen Applaus bei den Zuschauern liegt eindeutig der Bub vorne.

Kathrin Haimerl

'Lebende Geister' auf dem Münchner Oktoberfest, 2010

Quelle: Stephan Rumpf

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Nur ein kurzer Seitenblick

Es gibt zwei Wiesn: Die Wiesn, die man mit Erwachsenen besucht. Und die Wiesn, die man mit Kindern besucht. Da bleiben andere Dinge in Erinnerung, etwa wie sich die kleine Tochter an der Geisterbahn vorbeiführen lässt, nur ein paar Finger für kurze Seitenblicke auf die schwankenden Monster und Gerippe hebt. Und die Hand dann ganz schnell wieder über die Augen presst.

Katja Schnitzler

Touristen Oktoberfest

Quelle: Lisa Sonnabend

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"It's like heaven"

Dienstag, 13 Uhr im Hofbräuzelt. Während in den anderen Bierhochburgen noch gemütlich Brotzeit gemacht wird, steppt hier bereits der Bär. Australier, Japaner und Brasilianer geben bereits Vollgas. "It's like heaven", ruft der Australier Daniel. "Es gibt viel Bier, viele hübsche Frauen und jede Menge Rippchen. Ich liebe Rippchen. Jeder sollte einmal hierherkommen." Seine Landsfrau Tamara sagt: "Es ist total verrückt hier. Ich war noch nie an einem Ort wie diesen." Die Feiernden umarmen sich, tanzen, nehmen noch einen Schluck - und haben einen Glanz in den Augen, der nicht vom Bier kommt. Oder zumindest nicht nur. Das muss sie sein, die Faszination Wiesn. Jetzt aber schnell raus aus dem Zelt, bevor die Feiernden noch ein paar Maß mehr intus haben.

Lisa Sonnabend

WIES"N STANDKONZERT

Quelle: DPA

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Mir Robbie auf der Bierbank

Der Abend ist schon fortgeschritten, die Luft ist stickig in der Ochsenbraterei. Wer ohne Sitzplatz ein Bier möchte, muss der Bedienung folgen ("Komm' mal mit in meine Boxe!"). Da stehen wir nun, die Maß in der Hand, und verarbeiten die Eindrücke. Das Festzelt ist bayerisch-zünftig geschmückt, es sind typische bayerische Trachten samt Beschreibung an die Wände gemalt. Es ist so ganz anders, als bei der schwäbischen Konkurrenzveranstaltung meiner Heimatstadt Stuttgart, dem Cannstatter Wasen. Da würde jetzt irgendeine Kapelle "Angels" von Robbie Williams spielen. Aber in der Weltstadt München, auf der Wiesn, im Zelt der Ochsenbraterei, hier wird noch Musik mit bayerischem Zungenschlag gespielt. Gottseidank! Doch plötzlich - altbekannte Akkorde: "I sit and wait", tönt es aus den Lautsprechern. Tausende Menschen grölen Robbies Ohrwurm - und 30 Minuten später wiederholt sich das Spektakel noch einmal. Wie zuhause.

Tobias Dorfer

© sueddeutsche.de
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