Die Macht der Fürsten:Ewiges Hin und Her

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Im Jubiläumsjahr der Reformation wird die Gegenreformation kaum beachtet. Diese Lücke schließt nun eine Ausstellung in Neuburg

Von Hans Kratzer, Neuburg

Das Erstaunliche am 500. Jubiläumsjahr der Reformation ist weniger die Fülle der Ausstellungen zu diesem Mega-Thema. Vielmehr fällt auf, dass die auf die Reformation folgende Gegenreformation weitgehend ausgeblendet wird. Reformation ohne Gegenreformation - das ist freilich wie ein Fußballspiel ohne zweite Halbzeit. Nun wird diese Lücke aber durch die Stadt Neuburg geschlossen. Sie ist insofern ein idealer Schauplatz, als ebendort das Ringen um Katholizismus und Protestantismus im 16. und 17. Jahrhundert phasenweise extreme Ausmaße angenommen hat. Wie heftig im einstigen Fürstentum Pfalz-Neuburg um den "wahren Glauben" gerungen wurde, das belegt demnächst die große Ausstellung "FürstenMacht & wahrer Glaube - Reformation und Gegenreformation", die Ministerpräsident Horst Seehofer am kommenden Samstag eröffnen wird, recht eindrücklich.

Die westlich von Ingolstadt gelegene Stadt Neuburg war in der Zeit der Reformation eine bedeutende Metropole. Das historische Stadtbild lässt die goldene Zeit Neuburgs nach wie vor erahnen, vor allem das Renaissance-Schloss imponiert sehr. Im Glanz der Neuburger Fürsten sonnten sich nicht selten die großen Häupter Europas. Schuld daran ist die herausragende Figur der Neuburger Geschichte, der Renaissancefürst Ottheinrich (1502-59). Roland Thiele, der Vorsitzende des Historischen Vereins von Neuburg, nennt ihn "einen Superstar, aber auch einen Schuldenkönig". Denn krachen ließ er es über alle Maßen.

Ottheinrich war ein Enkel Georgs des Reichen, des Bräutigams der Landshuter Hochzeit von 1475, an die gerade wieder in einem Festspiel erinnert wird. Die Erbansprüche des Enkels wurden nach Georgs Tod mit einem neuen Fürstentum abgegolten, das man Pfalz-Neuburg nannte. Ottheinrich residierte dort als eine in jeder Hinsicht gewaltige Erscheinung. Er beschäftigte die besten Köpfe, mit deren Hilfe er in der Kunst, in der Wissenschaft und in der Musik Maßstäbe setzte. Neuburg stieg unter ihm zu einer der glanzvollsten Residenzen Europas auf.

Ottheinrich führte in seinem Fürstentum aber auch die Reformation ein. Das war im Jahr 1542. Einer seiner Nachfolger, Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm, kehrte dann 1617 zur katholischen Kirche zurück. Kaum ein Ort dürfte deshalb besser geeignet sein, um die Konfessionskämpfe von der Reformation bis zur Gegenreformation am authentischen Schauplatz zu erzählen. Gerade Neuburg erlebte ein ständiges Hin und Her, die Konfessionen im Fürstentum wurden ständig gewechselt. Die Fürsten konnten dies jederzeit veranlassen, galt doch das vom Schulunterricht her gut bekannte Prinzip: cuius regio, eius religio - wes der Fürst, des der Glaub'.

Das Volk musste gehorchen, ob es wollte oder nicht. Als in Neuburg mit Hilfe der Jesuiten die Gegenreformation eingeführt wurde, wurden alle Bürger einem Glaubensverhör unterzogen, das in seiner beklemmenden Wirkung in der Ausstellung multimedial nachzuvollziehen ist. Die Religionswechsel hatten für die Bevölkerung bedrückende Auswirkungen. Menschen wurden mit einer möglichen Ausweisung unter Druck gesetzt, es gab Brudermorde und Hassprediger auf beiden Seiten. Die Parallelen zu den religiösen Wirrnissen von heute sind unübersehbar. Umso erstaunlicher, dass ausgerechnet Ottheinrichs Ehefrau Susanna katholisch blieb. Ob zwischen ihr und Ottheinrich ein Dialog stattfand? Darüber ist nichts überliefert.

Beeindruckend ist jedenfalls der Ort der Ausstellung. Vom Ringen um Macht und Glauben zeugen nicht nur bedeutende Kunstgegenstände, sondern auch diverse Bauwerke. Die Ausstellung beginnt deshalb in der Neuburger Schlosskapelle. Dieser früheste protestantische Kirchenraum in Deutschland gilt mit seinen einmaligen Fresken als die "bayerische Sixtina". Am Ende des Ausstellungswegs steht die Neuburger Hofkirche. Als evangelischer Gegenentwurf zur Münchner Michaelskirche begonnen, wurde sie nach dem Konfessionswechsel des Fürsten Wolfgang Wilhelm im Sinn der Gegenreformation katholisch vollendet. Auch das von Rubens gemalte "Jüngste Gericht" sollten die Kirchenbesucher vom "wahren Glauben" überzeugen. Die meisten Untertanen konnten ja nicht lesen, "deshalb wurden die Botschaften über Bilder transportiert", sagt Michael Henker, der wissenschaftliche Berater der Schau. Das mächtige Rubensgemälde ist in Neuburg nur als Replik zu sehen. Das Original hängt in der Alten Pinakothek in München, aus der es wegen seiner schieren Größe nicht mehr entfernt werden kann.

Insgesamt sind 150 hochkarätige Exponate zu sehen. Oberbürgermeister Bernhard Gmehling jedenfalls setzt große Hoffnungen in diese Ausstellung. "Auch, weil sie europäische Dimensionen besitzt."

FürstenMacht & wahrer Glaube. Reformation und Gegenreformation. Schloss, Fürstengang und Hofkirche Neuburg an der Donau. 15. Juli bis 5. November, Tel. 08431/536890. Zur Ausstellung gibt es für 25 Euro einen 450 Seiten starken Katalog.

© SZ vom 11.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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