Die Grüne "Miss Bundestag":Agnes und ihre Beine

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Eines hat die grüne Kulturpolitikerin Agnes Krumwiede aus Ingolstadt schon erreicht: Man kennt sie. Allerdings nicht wegen ihrer Inhalte.

Stefan Mayr

Bekannt wurde die Konzertpianistin Agnes Krumwiede nicht wegen ihres Klavierspiels. Auch nicht wegen ihres Engagements als Kulturpolitikerin der Grünen-Bundestagsfraktion. Wirklich bekannt wurde sie wegen ihrer Beine - und weil es einen Videoclip davon gibt, wie Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin ihr nach ihrer Jungfernrede im Bundestag lang und wohlgefällig nachschaute.

Sie will Hip-Hop-Projekte an Schulen und Subkultur fördern: die kulturpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Agnes Krumwiede. (Foto: Foto: dpa)

Seitdem gilt Agnes Krumwiede als "Miss Bundestag" und braucht mehr Energie, um gegen das Image der netten Hübschen zu kämpfen, als um ihre kulturpolitischen Thesen an den Mann zu bringen. Daran ist die 32-Jährige die erstmals in den Bundestag gewählt wurde, nicht ganz unschuldig. Denn als das Medienkarussell Schwung aufnahm, sprang die Ingolstädterin auf.

"Ich möchte nicht in einer Welt leben, wo Männer Frauen nicht hinterherschauen", sagte sie der Bunten, "das gehört zu unserer Evolution." Doch die Medien rückten ihr immer näher. Eine Boulevardzeitung veröffentlichte ein Dekolleté-Foto und schrieb von "tiefen Einblicken" bei "sexy Frau Krumwiede".

Nun muss sie aufpassen, dass sie das Karussell ohne bleibende Schäden verlassen kann. In ihrem Wahlprogramm spricht sie zwar von "selbstbewusstem Umgang mit dem eigenen Körper und Aussehen", und sie geht nach wie vor mit High Heels, Glitzer-Lidschatten und Minirock durch den Bundestag.

Mit wirbelnder Handkante

Doch inzwischen sagt sie trotzig: "Ich will über Inhalte reden und nicht über Dekolletés und Stöckelschuhe." Sie räumt Fehler ein: "Ich darf nicht so viel von mir preisgeben, das muss ich noch lernen."

"Mit ihrer bunten Erscheinung hat sie die graue und männerdominierte Ansammlung aufgemischt", jubelt Grünen-Chefin Claudia Roth. Obwohl Krumwiede nie zuvor in einem Stadtrat oder einem ähnlichen Gremium war, machten die Grünen sie auf Anhieb zur kulturpolitischen Sprecherin im Bundestag, zur Obfrau des Kultur-Ausschusses und zur parlamentarischen Schriftführerin. "Die Familie der Künstler fühlt sich von ihr repräsentiert", sagt Roth nach einem Künstler-Empfang in München.

Jürgen Trittin bestätigt, dass er von Krumwiedes erstem Auftritt im Bundestag - in politischer Hinsicht - begeistert war: "Damit hat sie sich über die Kulturpolitiker hinaus parteiübergreifend Respekt erworben - obwohl sie ihnen unangenehme Wahrheiten nicht ersparte." Zur Berichterstattung von Bild und Bunte sagt er nur: "Sie hätten sich besser mit ihren Aussagen auseinandersetzen sollen." Nicht nur mit ihren Beinen.

Ihre Politik vertritt die Abgeordnete kämpferisch. Als wenn sie Karate übte, wirbelt ihre Handkante durch die Luft. Sie fordert mehr "kulturelle Bildung", zitiert Albert Einstein: "Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt". Sie will Hip-Hop-Projekte an Schulen etablieren, sie will "Subkultur in gleichem Maße fördern wie den hochsubventionierten Opernbetrieb".

Sie kritisiert die "Bildungsbulimie": "Da wird Wissen reingestopft und wieder ausgespuckt, aber nachhaltig ist das nicht." Sie prangert die "Ausbeutung in der Kulturbranche" an und fordert Mindestlöhne für Musiker und Tänzer. Sie wünscht sich - analog zum Bankenrettungsfonds - einen Nothilfefonds für die Kultur.

Es gibt kaum etwas, wozu sie nicht etwas zu sagen hätte. Nur bei einem Thema wirkt sie plötzlich verunsichert. Auf die Frage, wo ihre Schwächen liegen, überlegt sie sehr lange und sagt: "Ich bin vielleicht noch etwas zu gerade heraus, das diplomatische Sprechen muss ich noch lernen."

Nur Geklimper?

Sie bezeichnet sich als "bunten Vogel, der zwischen den Welten flattert", sie sei "schon immer eine Rebellin" gewesen. In der sechsten Schulklasse wollte sie ihren Biologie-Lehrer von der Energiequelle Pflanzenöl überzeugen. "Er hatte keine Ahnung, wovon ich spreche", so Krumwiede. Der Pädagoge habe alles als Dummes-Mädel-Geschwätz abgetan. "Ich habe mich nicht verunsichern lassen", sagt sie.

Zu Beginn des Wahlkampfs musste sich die Pianistin aus Ingolstadt noch anhören: "Die kann doch nur klimpern." Zu solchen Sprüchen sagt sie: "Die Leute sollen mich ruhig unterschätzen. Dann erwische ich sie umso kälter, wenn es darauf ankommt."

Noch muss sie zeigen, ob sie den Vertrauensvorschuss ihrer Fraktion auch politisch rechtfertigen kann. Eines hat sie schon erreicht: Man kennt sie. Auch wenn es nicht wegen ihrer Inhalte, sondern wegen ihrer Beine ist.

© SZ vom 14.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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