Die CSU und das Wahldebakel:Wo ist Seehofer?

Absurde Situation: Seehofers CSU liegt darnieder wie nie, gerade deswegen könnte er doch noch ihr Vorsitzender werden. Aber er weiß, dass er nichts erzwingen darf.

Stefan Braun

Man merkt Horst Seehofer an, dass selbst er so etwas nicht erwartet hat. Ja, natürlich hatte er Verluste befürchtet. Aber das, was da jetzt passiert ist, erreicht auch ihn wie ein Sturm. Ein Sturm, der ihn zunächst sprachlos macht zu Hause in Ingolstadt. Und dann vorsichtig. Es ist zu spüren: Dieses Ergebnis fühlt sich an wie eine Zertrümmerung seiner CSU.

Die CSU und das Wahldebakel: In einer absurden Situation: Horst Seehofer

In einer absurden Situation: Horst Seehofer

(Foto: Foto: AP)

Er weiß: Die Protestwähler kommen aus dem bürgerlichen Lager. Es ist die CSU, die sich das selbst zugefügt hat. Und er weiß: Im Auge dieses Debakels muss er seine Worte besonders wägen. Er ist in einer absurden Situation - seine CSU liegt darnieder wie nie - und er könnte gerade deswegen doch noch CSU-Vorsitzender werden. Aber er weiß auch, dass er selbst das nicht erzwingen darf. Sie müssen ihn rufen in München, und das tun sie nur, wenn er jetzt solidarisch ist und nicht egoistisch erscheint. Deshalb stellt er noch am Abend klar, er habe "nicht telefoniert" und "keine Netzwerke gespannt." Eines freilich sagt er schon: "Es muss Konsequenzen geben."

Jetzt ist es wichtig für ihn, sagen zu können, dass er auch diesmal für seine CSU alles gegeben hat. Nur große Feinde könnten anderes behaupten. Zu beobachten war das zum Beispiel in Teisendorf, einem Ort zwischen dem Chiemsee und Berchtesgaden. Seehofer hat dort fast anderthalb Stunden geredet vor wenigen Tagen. Als er fertig war, gab es heftigen Applaus von den gut dreihundert Leuten, und Seehofer sah sehr erschöpft aus. Grau war er im Gesicht, verschwitzt im Nacken, das Sakko wirkte plötzlich eine Nummer zu groß am Ende eines Tages, an dem er wieder einmal hin und her gedüst war, von Bayern nach Berlin, von Berlin nach Bayern, von Pressekonferenz zu Wahlkampfauftritt.

"Ihr wollt doch nur, dass ich der Führung widerspreche"

Mag sein, dass Erwin Huber und Günther Beckstein mit ihren Bustouren durch Bayern viele Tausende Kilometer zurückgelegt haben, ihr Mitstreiter und Rivale Seehofer hat am Ende kaum weniger Kilometer auf dem Buckel. Und er ist fast die ganze Zeit über bestrebt gewesen, als ihr Partner aufzutreten.

Dabei freilich hat er so kokett wie augenzwinkernd dran erinnert, dass die Journalisten ihm seine Loyalität nicht abnähmen, dass sie Finten und Tricks vermuteten, wo er doch nur ehrlich kämpfen wolle. Als Beleg lehnte er es immer wieder ab, Beschlüsse Becksteins oder Hubers zu kommentieren. So etwas mache man nicht im Finale. In Teisendorf sagte Seehofer beim Bier: "Ihr wollt doch nur, dass ich der Führung widerspreche. Euch würde das gefallen, aber für mich kommt es nicht in Frage. In einem Schlusskampf kann das nur schaden."

Natürlich träumt Seehofer davon, seine CSU als Parteichef zu führen

Das klang entschlossen, aber trug jene Unterscheidung in sich, die man auch als waghalsigen Balanceakt bezeichnen könnte. Seehofers Argumentation bedeutete nicht, dass er den CSU-Wahlkampf für richtig hielt. Stattdessen signalisierte er Distanz, aber so, dass niemand es als offenes Misstrauensvotum interpretieren konnte. Niemand soll ihm den Vorwurf machen können, er sei mitverantwortlich für ein schlechtes Ergebnis.

Das wäre für Seehofer im Übrigen das gefährlichste von allem. Es würde ihm den Weg zu seinem größten Traum verschließen. Das nämlich würde es für andere unmöglich machen, ihn zu rufen. Dieser Horst Seehofer, mittlerweile 59 Jahre alt, träumt natürlich davon, seine CSU als Parteichef zu führen. Nie in den letzten zwanzig Jahren hat er daran einen Zweifel gelassen.

Offen aber trat es erst zutage, als seine Chancen auf den Nullpunkt gesunken waren. Also in jenen Tagen im Januar 2007, als fast zeitgleich in Berlin seine Liaison mit einer Bundestagsmitarbeiterin bekannt und in Kreuth Edmund Stoiber gestürzt wurde. Damals hat er gesagt: "Natürlich ist das immer mein Ziel gewesen." Die CSU sei sein politisches Leben. "Wer da nicht vom Spitzenamt träumt, verdient es nicht, Verantwortung zu übernehmen."

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