Die bayerische First Lady:Michelle Obama ist sie nicht

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Marga Beckstein zieht mit ihrem Mann in den Wahlkampf - doch Anhimmeln gehört nicht zu ihren Aufgaben.

Annette Ramelsberger

Selten sieht man einem Menschen an, wie er sich mit allen Fasern seines Leibes unwohl fühlt. Wie dieser Körper nichts anderes will als sich jetzt und gleich davon zu machen und wie ihn nur ein starker Wille auf der Stelle hält. Marga Beckstein hat einen starken Willen. Und deshalb steht ihr Körper dort, wo er partout nicht hin will: auf einer Bühne, erhaben über mehr als 1000 CSU-Delegierte, die jubeln und etwas wollen, was Marga Beckstein einfach nicht kann: zurückjubeln, Siegesschreie ausstoßen und mit den Armen wedeln als sei sie Michelle Obama.

Marga Beckstein hält zu ihrem Mann. Und begleitet ihn sogar ins Bierzelt. (Foto: Foto: Getty Images)

Sie steht da, in einem hellblauen Hosenanzug, zwischen ihrem Mann Günther und dessen Mitstreiter Erwin Huber, und tut das Äußerste, was ihr Wille dem sich sträubenden Körper abverlangen kann: Sie streckt den Arm ein wenig nach vorn, reckt den Daumen nach oben und lächelt. Ein Lächeln, als lache sie über die absurde Geste, zu der sie sich da durchringt.

"Ich bin ihm zuliebe da rauf", sagt Marga Beckstein später. "Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich da stehen sollte. Es war seine Rede, sein Parteitag, seine Bühne." Aber eben auch seine Frau. Und von der First Lady eines Landes erwarten die Bürger nun einmal ein Mindestmaß an Begeisterung. Deswegen stand Marga Beckstein auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg auf der Bühne und reckte ihren Daumen nach oben.

Sie hilft ihm mit Merksätzen wie aus dem Grammatikbuch

Marga Beckstein unterstützt ihren Mann nicht gerne plakativ. Aber sie steht an seiner Seite. Es ist ein Sonntagabend im September, Günther Beckstein hat schon sieben große Wahlkampfveranstaltungen hinter sich. Sieben Mal hat er an diesem Tag geredet, sieben Mal hat sie ihn kritisiert. Sie ist nicht fürs Anhimmeln da. Eher für die kühle Fehleranalyse. Unbestechlich, aufrichtig, auch wenn's weh tut. "Meine Frau steht mit einer Unbedingtheit hinter mir, unvorstellbar. Auf sie kann ich mich tausendprozentig verlassen", sagt Beckstein.

Seit 1973 sind die beiden verheiratet. Sie haben sich beim Streiten kennengelernt, in der evangelischen Kirchengemeinde, sie, die linke Weltverbesserin, er, der konservative CSU-Mann. Seitdem haben sie weiter gestritten - sie hat ihm den Kopf gewaschen, als er im Kampf um den Ministerpräsidentenposten seinen heutigen Mitstreiter Erwin Huber anging, unter ihm wolle er nicht Minister sein. So etwas sagt man nicht, tadelte die strenge Marga. Sie frotzelt ihn an, wenn er auf Wahlkampfeinsätzen wieder gar kein Ende findet: "Habt Ihr jetzt auch schon Afrika und Indien besprochen oder seid Ihr noch bei Europa?" Und er grantelt zurück: "Gib' Ruh, sonst dauert es noch länger."

Marga lässt ihm nichts durchgehen. Sie kann eine sehr strenge Lehrerin sein. Sie liebt ihren Beruf, sie ist Seminarleiterin, gibt Grundschullehrern den letzten Schliff. Sie verlangt viel, von sich und anderen. Für ihren Mann hat sie stets einen didaktischen Leitsatz zur Hand. "Man zweifelt nicht dann an sich, wenn es schwer wird." - "Talsohlen habe es an sich, dass es danach wieder aufwärts geht." - "Man muss sich auf die Hügel konzentrieren, nicht auf die Täler." Das klingt wie Merksätze aus dem Grammatikbuch.

Und nach der Kommunalwahl im Frühjahr, als die CSU einbrach, haben diese Sätze Günther Beckstein auch geholfen. "Ich habe ihn ermuntert, da müssen wir durch", sagt sie. Das hört sich verbindlicher an als es war. Eine wie Marga Beckstein erlaubt sich keine Schwäche, sich nicht und ihrem Mann auch nicht. Selbstmitleid ist ihr ein Gräuel, und selbst der Gatte darf zuhause nicht jammern, höchstens ein bisschen. "Das ist manchmal anstrengend", sagt er. "Aber nicht langweilig", sagt sie.

Marga Beckstein ist keine einfache Partnerin, aber eine unbestechliche. Und deshalb analysiert sie genau, wie sich ihr Mann durch die Politik verändert hat - gar nicht, sagt sie. "Seine Persönlichkeit ist gleich geblieben." Der junge Nürnberger Rechtsanwalt mit Elvis-Tolle, den sie vor fast 40 Jahren kennengelernt hat und der ergraute Ministerpräsident - kein Unterschied? "Nicht in seiner Persönlichkeit. Er ist er selbst geblieben", sagt sie. "Das Amt hat ihn nicht verändert. Er hat das Amt verändert." Macht der Wahlkampf verbissen? "Mich nicht und ihn auch nicht ", sagt sie.

Dass man ein Ehepaar ist und zueinander hält...

Sie wird felsenfest an seiner Seite stehen, komme was da wolle. Und er könnte das bald sehr nötig haben, falls sich die Umfrageergebnisse der CSU bewahrheiten sollten. Sie weiß, dass er sich wünscht, mit der CSU über 50 Prozent zu kommen - mehr als alles andere. Also treibt sie ihn. Lässt ihm nichts durchgehen. Kritisiert ihn. Wie sie ihm hilft? "Dadurch, dass man ein Ehepaar ist und zueinander hält", sagt sie.

Als Mensch konnte Beckstein schon in den 1970er Jahren vor seiner Frau bestehen. Als Politiker kann er es jetzt auch. "Er will Ziele verwirklichen, nicht nur darüber reden. Er will wirklich etwas bewirken", sagt sie. "Er ist nicht blauäugig. Er hat realistische, anspruchsvolle Ziele." So etwas mag sie, so etwas Handfestes, Unsentimentales. Sie war damals die Linke, die die Welt verändern wollte, er damals schon der Realpolitiker. Sie hat sich mehr auf ihn zubewegt, sagt sie, als er sich auf sie. Und sie bekennt: "Meinen Mann habe ich immer gewählt." Über seine Partei sagt sie nichts.

Sie ist jetzt viel dabei im Wahlkampf, soviel wie noch nie. Weil es ihm gut tut, sagt sie. Weil sie dabei auch selbst etwas lernt, das kann man sich denken. Zum Beispiel, unter welcher Beobachtung man steht. Das mit dem Dirndl, das sie nicht anziehen wollte zum Wiesn-Anstich was fast zu einer Staatsaffäre geführt hätte, ist die eine Sache. Aber auch jedes Wort wird gewichtet. Ihr eigenes, aber auch das ihres Mannes. Daran musste sie sich erst gewöhnen. Das mit dem Satz vom anständigen Bayern, der natürlich die CSU wähle. Bewusst missverstanden worden sei ihr Mann da. "Das Gegenteil eines anständigen Bayern ist nicht der unanständige Bayer", sagt sie. "Das Gegenteil von einem g'scheiten Bier ist ja auch nicht ein dummes Bier." Und fügt ganz selbstverständlich hinzu: "Das ist immer so bei Äquivokationen." Wenn man das aus dem Grammatikbuch übersetzt, heißt das: ein Wort mit mehreren verschiedenen Bedeutungen. "Ich fand das lachhaft", sagt Marga Beckstein. Der politische Gegner nicht. Der ist halt nicht so firm in Äquivokationen.

"Was Privilegiertes nehmen wir nicht in Anspruch"

Wenn die Becksteins privat unterwegs sind, fallen sie nicht auf. Zwei ältere Herrschaften, gern in Hosen und sportlichen Blousons. Sie wollen auch nicht auffallen. Es kann vorkommen, dass man die Becksteins in einer Skihütte trifft, meistens über die Faschingstage. Da nehmen sie sich seit vielen Jahren ein paar Tage frei, um mit einem ganzen Haufen alter Freunde nach Südtirol zu fahren. 25, 30 Leute sind sie da, alle im gleichen Hotel. Oder sie fahren mit einer dieser Gruppenreisen nach Indien. Gemeinsam mit den Studienräten und Gewerkschaftern aus Nürnberg. Nicht in ein Luxushotel, ziemlich normal. Zunächst kennt man sich noch nicht. "Ihr Mann sieht aus wie der Beckstein", sagen sie dann zu Marga Beckstein. "Stimmt", sagt sie. Sonst nichts. "Und wenn sie mich dann direkt fragen, dann sage ich halt, ja, das ist er. Und wenn sie wissen, dass er es ist, dann ist es auch wieder erledigt."

Die Becksteins mögen das Getue nicht. Einmal, in Indien, wollte ihnen die Reiseleitung was Gutes tun und reservierte ihnen im Zug Plätze in der Ersten Klasse. "Was Privilegiertes nehmen wir nicht in Anspruch", sagt Marga Beckstein. Sie haben die Erster-Klasse-Tickets an einen Gewerkschafter aus Nürnberg und seine Frau abgegeben. Die haben sich gefreut.

Und weil ihr das normale Leben so wichtig ist, wird Marga Beckstein auch ihren Beruf nicht aufgeben. In den Ferien, da hat sie ihren Mann begleitet, jetzt, wenn wieder Schule ist, macht sie ihren Job. Ihre Skripten hat sie vorbereitet, wenn sie neben ihm im Auto saß oder wenn eine Wahlkampfrede wieder gar nicht enden wollte. "Ich sehe überhaupt keine Notwendigkeit, meinen Beruf aufzugeben", hat sie gesagt, als ihr Mann Ministerpräsident wurde. Sie hat das durchgehalten.

© SZ vom 23.09.2008/liv - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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