Neue Seilbahn für die Zugspitze:Deutschlands höchste Baustelle

Neue Seilbahn für die Zugspitze: Das Komplizierte an den Arbeiten an der neuen Zugspitzseilbahn ist nicht die Höhe, sondern die exponierte Lage des Felsgrats.

Das Komplizierte an den Arbeiten an der neuen Zugspitzseilbahn ist nicht die Höhe, sondern die exponierte Lage des Felsgrats.

(Foto: Bayerische Zugspitzbahn Bergbahn AG)
  • Bis Dezember 2017 soll auf die Zugspitze für 50 Millionen Euro eine neue Seilbahn gebaut werden. Die Planer schwelgen in Superlativen.
  • Die Fahrt auf den höchsten Gipfel Deutschlands wird bei einem Höhenunterschied von fast 2000 Metern über nur eine einzige Stütze führen, die tonnenschweren Kabel mehr als drei Kilometer frei hängen.
  • Der Bau der Bahn und des neuen Restaurants ist äußerst schwierig: Der Zugspitz-Gipfel ist kein Buckel, auf dem man einfach ein Gebäude stellen kann, sondern ein schmaler Grat aus Fels.

Report von Heiner Effern, Garmisch-Partenkirchen

Der Mann mit der orangefarbenen Fernbedienung in den Händen hat jetzt keine Zeit für einen Blick auf den blaugrünen Eibsee. Und auch nicht die Muße, von der anderen Seite der Plattform die Schneefelder des Zugspitzplatts oder die Gipfel seiner österreichischen Heimat zu bewundern.

Wie ein Slalomfahrer schlängelt sich Alois Scheiber zwischen Touristen hindurch, die Finger stets an den beiden Joysticks, mit denen er den Kran über sich schwenken lässt. "Ich muss die wegscheuchen wie die Hühner", sagt er. Als er sich am Geländer einen Platz freigeschoben hat, lässt er das Metallgestell am Haken in die Tiefe gleiten, wo es seine Kollegen in Empfang nehmen.

Den ganzen Dienstag bekommt Scheiber zu spüren, dass er nicht auf irgendeiner Baustelle arbeitet, sondern auf der höchsten und wohl kompliziertesten Deutschlands. Die Bayerische Zugspitzbahn (BZB) hat gerade begonnen, eine neue Seilbahn auf die Zugspitze zu errichten.

Im Restaurant unter der Aussichtsplattform haben ein paar Stunden zuvor die beiden Vorstände der BZB erklärt, wie sie das bis Dezember 2017 bewerkstelligen wollen. Geplant sei an gleicher Stelle wieder eine Pendelbahn mit Großkabinen, sagt Technik-Vorstand Peter Huber. "Nur schneller, schöner und moderner."

120 Gäste sollen in den Gondeln, die rundum bis zum Boden verglast sein werden, jeweils Platz finden. Die alten Kabinen fassen etwa 40 Personen und befördern etwa 260 pro Stunde auf den Gipfel. Die neue Bahn soll das Doppelte schaffen. "Wir haben an Spitzentagen an der Talstation Wartezeiten von bis zu zweieinhalb Stunden. Das ist unzumutbar, das wollen die Gäste nicht mehr", sagt Vorstand Huber. Das sieht auch die Garmisch-Partenkirchner Bürgermeisterin Sigrid Meierhofer so.

50 Millionen Euro für den Neubau

"Die Zugspitze ist unser Alleinstellungsmerkmal. Das können wir nicht mit einer Museumsbahn vermarkten. Wir bemerken schon, dass wegen der langen Wartezeiten weniger Gruppen kommen. "Den besseren Service für die Kunden lässt sich die BZB einen Batzen Geld kosten: 50 Millionen Euro. "Dafür verwenden wir aber kein Steuergeld, weder Subventionen noch öffentliche Zuschüsse", sagt Finanz-Vorstand Matthias Stauch.

Darauf legt auch Bürgermeisterin Meierhofer Wert. Öffentliche Mittel müssten nämlich im Zweifelsfall aus ihrer ohnehin schlecht gefüllten Gemeindekasse entnommen werden. Denn die BZB gehört dem Markt Garmisch-Partenkirchen. Genauer gesagt halten die privat organisierten Gemeindewerke 100 Prozent der Aktien.

"Ich bin die Großmutter der BZB, wenn sie so wollen. Werkleiter Lichtmeß die Mutter", sagt Meierhofer. Die ganze Familie habe gerechnet und gebrütet und sei zu dem Ergebnis gekommen: Es wird klappen. "Die Zugspitzbahn ist eine Cash-Cow, und die Zinsen sind gerade extrem günstig für uns", sagt Finanz-Vorstand Stauch.

Damit es kein böses Erwachen gibt, hauen die BZB-Vorstände schon zum Baustart kräftig auf die Pauke. Die Fahrt auf den höchsten Gipfel Deutschlands wird bei einem Höhenunterschied von fast 2000 Metern (Weltrekord) über nur eine einzige Stütze führen.

Höchste Stahlstütze der Welt

Die ist mit 127 Metern die höchste Stahlstütze einer Seilbahn überhaupt. Auf der Strecke von der Stütze bis zur Bergstation werden die insgesamt 140 Tonnen schweren Kabel mehr als drei Kilometer frei hängen. Auch das gebe es so sonst nirgends, heißt es auf der Zugspitze. "Wir sind top of Germany. Und wir wollen noch besser werden", sagt Vorstand Huber.

Seit 2011 laufen die konkreten Planungen für die neue Bahn. "Das Komplizierte ist nicht die Höhe, sondern die exponierte Lage", sagt Architekt Ernst Hasenauer. Der Gipfel der Zugspitze ist nämlich kein Buckel, auf dem man einfach ein Gebäude stellen kann, sondern ein schmaler Grat aus Fels.

Das Restaurant führt ins Nichts

Statiker, Geologen und Planer haben deshalb ein außergewöhnliches Konstrukt entworfen: Die neue Bergstation wird an der Nordseite des Grats auf zwei Beinen aus Beton stehen. Die sind sechsmal acht Meter groß und werden bis zu zwölf Meter in den Fels versenkt. Auf dieser Seite werden die Gondeln heraufkommen, dort werden durch die Kabel enorme Kräfte auf die Bergstation wirken. Damit sie nicht das Übergewicht bekommt und hinabstürzt, werden Seile auf die andere Seite des Grats gespannt und dort tief im Fels verankert.

Auf den beiden Beinen aus Beton, die insgesamt nur eine Fläche von knapp 100 Quadratmetern haben, soll ein mehr als zehnmal so großes Gebäude wachsen. Unter anderem ist ein Restaurant geplant, das vom Grat aus 26 Meter ins Nichts ragen wird. "Die Aussicht rundherum war für uns Architekten das Wichtigste", sagt Hasenauer. "Das wird spektakulär."

Diesen Blick sollen von 2017 an deutlich mehr Besucher erleben: Die Verantwortlichen erhoffen sich 550 000 Kunden pro Jahr, momentan sind es knapp 500 000. Doch auch schon während des Baus soll die Cash-Cow weiter liefern, die Arbeiten sollen bis zum Frühjahr 2017 bei vollem Betrieb der alten Seilbahn und der Zahnradbahn laufen.

Dann beginnt der Abbruch der alten Bahn, deren Seile noch einen letzten Dienst leisten werden: An ihnen werden die neuen hochgezogen. Die neue Talstation soll dann schon fertig sein, sie wird etwa 60 Meter hinter der jetzigen in Grainau gebaut.

Das Sommerloch 2017 soll die Zahnradbahn auffangen. Dafür kauft die BZB eine dritte Zuggarnitur und eine Lok, sodass die Kapazität deutlich erhöht werden kann. Das wird nochmals acht bis zehn Millionen Euro kosten. Dass sich Besucher von den Bauarbeiten abschrecken lassen, ist derzeit nicht zu erkennen. Etwa 3000 sollen am Dienstag gekommen sein. Unbeeindruckt drängeln sie an Kranführer Scheiber vorbei oder kraxeln wie die Ameisen die paar Meter von der Plattform zum goldenen Gipfelkreuz hinauf, vorbei an vier Bauarbeitern im Blaumann. Im Zweifel werden halt auch die fotografiert.

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