Derivate-Affäre:Bayerische Kommunen verzockten 27,4 Millionen Euro

Auf Landsberg am Lech lasten millionenschwere Schulden. Die Stadt ging deshalb Zinswetten ein - und hat sich verspekuliert. Jetzt wurde bekannt: Auch 18 weitere Gemeinden ließen sich auf die riskanten Geschäfte ein.

Von Mike Szymanski

Landsberg am Lech war nicht die einzige Stadt in Bayern, die mit riskanten Zinswetten viel Geld verloren hat. Der Süddeutschen Zeitung liegt ein Bericht der Staatsregierung hervor, in dem das Ausmaß der Zockerei deutlich wird: Demnach haben sich in Bayern 19 Kommunen auf teils sehr spekulative Geschäfte eingelassen, um die Schuldenlast zu drücken. Dies ging jedoch schief. Zusammen haben sie 27,4 Millionen Euro Verlust bei diesen Deals gemacht, heißt es in dem Bericht. Bekannt war bislang nur der Fall Landsberg. Die Stadt hatte 2004 beschlossen, Zinswetten einzugehen. Die potenziellen Verluste werden von der Stadt mit mehr als sechs Millionen Euro angegeben.

SPD und Grüne im Landtag hatten den Fall Landsberg zum Anlass genommen, genauer nachzufragen, wie verbreitet solche Geschäfte in den Städten und Gemeinden sind. Im Oktober und November hat das Innenministerium umfangreiche Daten in den Rathäusern und Landratsämtern eingeholt.

Die Namen der 19 Kommunen, die sich verzockt haben, werden aber unter Verschluss gehalten, weil die Staatsregierung fürchtet, ihnen könnten "etwa durch pauschale Vorverurteilung" Nachteile entstehen. Außerdem stünden Prozesse gegen Anbieter solcher Finanzprodukte an. Die Position der Städte solle nicht geschwächt werden. Die Abgeordneten des Innenausschusses sollen die Namen voraussichtlich in nichtöffentlicher Sitzung Anfang Juli erfahren.

Insgesamt 188 Kommunen haben Zinsgeschäfte abgeschlossen. Dies entspricht fünf Prozent der bayerischen Städte und Gemeinden, heißt es im Bericht. Die meisten haben sich auf risikoarme Produkte zur Zinssicherung eingelassen. Dabei geht es darum, das Risiko einer möglichen Zinserhöhung zu begrenzen, indem man beispielsweise einen bestimmten Zinssatz auf lange Zeit festschreibt. Im Fall der sogenannten "Zinsoptimierung" dagegen werden risikoreichere bis hochriskante Wetten auf die Zinsentwicklung abgeschlossen. Ein Spiel - man kann dabei gewinnen, man kann aber auch verlieren.

"Missstände und Verluste beim Einsatz derivativer Finanzinstrumente sind - bezogen auf die Gesamtheit der bayerischen Kommunen - Einzelfallprobleme und kein Massenphänomen", urteilt die Staatsregierung. Allerdings hat die Untersuchung auch ergeben, dass diejenigen, die angefangen hatten zu zocken, auffällig viel Geld eingesetzt haben. Teils gingen sie im Umfang der Gesamtschulden ins Risiko. "Bei einer solchen Strategie entstehen für die Kommunen in einem Zug erhebliche Zinsänderungsrisiken", heißt es im Bericht.

Dem Freistaat selbst sind beim Einsatz solcher Finanzprodukte Grenzen gesetzt, um Risiken zu minimieren. Laut Bericht wurden seit 1998 acht Geschäfte über ein Darlehensvolumen von 364,5 Millionen Euro abgeschlossen, durch die der Freistaat Zinsen in Höhe von 3,6 Millionen Euro eingespart habe. Bei den Unternehmen, an denen der Freistaat beteiligt ist, fällt die Bilanz auch positiv aus.

Für die Landesbank gehörten Zinswetten zum "täglichen Geschäftsbetrieb". Die Flughäfen München und Nürnberg, die Messe Nürnberg und die Bayernhafen-Gesellschaft haben ebenfalls solche Geschäfte getätigt. Nur in einem Fall habe es einen Verlust gegeben, weil ein Geschäft vorzeitig beendet worden sei und eine Ausgleichszahlung fällig gewesen sein soll. Der Flughafen München haben bei einem Deal einen Gewinn von 700 000 Euro erzielt.

Dennoch bleiben solche Zinsgeschäfte nur etwas für Profis. Darauf weist auch das Innenministerium hin. Die Stadt Landsberg am Lech streitet immer noch mit ihrer Bank, wer die Verantwortung für das Debakel trägt. Innenminister Joachim Herrmann will Konsequenzen ziehen. Er sucht das Gespräch mit den kommunalen Spitzenverbänden. "Strengere Anforderungen" an solche Geschäfte will er durchsetzen, die Vorschriften seien "konkreter zu fassen". Das wünscht sich auch Ludwig Hartmann, Fraktionschef der Grünen und Abgeordneter aus Landsberg. "Spekulationsgeschäfte dürfen Kommunen nicht gestattet sein. Hierzu bedarf es deutlich formulierter Erlasse."

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