Der wahre Schmuck des Mannes:Luftgetrocknet, weiß und Weltspitze

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Mit seinem Bart hat Bernhard Greller aus Regenstauf in der Oberpfalz den ersten Platz bei einer Spezial-WM belegt - und zwar in der Kategorie "Kinnbart Naturale". Nun verfolgt er ein großes Ziel: mit seinem Barthaar die fünf olympischen Ringe zwirbeln zu können

Von Andreas Glas, Regenstauf

Zu den großen Gefahren in Bernhard Grellers Leben gehört die Gulaschsuppe. Überhaupt Suppen, ganz gefährlich. Vorhin hat er Gulaschsuppe gegessen. Und passiert ist, was einem wie ihm auf keinen Fall passieren sollte. Er hat den Löffel zum Mund balanciert und, plumps, da hing die braune Soße im Bart. Er ist dann ins Bad gerannt, hat seinen Bart unter den Wasserhahn gehalten, hat am Fleck gerubbelt, wie er das immer macht, wenn ihm passiert, was ihm nicht passieren sollte. Die große Gefahr der Gulaschsuppe sei ja, "dass so ein Fleck anfärbt", dass im Bart eine dunkle Stelle bleibt, sagt Greller. Einem wie ihm kann das die Karriere kosten.

Bernhard Greller ist Bartweltmeister. Er ist 57, der Bart ist weiß und auch die Werner-Lorant-Föhnfrisur. Es ist einmalig, dieses Weiß. Man traut sich gar nicht reinzufassen in den Bart, man will ja nichts dreckig machen. Man will ihn dann aber doch fühlen, den Weltmeisterbart, und er fühlt sich dick und drahtig an, wie weichgespülte Stahlwolle. Nur brennt so ein Bart halt leichter als Stahlwolle. Vor zwei Jahren hat Greller mit der Flex am Heizkörper hantiert, da sind die Funken geflogen und haben ihm ein Loch in den Bart gebrannt, mitten rein. Eine Katastrophe. Damit er gleichmäßig nachwachsen konnte, musste Greller den Bart nach dem Flex-Unfall komplett abmachen. "Total nackert", habe er sich gefühlt.

So nackert, wie er 50 Jahre seines Lebens gewesen ist. Einen Schnauzer hat er immer gehabt, aber drum rum: alles nackert. Dass er irgendwann wachsen ließ, hat mit einer Knackwurst zu tun. Hört sich lustig an, ist aber nicht zum Lachen. Die Knackwurst war vergiftet, Grellers Schäferhund hat sie gefressen, und er ist dran gestorben. "Ein früherer Nachbar war's wohl", glaubt Greller, der Nachbar habe Rattengift in die Wurst getan. Greller hat das fertig gemacht, er hat sich ein paar Tage hängen lassen, hat sich nicht rasiert. Einem Bekannten ist das aufgefallen, er war begeistert und hat Greller mit in seinen Verein genommen: in den Ostbayerischen Bart- und Schnauzerclub nach Amberg. Er habe sich da sofort aufgehoben gefühlt, sagt Greller. Weil Bartträger "einfach gemütlich, einfach menschlich" seien, menschlicher als Menschen ohne Bart.

Vier Jahre später ist Greller dann Weltmeister geworden, der Pokal steht in einer Vitrine im Wohnzimmer, auf der Plakette steht die Disziplin, in der er gewonnen hat: "Kinnbart Naturale". Zur Erklärung: Nach dem WM-Reglement ist ein Bart ein Kinnbart, wenn die Wangen glatt rasiert sind, wenn zwischen Koteletten und Bartansatz vier Zentimeter ohne Haare sind. Außer Kämmen und Föhnen ist in der Disziplin "Naturale" nichts erlaubt. Keine Bartwichse, kein Haarspray, kein Schaumfestiger. Weltmeister ist Greller also vor allem geworden, weil er von Natur aus einen gleichmäßig dichten Bartwuchs hat. Und eben, weil sein Bart so unglaublich weiß ist, genau so weiß wie sein Kopfhaar, die Farbe ist exakt die gleiche. "Das ist extrem selten", sagt Greller.

Wie lang sein Bart gerade sei, das wisse er nicht, sagt Greller. Aber das ist ja rauszukriegen. Gisela Dost, seine Lebensgefährtin, kramt einen Meterstab aus der Schublade, klappt ihn aus, drückt mit der einen Hand Grellers Kopf nach hinten, mit der anderen legt sie den Meterstab an sein Kinn an. "Knappe zehn Zentimeter", sagt Gisela Dost. Ein bisschen enttäuscht schaut Greller jetzt drein, er plant ja in höheren Dimensionen. Dann verschwindet er kurz aus dem Wohnzimmer, kommt mit einem Koffer zurück, legt ihn neben sich auf das Sofa, klappt den Deckel auf. In dem Koffer hat er alles gesammelt, was mit Bärten zu tun hat, vor allem Fotos seiner Vorbilder und Autogrammkarten.

Greller legt ein Foto nach dem anderen auf den Tisch. Ein Mann, dessen Bart fast bis zum Boden reicht. Ein Mann, dessen Bart wie ein riesiger, zackiger Stern drapiert ist. Ein Mann, dessen Bart zu Kringeln geformt ist, die groß sind wie CDs. Einer, sagt Greller, habe sogar mal das Brandenburger Tor in seinen Bart geflochten. Diese Disziplin nennt sich "Vollbart Freestyle". Es ist die Königsdisziplin, hier darf lustig gesprayt und und mit Gel hantiert werden. Wenn Greller am 2. Oktober zur Bart-WM nach Österreich fährt, wird er nicht nur in der "Naturale"-Klasse antreten, er wird sich zusätzlich im Freistil versuchen. Auch wenn er weiß, dass er kaum Chancen hat. Sein Bart ist noch zu kurz, um ganz große Kunstwerke draus zu formen. Aber man braucht ja Ziele im Leben, und sein Ziel ist es, aus seinem Barthaar die fünf olympischen Ringe zu zwirbeln.

Inzwischen hat Greller seinen eigenen Bartclub gegründet, in Diesenbach in seinem Heimatort Regenstauf. Seit drei Jahren gibt er dort auf dem Christkindlmarkt den Nikolaus. Dass der Bart nicht aus Watte ist, merkten die Kinder sofort, sagt Greller. "Das ist ja der echte Nikolaus", diesen Satz höre er immer wieder. Und auch die Jugendlichen seien fasziniert von seinem Bart. Viele junge Männer hat er schon angesprochen, wollte sie in seinen Club locken, in dem fast alle Mitglieder über Fünfzig sind. Der Bart sei ja im Trend, sagt Greller, es gebe so viele junge Männer mit schönen Bärten. "Ich kenne viele, die einen Bart haben, der vielleicht schöner ist als meiner. Aber die kommen nicht", sagt Greller.

Viel Pflege brauche sein Bart übrigens nicht. Greller ist Lkw-Fahrer, ein bartfreundlicher Beruf sei das. Zweimal am Tag duscht er, wäscht sich den Bart mit Shampoo, lässt ihn lufttrocknen. Und auch schneiden müsse er ihn nicht, das sei in der Naturale-Disziplin eh verboten. Dass sein Bart über den Lippen so gleichmäßig abschließe, liege nur daran, dass er sich die Haare beim Essen unabsichtlich abkaue. Noch so ein Grund, dass einer wie Bernhard Greller besser auf Gulaschsuppe verzichtet.

© SZ vom 28.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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