Denkmalschutz:Pflege der historischen Wurzeln

Im Andenken an Erich Schosser, der gegen alle Widerstände in den Siebzigerjahren das Denkmalschutzgesetz durchdrückte, hat seine Frau Elisabeth eine gemeinnützige Stiftung gegründet. Sie soll vor allem junge Menschen sensibilisieren für traditionelle Werte und Schönheit

Von Hans Kratzer

Erst in den Siebzigerjahren ist der Denkmalschutz in Bayern langsam ernst genommen worden. Dass der CSU-Abgeordnete Erich Schosser 1973 das erste Denkmalschutzgesetz auf den Weg brachte, war ein großer Coup, denn die Widerstände, die er überwinden musste, waren fast so wuchtig wie ein Alpenmassiv. Über Jahre hinweg wurden seine Gesetzesinitiativen abgeschmettert, nicht einmal seine eigene Fraktion unterstützte sein Anliegen: "So an Schmarrn brauchma ned!" Weil er das Gesetz mit einigen wackeren Mitstreitern trotzdem durchgedrückt hat, gilt der 2013 gestorbene Schosser als der "parlamentarische Vater des Denkmalschutzes". Seine Ehefrau Elisabeth, die 37 Jahre lang Stadträtin in München war, hat jetzt in Erinnerung an ihren Mann eine gemeinnützige Stiftung zur Unterstützung des Denkmalschutzes ins Leben gerufen. Diese Stiftung soll nicht nur die Ziele des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege unterstützen, sondern auch die Auslobung eines Jugenddenkmalpreises. Die neue "Dr. Erich und Elisabeth Schosser Stiftung" ist treuhänderisch bei dem ebenfalls erst kürzlich gegründeten Verein Kulturerbe Bayern angesiedelt.

Bei der Vorstellung der Stiftung am Mittwoch in München sagte Elisabeth Schosser, die Stiftung solle den Denkmalschutz in einer Welt, in der viele Gewissheiten verloren zu gehen drohen, jungen Menschen nahebringen. Und zwar als eine der Grundlagen, auf denen das geistige Bayern beruht. Sie sollen auf diese Weise mit den historischen Wurzeln bayerischer Identität vertraut gemacht werden. Diesem Ziel diene vor allem auch der "Jugenddenkmalpreis", der im September 2018 erstmals vergeben werden soll. Um dieses Herzensanliegen ihres Mannes zu realisieren, hat Elisabeth Schosser ihre Ersparnisse in die Stiftung eingebracht.

Max Villa

Der Denkmalschutz ist ein gesellschaftliches Dauerthema. Das 2011 aufgenommene Foto zeigt Teile der Villa Max in Ammerland.

(Foto: Manfred Neubauer)

Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) sagte, mit der "Dr. Erich und Elisabeth Schosser Stiftung" könne "ein neues Kapitel in der Geschichte der Denkmalpflege in Bayern aufgeschlagen werden". Die Stiftung sei ein leuchtendes Zeichen für das vitale Interesse der Bürgerschaft an ihrem historischen Erbe. Spaenle, der als Nachfolger von Erich Schosser von 2002 bis 2008 Vorsitzender des Landesdenkmalrates war, erinnerte an dessen Verdienste. "Er hat sich unermüdlich dafür eingesetzt, dass die Denkmalpflege bei den Menschen verankert und das Bewusstsein dafür geschärft wird." Die Stiftung, die seine Frau Elisabeth nun realisiert habe, folge ganz dieser Zielsetzung.

Für Spaenle stellt die Gründung der Stiftung im Zusammenwirken mit dem neuen Verein Kulturerbe Bayern den Auftakt für eine Weiterentwicklung in der Denkmalpflege dar. Kulturerbe Bayern verfolgt das ambitionierte Ziel, in Bayern auf Dauer eine ähnlich schlagkräftige Einrichtung wie der National Trust in England zu werden.

Der Verein will Gebäude und Landschaften von historischem Wert oder von besonderer Schönheit dauerhaft bewahren. Vor allem geht es um die Rettung jenes Kulturerbes, für das sich kein Investor findet oder für dessen Erhalt kein Geld und Interesse vorhanden sind. Der Vorsitzende Johannes Haslauer kündigte an, im kommenden Jahr solle anlässlich des 100. Geburtstags des Freistaats die Dachstiftung Kulturerbe Bayern gegründet werden. "Wir hoffen, dass das Vorbild von Elisabeth Schosser viele Menschen dazu bewegt, sich dabei als Stifter oder Helfer zu engagieren."

Denkmalschutz: Der Vater des Denkmalschutzgesetzes von 1973 war der 2013 gestorbene CSU-Politiker Erich Schosser, hier mit seiner Frau Elisabeth.

Der Vater des Denkmalschutzgesetzes von 1973 war der 2013 gestorbene CSU-Politiker Erich Schosser, hier mit seiner Frau Elisabeth.

(Foto: Imago)

Die Zuversicht, mit der heutzutage ein solches Projekt gestartet werden kann, war in den Siebzigerjahren noch längst nicht in Sicht. Dass der bayerische Landtag am 25. Juni 1973 das "Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler des Freistaats Bayern" verabschiedete, war höchst umstritten. "Es waren wüste Zeiten", sagte Erich Schosser einmal bei einer Gedenkveranstaltung. Nachdem der Rundfunk-Redakteur 1966 in den Landtag gewählt worden war, hatte er sich, geprägt von den Verwüstungen des Krieges, sogleich der Kultur- und Denkmalpolitik verschrieben. Obwohl ihn Parteikollegen und Minister über Jahre hinweg bedrängten, sein Engagement zurückzufahren, blieb Schosser hartnäckig. Elisabeth Schosser erzählte am Mittwoch, wie oft eine Entscheidung am seidenen Faden hing, wenn Denkmalthemen im Landtag verhandelt wurden, sei es der Abriss der Allerheiligenhofkirche oder das geplante Denkmalschutzgesetz. Einmal sei ein Antrag ganz am Ende einer langen Tagesordnung aufgerufen worden, "es war 10 Uhr abends, draußen lag Schnee, alle wollten heim". Landtagspräsident Rudolf Hanauer rief den Antrag Schossers auf Errichtung eines Denkmalschutzgesetzes auf: "Wer ist dafür, wer dagegen, wer enthält sich?" Sogleich fuhr er fort: "Die Mehrheit ist dafür, Antrag angenommen!" Schosser war sich zeit seines Lebens nicht sicher, ob es wirklich eine Mehrheit war.

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