Denkmalschutz:Das Verschwinden einer alten Stadt

Viechtach Häuser Kombi für Ipad

Das am Eingang zur Altstadt gelegene Semmler-Haus gilt wegen seiner Vergangenheit und seiner Lage als wertvoll. Das Archivfoto daneben zeigt die Lage, als das Torhaus noch nicht abgerissen war. Es wurde am 24.April 1945 von den Amerikanern gesprengt, damit die Armeefahrzeuge durchfahren konnten.

(Foto: Bauernfeind, Archiv H. Popp)
  • Der Bayerwald-Gemeinde geht es wirtschaftlich gut, doch um den historischen Baubestand in der Innenstadt ist es schlecht bestellt.
  • Statt die alten Gemäuer zu pflegen, ist viel abgerissen worden.
  • Doch nun diskutiert man in dem Ort über die Erhaltung des alten Bestandes.

Von Hans Kratzer, Viechtach

Die den Bayerischen Wald schmückende Stadt Viechtach hat 8500 Einwohner und 5500 Arbeitsplätze. Sie steht also infrastrukturell und wirtschaftlich glänzend da. Im Gegensatz dazu lässt der bauliche und architektonische Zustand der Stadt allerdings zu wünschen übrig. Ein Investor hatte schon vor längerer Zeit ein Viertel des historischen Baubestands im Stadtzentrum abreißen lassen, danach verließ ihn der Mut. Dort klaffen riesige Löcher. Das Zentrum sieht aus, als wäre es waidwund gerissen.

Vor wenigen Tagen drohte der nächste Häuserverlust. Der Besitzer des gut 200 Jahre alten Semmler-Hauses am Eingang zur Innenstadt hatte am Mittwoch Bagger auffahren lassen, die das Haus abreißen sollten. Stattdessen wollte er an dieser Stelle Parkplätze errichten. Quasi in letzter Sekunde verhinderte das Kaufangebot eines Münchner Investors den Verlust dieses Hauses.

Noch ist der Notarvertrag nicht unterzeichnet, aber die Chancen, dass das Haus erhalten bleibt, stehen gut, bestätigt auch der Viechtacher Bürgermeister Franz Wittmann. "Es ist schon ein markanter Ort", sagt er, "da tät' etwas fehlen!" Gleichwohl sei das Haus Jahrzehnte lang leer gestanden, niemand habe sich dafür interessiert. Auch die Stadt hätte das Haus kaufen können, sagt Wittmann, aber "die Preisvorstellungen waren halt auch jenseits von Gut und Böse." 220 000 Euro lautete das Gebot - für ein Gebäude, das von der Substanz her eigentlich nichts wert ist.

Der Abriss des Semmler-Hauses aber hätte für die weitere Entwicklung von Viechtach fatale Folgen. Das sagt zumindest der Architekt Peter Haimerl, der als Viechtacher Stadtplaner bestellt worden ist. So heruntergekommen es auch sein mag, für Viechtach hat dieses Haus aus seiner Sicht eine große ideelle Bedeutung. "Der eigentliche Wert des Gebäudes steckt in der Lage", sagt Haimerl. "Hier war früher das Stadttor, hier hat man die Altstadt betreten." Ein Gebäude an dieser Stelle sei für die Stadtstruktur enorm wichtig.

Die massiven Häuserverluste in Viechtach sind nach Ansicht von Experten wie Haimerl ein Desaster. In der an und für sich attraktiven Stadt werden, verglichen mit anderen Kommunen im Bayerischen Wald, mit Abstand die meisten Häuser abgerissen. "Wir müssen aufhören mit unserer Selbstzerstörung", fordert Haimerl, für dessen neues Stadtentwicklungskonzept gerade der Erhalt der wenigen verbliebenen Altbauten Priorität hat. Das Semmler-Haus nimmt darin eine Schlüsselposition ein.

Das Kommunale Denkmal-Konzept (KDK), das Viechtach zusammen mit dem Landesamt für Denkmalpflege als ein deutschlandweites Pilotprojekt ins Leben gerufen hat, soll Viechtach zu einer attraktiven Vorzeigestadt machen. Dazu gehört auch das Nebenprojekt Heimatloft, dessen Bauwerke junge Leute und Unternehmen nach Viechtach locken sollen. "Die wunderbare mittelalterliche Grundstruktur ist ja noch vorhanden. Darauf und auf der Nutzung der restlichen alten Gebäude fußt unsere Planung", sagt Haimerl.

Die Atmosphäre muss wieder her

Um einen Ort zu entwickeln, in dem die Bürger sich wohl fühlen, braucht es die durch historische Häuser erzeugte Atmosphäre, davon ist er fest überzeugt. Was in Viechtach nicht alle so sehen, den Abriss des Semmler-Hauses hätte so mancher Bürger sehr begrüßt, wie manchen Zuhörerreaktionen auf einer Pressekonferenz zu entnehmen war.

Das ist insofern erstaunlich, als sich in Viechtach schon seit Jahren engagierte Bürgerinnen um historische Gebäude kümmern und für sie werben. Elisabeth Spitzenberger hat mit ihrer zweibändigen Häuserchronik überregionale Maßstäbe gesetzt, es ist ein einzigartiges Dokument der Viechtacher Baugeschichte. Zusammen mit Eva Bauernfeind hatte sie vor Jahren auch die Rettung des Penzkofer-Hauses initiiert.

Die Frauen sammelten Spenden für eine Machbarkeitsstudie und setzten sich dafür ein, dass der abrisswillige Besitzer das Haus an die renovierwillige Neubesitzerin verkaufte, während es von allen Seiten tönte: "Reißts es weg, des oide Glump." "Wir müssen uns auf unser altes Stadtbild besinnen", sagt Eva Bauernfeind. "Wenn nichts mehr da ist, ist die Erinnerung weg."

Ein Abriss des Semmler-Hauses wäre für Haimerl das Ende jeder Stadtentwicklung. "Deshalb war ich entsetzt, als ich von den Abbruchplänen hörte." In letzter Sekunde überzeugte er den Münchner Investor Stefan Höglmaier von dem Projekt. Der sagte zur SZ, er sei zuversichtlich, das Semmler-Haus zukunftsfähig zu machen, sei es für Wohn- oder für Gewerbenutzung. "Wir wollen hier ein Zeichen setzen für Viechtach."

Die Zerstörung des alten Viechtachs ist kein Einzelfall. In Bayern häufen sich die Streitfälle um den Abriss alter Häuser, die sich zu Grundsatzdebatten ausweiten, zuletzt in Landshut (Moserbräu), Donauwörth (Bürgerhaus) und Weilheim (Zeitungshaus). Haimerl ist Widerstände gewohnt. Er hat auch das visionäre Konzerthaus in Blaibach geplant. "Dort war der Gegenwind noch viel härter", sagt er.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: