Debatte um Atomkraft:Störfall Landshut - Kernschmelze bei der CSU

In Landshut denken die Menschen anders: Die lokale CSU fordert die Abschaltung des Reaktors Isar 1. Dabei will die Parteiführung in München alle Atomkraftwerke länger laufen lassen.

Max Hägler

Eine Parteilinie, meint Hans Rampf, sei ja "wunderschön". Aber, fügt der CSU-Politiker und Landshuter Oberbürgermeister hinzu, wenn man vor Ort betroffen sei, dann würden die Menschen eben mitunter anders denken als die Partei das vorgebe.

Erleuchtete Dampfwolke des AKW's in Ohu

So schön kann Atomkraft sein: Im Abendlicht steigt die Dampfwolke aus dem Kühlturm des Kernkraftwerks Isar bei Ohu nahe dem niederbayerischen Landshut auf.

(Foto: dpa)

In Landshut denken die Menschen bei einem Thema erkennbar anders als die CSU es ihnen vorgibt. 29 Räte und auch CSU-Mann Rampf hatten dort am Freitag in der Vollversammlung des Stadtrats das Abschalten des Atomkraftwerks Isar 1 gefordert. Angezettelt wurde das Ganze ausgerechnet von der lokalen CSU. Und das, obwohl die Parteiführung in München eigentlich vehement eine generelle Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken fordert.

An diesem Dienstag steht im bayerischen Kabinett das energiepolitische Konzept auf der Tagesordnung. Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) hat es ausgearbeitet und will eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken um mindestens 15 Jahre. Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer plädiert sogar für eine Verlängerung ohne Festlegung auf eine Jahreszahl.

Bei dieser Stimmung ist das Landshuter Votum ein offensichtlicher Affront gegen die Parteiräson - und auch gegen Teile der lokalen Parteigliederung. Vier CSU-Stadträte blieben auf Parteilinie und stimmten gegen die überraschend atomkritische Mehrheitsmeinung in der christsozialen Stadtratsfraktion.

Was in normalen Zeiten nur bemerkenswert wäre, ist für den CSU-Mann Rampf womöglich gefährlich: Am 10. Oktober wählt die Stadt ein neues Stadtoberhaupt. Vier Kandidaten fordern den Amtsinhaber heraus. Es ist eine Zeit, in der Rampf eigentlich jeden Parteifreund an den Wahlständen bräuchte. Wohl auch deswegen war er kein Freund dieser Resolution und hat lange nach einer Haltung in der Atomfrage gerungen, die möglichst kompatibel ist mit seinem Wahlkampf.

Herausgekommen ist dann aber auch bei ihm ein Nein. "Ich habe auch die Stimmung in der Bevölkerung mitgenommen", meint Rampf. Die Mehrheit sei dem 31 Jahre alten Reaktor gegenüber kritisch eingestellt. Der Stadtrat sei das in der Vergangenheit auch schon gewesen, beteuert Rampf. Es klingt ein wenig nach Verteidigung - gegen Bürgervorwürfe und Schelte aus CSU-Gremien, auch wenn letztere bislang offiziell ausgeblieben ist.

Stattdessen bekommen die Landshuter sogar zaghafte Unterstützung. Die 5000-Seelen-Gemeinde Kumhausen südlich von Landshut hat ebenfalls in der vergangenen Woche über einen ähnlichen Antrag zur Abschaltung abgestimmt. Die Gemeinde unter Führung eines CSU-Bürgermeisters drängt nun offiziell auf eine schnelle Abschaltung des Reaktors - mit Stimmen von CSU-Räten.

Aber Rampf weiß, dass das derzeit noch die Ausnahme ist. Diejenigen, die in den Isar-Kernkraftwerken arbeiten, schimpfen natürlich auf den Oberbürgermeister und die Stadtratsmehrheit. "Die betroffenen Bürgermeister der Gemeinden werden uns in den kommenden Wochen hinterfragen", fürchtet Rampf, der das alles aber nicht als Spaltung verstanden wissen will, sondern als "Zeichen hoher Demokratie".

Die Mehrzahl hat Angst sich zu positionieren

Anzeichen dieser so gepriesenen Demokratie hat auch der Landshuter CSU-Stadtrat Rudolf Schnur wahrgenommen. Zwar habe die Mehrheit der Schwarzen noch Angst, sich zu positionieren - im Sinne von: "Da arbeitet mein Sohn, ich will nicht, dass er Probleme bekommt." Aber es breche etwas auf bei der CSU, "hin zur sachlichen Diskussion über Energie".

Bei der Parteibasis fände durchaus schon ein Abwägen der Argumente statt - etwa über Arbeitsplätze im Atomsektor oder bei erneuerbaren Energien. Beim Sommerfest der Landshuter CSU am Wochenende habe es Sticheleien von Atombefürwortern gegeben, aber alle hätten das Votum des Stadtrats sportlich genommen. "Vor 20 Jahren wären solche Diskussionen noch undenkbar gewesen", meint Stadtrat Schnur. Da hätte man aufpassen müssen, dass man sich keine Watschn einfängt.

Allerdings versperre sich die Parteiführung dieser Sachdebatte. Schnur ist auch Bezirksvorsitzender des Arbeitskreises Umwelt (AKU) in der CSU. Dieses Gremium hatte bereits im April für eine Abschaltung des Reaktors Isar 1 im kommenden Jahr plädiert. "Vom Bezirksvorstand Niederbayern oder von der Parteiführung kam keine Antwort", kritisiert Schnur. Einzig einige Zeilen in Sachen Photovoltaik seien dann zugesandt worden. Bewusste Themaverfehlung, um die Ökorebellen in der CSU ruhig zu stellen?

Wenn das so gewesen sein sollte, dann ging das gründlich daneben. Die Landshuter Resolution wurde deutschlandweit verbreitet. Und auch das mit Ökorebellen stimme so nicht, meint Schnur. "Manfred Hölzlein hat die Resolution mitunterschrieben, der ist nicht als Gegner der Kernkraft bekannt."

Das stimmt. Das Hauptargument des mächtigen niederbayerischen Bezirkstagspräsidenten mit CSU-Parteibuch für seine Votum gegen Isar 1 ist ein ganz nüchternes: Es gebe mittlerweile genügend Strom aus Biogas, Sonne und Wind, so dass das Kraftwerk nicht mehr benötigt werde. Dem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien wolle er nicht im Wege stehen.

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