Oberfranken: Neues Logo:Bayerns teuerster Knutschfleck

Oberfranken will sich besser vermarkten und hat für 500.000 Euro eine Werbeagentur aus Berlin angeheuert. Doch am neuen Logo scheiden sich die Geister.

Uwe Ritzer

Was läge näher, als zu dem Thema zuerst den Bezirksheimatpfleger zu befragen: Was ist Oberfranken? Was charakterisiert Bayerns nordöstlichsten Bezirk? Der grüne Wagner-Hügel in Bayreuth, die Edel-Fernseher der Marke Loewe aus Kronach, das Kulmbacher Bier oder jenes der vielen kleinen Brauereien? Die malerische Bamberger Altstadt, Coburg mit seiner Veste, der Huk-Versicherung und dem Autozulieferer Brose? Oder Hof, wo die Öffnung der Grenze zur DDR 1989 so schöne Wiedervereinigungsbilder lieferte?

Logo für Oberfranken

Das neue Oberfranken-Logo: Mit einer eigenen Dachmarke will Oberfranken sein Profil stärken und sich als attraktiven Lebensraum mit Zukunft präsentieren.

(Foto: dpa)

"Oberfranken ist ein Konstrukt des 19. Jahrhunderts, eine Verwaltungseinheit, zu der im 20. Jahrhundert noch Coburg kam", antwortet Bezirksheimatpfleger Günter Dippold nüchtern. Da wurden ganz unterschiedlich geprägte Landstriche zusammengepackt - hier das katholische Bamberg, dort das protestantische Bayreuth, hier das von der Industrialisierung geprägte Hof, dort die stolze Residenzstadt Coburg. "Oberfranken ist keine Liebesheirat, sondern eine Schicksalsgemeinschaft", sagt Dippold.

"Wenn wir wahrgenommen werden wollen, gibt es keine Alternative"

Vielleicht tun sich die Oberfranken deshalb so schwer, eine gemeinsame Identität zu finden. Seit Monaten streiten sie heftig über einen Begriff, der eigentlich harmlos-bürokratisch daherkommt: Dachmarke. Seit einem Jahr läuft der sogenannte Dachmarkenprozess, und angesichts der Emotionen, die seither aufwallen, wundert man sich über die Gelassenheit von Melanie Huml.

Die Bamberger CSU-Politikerin ist Staatssekretärin im bayerischen Umweltministerium und seit 2008 auch Vorsitzende des Vereins Oberfranken Offensiv, der 300 Mitglieder zählt - Kommunen, Wirtschaftsverbände, Unternehmen, aber auch Privatpersonen. "Wir wollen das Verbindende stärker herausarbeiten", sagt Huml. Den Oberfranken klarmachen, dass sie im Innern stärker zusammenhalten und nach außen endlich als eine Region auftreten müssen.

"Wenn wir in Deutschland oder international wahrgenommen werden wollen, gibt es dazu keine Alternative", sagt Huml. Das gelte für die Politik, die Kultur, vor allem aber für die Wirtschaft. Man hat schon viel gelesen über ausblutende Landstriche irgendwo hinter Wunsiedel im einstigen Zonenrandgebiet. "Aber wer weiß schon, dass Oberfranken gemessen an der Einwohnerzahl mit 67.000 Firmen eine der höchsten Industriedichten in Europa hat?", sagt Huml.

"Hier gibt es viele hidden champions, die keiner hier vermuten würde." Firmen also, die in ihren Märkten Spitze sind, was aber kaum jemand weiß. Aber auch in Sachen Kultur und Lebensqualität müsse man den Regierungsbezirk nach außen offensiver darstellen, sagt Huml.

"Das Logo soll seine Aufgabe erfolgreich erledigen"

Bis hierhin stimmen noch viele der etwa 1,1 Millionen Oberfranken zu. Nur über das Wie tobt ein Streit, der die Leserbriefspalten in den Lokalzeitungen füllt. Quelle des Zorns ist das neue Logo für Oberfranken, das im Juni vorgestellt wurde. Es zeigt, in den Franken-Farben Rot und Weiß, die Silhouette des Bezirks, an den Rändern weich gezeichnet und mit einem Schatten versehen. Die Kommentare der Oberfranken fielen eher abfällig aus. "Kuhhaufen" war noch einer der harmloseren, "Knutschfleck" ein anderer. Ihn findet Huml "gar nicht so schlimm, sondern ganz charmant. Das klingt fast liebevoll".

"Bei dem Logo geht es nicht um Geschmacksfragen", hält Ulrike Mayer-Johannsen Kritikern entgegen. Die Professorin aus Berlin gestaltet mit ihrer Firma MetaDesign den Dachmarkenprozess und gilt als eine der führenden Expertinnen, wenn es um die Schaffung eines unverwechselbaren regionalen Erscheinungsbildes geht. "Das Logo soll nicht einfach nur gefallen, sondern seine Aufgabe erfolgreich erledigen", sagt Mayer-Johannsen.

Aus der Vielfalt heraus soll ein Einheitsbewusstsein entstehen

Es soll also schlichtweg einen Wiedererkennungswert haben. Dazu müssen es idealerweise möglichst viele oberfränkische Firmen auf ihren Briefköpfen, Broschüren und Internetseiten verwenden, Autofahrer auf ihr Heck kleben und Kulturschaffende auf Plakate drucken.

Das Logo ist allerdings nur ein Stein im Mosaik. Um Oberfranken "vom Regierungsbezirk zum Identitätsraum zu machen, müssen wir die Besonderheit des Alltäglichen herausarbeiten", sagt die Professorin. In Workshops ließ Mayer-Johannsen Stärken und Schwächen der Region analysieren, woraus sich drei charakteristische Attribute ableiten ließen. Oberfranken ist demnach lebenswert, echt, sinnlich. Und damit markant.

Es entstanden ein Werbespot, eine Fotoserie und Broschüren, die genau dieses transportieren. So eine umfassende Kampagne kostet - bislang eine halbe Million Euro. Schnell verbreitete sich in der Öffentlichkeit die Kurzfassung, man habe MetaDesign 500.000 Euro für ein simples Logo in den Rachen geworfen. Heimische Werbeleute kritisierten, dass der Auftrag nicht an sie, sondern an eine Agentur aus Berlin ging.

Huml hält all das für zu kurz gegriffen. Der Blick von außen auf die Oberfranken schade nicht, sagt sie. "Vor allem aber hat MetaDesign Erfahrungen mit solchen Dachmarkenprozessen." Die Bevölkerung und auch die Agenturen am Ort würden bei den weiteren Schritten eingebunden.

"Bis die Dachmarke verinnerlicht ist, wird es ein harter und schwieriger Prozess", prophezeit Bezirksheimatpfleger Dippold. Dennoch bekennt er sich dazu, "weil hier keine Gleichmacherei versucht wird". Aus der Vielfalt heraus soll ein Einheitsbewusstsein entstehen, ein gemeinsames Regionalmarketing. So etwas kann dauern, sagt Dippold: "Was in Oberfranken 200 Jahre lang versäumt wurde, kann man nicht in ein, zwei Jahren aufholen."

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