Das große SPD-Casting:Bayern sucht den neuen Superminister

Wie könnte Christian Udes Regierungsmannschaft aussehen, wenn die SPD 2013 die Landtagswahlen in Bayern gewinnen sollte? Auf der Fraktionsklausur im Kloster Irsee ist das Spiel "Wer wird was?" ein Dauerbrenner. Zahlreiche Genossen preschen bereits vor.

Frank Müller

Sachpolitik, natürlich. Nur ja keine verfrühten Personalspekulationen. Drei Tage lang hat die Landtags-SPD im Kloster Irsee weitgehend unfallfrei Wirtschafts-, Integrations- und Sozialpolitik gemacht. Das Wahlprogramm kommt voran, als Ziel bei der Landtagswahl sind 25 Prozent plus X und eine Dreierkoalition mit Grünen und Freien Wählern formuliert. Stellt sich nur noch eine Frage: Mit welchen Kräften, welchem Team will Ude eigentlich an die Macht?

SPD-Klausur in Kloster Irsee

Klausur in Irsee: Fraktionsvize Inge Aures, Fraktionschef Markus Rinderspacher, Spitzenkandidat Ude und Generalsekretärin Natascha Kohnen.

(Foto: dpa)

Offiziell will keiner aus der Führung Personalspekulationen befeuern, doch das Gesellschaftsspiel "Wer wird was?" läuft immer. Fraktionschef Markus Rinderspacher spottete darüber nach Kräften bei einer ironischen Rede beim Fraktionsabend in Irsee. "Auffällig viele Kollegen" hätten mit ihm das Gespräch gesucht und sich "als Leistungsträger auch gerne in Zukunft anbieten" wollen, belustigte sich Rinderspacher.

Schon habe die Partei "vier Finanzminister und drei Finanzministerinnen, fünf Sozialminister und fünf Sozialministerinnen. Und zwölf Bildungsminister". Bei der SPD gehe es zu wie beim Superstar-Casting, meinte Rinderspacher und rief prompt den Wettbewerb BSDNSMBZWDNSM aus: "Bayern sucht den neuen Superminister beziehungsweise die neue Superministerin."

Früher hatte man die CSU oft verspottet wegen ihres immerwährenden Regionalproporzes. Heute dämmert den ersten in der Bayern-SPD, dass man in nicht so ferner Zukunft zu einem ähnlichen Puzzle gezwungen sein könnte.

Als an erste Stelle für künftige Aufgaben gesetzt gelten bislang die Mitglieder von Udes bisherigem Vertrautenteam. Neben Rinderspacher und der Generalsekretärin Natascha Kohnen gehört dazu auch der Chef der Landes-SPD, Florian Pronold. Rinderspacher selbst kommt dabei mehr und mehr in eine Schlüsselrolle.

In Irsee erwies er sich als zugkräftiger Politmanager und dazu als eloquenter Kommunikator, der auch in Witz und Zuspitzung Ude kaum nachsteht. Er versteht sich auch darauf, treuherzig zu versichern, man betreibe keinesfalls Wahlkampf - um gleich darauf auf Regierungschef Horst Seehofer und dessen "Bluffs, Tricks und Nullsummenspiele" einzuschlagen und dessen ausgeglichenen Etat zur "faustdicken Lüge" zu erklären.

Als Fraktionschef hat Rinderspacher eine Schlüsselrolle, die auch bei einer Regierungsbeteiligung nach 2013 gewichtig wäre. Doch als wahrscheinlicher gilt, dass es den 42-jährigen Ex-Journalisten in die Schaltzentrale zieht: Er könnte, wie einst Edmund Stoiber unter Franz Josef Strauß, Udes Staatskanzleiminister werden, ein Posten, der viele Möglichkeiten bietet für einen, der zur Hochform auflaufen will.

Julian Nida-Rümelin im Gespräch

Auch Pronold, bislang Bundestagsabgeordneter, hat signalisiert, dass er bei einem Wahlsieg nach München wechseln möchte. Für den erst 39-jährigen Parteichef aus Niederbayern müsste also ein Schlüsselressort her: Innen oder Finanzen. Für letzteren Posten gibt es allerdings in der Fraktion als Anwärter schon den Fraktionsvize Volkmar Halbleib, 47, aus Unterfranken, der als kompetenter Beherrscher aller Etatzahlen gilt.

Ebenfalls finanzerfahren ist die frühere Kulmbacher Oberbürgermeisterin Inge Aures, 55, die sich als Chefaufklärerin im BayernLB-Skandal profilierte und wie Halbleib Vize in der Landtagsfraktion ist. Für Wirtschaft stünde der mittelfränkische Abgeordnete Thomas Beyer, 48, parat, der allerdings mit einigen forschen Thesen über die Industriepolitik bei Ude in Irsee Stirnrunzeln hervorrief.

Die Lage wird dadurch verkompliziert, dass es im Erfolgsfall auch die Personalinteressen zweier Koalitionspartner zu berücksichtigen gilt. Und dadurch, dass es in der SPD Gedankenspiele über einen Neuzuschnitt der Ministerien gibt. In Irsee wurde über das Amt eines Integrationsministers spekuliert.

Denkbarer ist eine andere Reform, nämlich ein neues Energieministerium, möglicherweise zusammengeführt mit Wissenschaft und Forschung. Hier stünde die Biologin Natascha Kohnen, 44, parat, ebenfalls Fraktionsvize. Doch auch die Grünen haben ureigenstes Interesse am Energiethema.

Ude selbst hat bislang nur die Namen Julian Nida-Rümelin und Axel Berg für künftige Aufgaben ins Gespräch gebracht. Der Münchner Philosophieprofessor Nida-Rümelin, 57, war unter Ude Münchner Kulturreferent; Berg, 52, saß bis 2009 für München im Bundestag und gilt als Vorkämpfer der Energiewende und als schlagkräftiger Wahlkämpfer.

Mindestens im Spaß wird in der SPD auch schon über die Ära Ude hinausgedacht - sollte es je eine geben. Rinderspacher scherzte in seiner Irseer Kabarettrede über seine eigene Kampagne im Jahr 2028. Schließlich seien seine Zustimmungswerte in der jüngsten Umfrage gestiegen: "Ich habe mich um zwei sensationelle Zehntelpunkte von 3,3 auf 3,1 verbessert. Florian Pronold liegt genau diese zwei Zehntelpunkte hinter mir." Das, so spöttelte Rinderspacher, sei doch eine klare "Vorentscheidung für die Nachfolge von Ministerpräsident Ude".

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