CSU:Wenn Unbesiegbare schwächeln

Halbleere Festzelte, Umfragewerte unter 50 Prozent: Die CSU hat ihre Unbesiegbarkeit zum Markenzeichen stilisiert - und wirkt daher in ihrer Schwächephase lächerlich.

A. Ramelsberger

Die 50 - das ist für die CSU mehr als nur eine Zahl. 50 - das ist die magische Marke, der Schlüssel zu ihrem Nimbus, unbesiegbar zu sein. Neunmal in Folge hat die christlich-soziale Partei bei den bayerischen Landtagswahlen mehr als 50 Prozent der Stimmen errungen, zuletzt, bei der Wahl im Jahr 2003, waren es sogar 60,7 Prozent, die Zwei-Drittel-Mehrheit.

CSU: In anderen Parteien wissen sie: Es kann auch schiefgehen. Das ahnt jetzt auch Ministerpräsident Beckstein.

In anderen Parteien wissen sie: Es kann auch schiefgehen. Das ahnt jetzt auch Ministerpräsident Beckstein.

(Foto: Foto: AP)

So siegestrunken waren die Abgeordneten und Anführer der CSU damals, dass sie nicht erkannten, dass am Tag ihres größten Siegs bereits der Samen des Abstiegs gelegt wurde: Denn befeuert durch die übergroße Zustimmung im Land preschte der damalige Ministerpräsident Edmund Stoiber mit Radikalreformen vor, die das Land in Erbitterung und Proteste stürzten und ihm am Ende den Job kosteten. Und nun die CSU sogar um die legendäre 50 und um die absolute Mehrheit bangen lassen.

Doch damals dachte niemand überhaupt nur an die Möglichkeit, dass die CSU jemals unter die magische Marke fallen könnte. Das Wort Niederlage kam in der CSU auf Landesebene nicht vor, höchstens in den bayerischen Kommunalparlamenten musste sich mal ein CSU-Mann einem talentierten Freien Wähler oder gar einem SPD-Menschen geschlagen geben. In Bayern siegte die CSU immer.

Wegen dieser Gewissheit waren viele aufstrebende Politiker auch in die CSU gegangen. Mit der CSU, dieser starken, immer die Regierung stellenden Partei konnte man nicht verlieren. Wenn es ganz schlecht lief, blieb man halt einfacher Abgeordneter im Parlament. Lief es auch nur ein wenig besser, konnte man schnell Staatssekretär, gar Minister werden. Und ein Landratsposten war allemal drin.

Was sollen sie denn noch tun?

Die CSU hat ihre Unbesiegbarkeit zum Markenzeichen stilisiert. Das ist nun Fluch und Segen zugleich. Solange sie stark ist, ist sie fast unverletzlich. Schwächelt sie aber, wirkt der Nimbus schal und lächerlich. Deshalb ist sie nun so gebeutelt. Seit Wochen erreicht die CSU bei Umfragen schon nicht mehr die 50-Prozent. Sie pendelt um die 47, 48 Prozent.

Es ist etwas geschehen, was niemand für möglich gehalten hatte. Früher waren viele Bayern stolz auf ihre Besonderheit, und zu diesem Anderssein gehörte auch die starke Stellung der CSU. Doch nun ist die Partei aus dem Dreiklang Berge, Seen, CSU herausgefallen. Die CSU hat im August noch mit Wohlfühlplakaten unter dem Motto "Sommer, Sonne, CSU" geworben, was nicht gerade auf freundliches Wohlwollen stieß, sondern auf Kopfschüttlen.

Dass die selbstverständliche Symbiose von Bayern und CSU nun nicht mehr gelten soll, das ist etwas, was die Mitglieder der CSU-Fraktion in einem Maße umtreibt, wie man es bisher nicht erlebt hat. Plötzlich ziehen die Anführer der CSU keine Leute mehr an und stehen auf halbleeren Plätzen, plötzlich kommen die Themen der Partei nicht mehr beim Wähler an. Plötzlich schlägt den Wahlwerbern nicht freundliche Sympathie entgegen, sondern Grant - und das, obwohl das Land überall Klassenbester ist: beim Abbau der Arbeitslosigkeit, bei der Wirtschaftskraft, auch bei den Schulen. Es lässt die Betroffenen verwirrt zurück: Was sollen sie denn noch tun, als für beste Wirtschaftsdaten zu sorgen?

"50 Prozent - das ist die Aufgabe"

Innerhalb kurzer Zeit hat sich die Lage der CSU in Bayern verändert, einem Wettersturz ähnlich, der dünn angezogene Wanderer im Gebirge überrascht. Die CSU ist nicht vorbereitet auf den politischen Kälteeinbruch. In anderen Ländern, in anderen Parteien wissen die Kandidaten: Es kann auch schief gehen. Viele von ihnen sind durch Niederlagen gegangen, haben es - wie Christian Wulff in Niedersachsen, der zweimal gegen Gerhard Schröder verlor - dreimal versucht, bis sie an die Regierung kamen. So etwas kennen die Funktionäre der CSU nicht.

Gerade für CSU-Chef Erwin Huber hat die Zeit als Generalsekretär und als Minister immer nur Wahlsiege gebracht. Einzig Ministerpräsident Günther Beckstein hat schon einmal eine Niederlage erlebt: Er hatte 1987 in Nürnberg für das Amt des Oberbürgerrmeisters kandidiert und war an einem SPD-Mann gescheitert. Er hat, so gestand er viel später, ein ganzes Jahr gebraucht, bis er sich gefangen hatte.

Ein einziges Mal war die CSU in den vergangenen Jahren schon unter die 50 Prozent gefallen - doch das war kaum jemandem aufgefallen: Im Jahr 2005 errang sie nur 49,2 Prozent bei der Bundestagswahl. Das war noch unter der Führung von Edmund Stoiber. Auf die Lichtgestalt von damals fiel dennoch kein Schatten. Stoiber aber will nichts unter 50 durchgehen lassen. ", die meine Nachfolger bestehen müssen", sagte er vor kurzem im Bierzelt.

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