CSU: Wahlanalyse:Amnestie für den Chef

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Das Wahldebakel ist analysiert - und Parteichef Horst Seehofer von aller Schuld freigesprochen. Denn die Experten haben einen anderen Schuldigen ausgemacht.

Die Wahlforscher haben CSU-Chef Horst Seehofer die scheinbar alles entschuldigende Erklärung für das schlechte Bundestagswahlergebnis geliefert. 79 Prozent der Wechselwähler hätten diesmal aus wahltaktischen Gründen nicht für die CSU gestimmt, lautet die lang erwartete Analyse des CSU-Vorstands, basierend auf den Erhebungen der Meinungsforscher. "Das war die Hauptmotivation der Wähler", stellte der Ministerpräsident fest.

Horst Seehofer: "Ich bin Parteivorsitzender und verantwortlich." (Foto: Foto: ddp)

Seine eigene Rolle relativiert Seehofer. Er räumt zwar ein: "Ich bin Parteivorsitzender und verantwortlich." Zugleich verweist er aber spitzfindig auf die Bedeutungsunterschiede zwischen Verantwortung und Schuld. Eine Personaldiskussion habe es jedenfalls bei der Vorstandssitzung nicht gegeben, konstatiert Seehofer zufrieden.

Dabei hatte er doch die Parteifreunde zu einer schonungslosen Aufarbeitung aufgefordert: "Die kann gar nicht offen genug sein, ich hab da überhaupt keine Probleme."

Tatsächlich sitzt Seehofer nach einem kurzen Wanken direkt nach der Wahl inzwischen wieder fest im Sattel. Der erste Furor, die wütende Enttäuschung über die nur noch 42,5 Prozent der Wählerstimmen in Bayern ist vorbei. Sieben Wochen hatte sich die CSU Zeit gelassen bis zur ersten offiziellen Analyse des Debakels. Eine lange Zeit - und ein kluger Schritt von Seehofer.

In der Zwischenzeit holte er bei den Koalitionsverhandlungen im Bund drei Ministerämter für die CSU und verankerte zahlreiche eigene Wahlversprechen im Bündnisvertrag. Ihm gelang hier mehr, als seine Partei erwartet hätte. "Versprochen - gehalten", lautete sein zufriedenes Fazit, dem sich angesichts der Fakten auch seine innerparteilichen Kritiker anschließen mussten.

Nun geht es aber darum, die vielen hoffnungsvollen Formulierungen auch tatsächlich umzusetzen. Seehofer ist dies bewusst. Erst in vier Jahren finden in Bayern die nächsten Wahlen auf Landes- und Bundesebene statt. Bis dahin müsse die Partei Vertrauen zurückgewinnen bei den Wählern. "Prozente sind immer das Ergebnis von Auftreten und Arbeit", schreibt er seinen Mitstreitern ins Stammbuch.

Auf die 50 Prozent als traditionelles Ziel will Seehofer sich nicht festlegen lassen. Den neuen CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, der am Montagmorgen genau das getan hatte, kritisiert er öffentlich dafür. Dieses Denken in Prozenten gehe an den eigentlichen Interessen der Menschen vorbei. Die wollten konkrete Sachpolitik. Und ihre zentrale Frage an die CSU laute: "Können die das und schaffen die es?"

Um wieder das Gespür für die Belange der Bevölkerung zu bekommen und den Kontakt zu verbessern, will die CSU zur "Mitmachpartei" werden. Nötig sei "eine stärkere Einbindung der Bevölkerung in das, was wir tun", mahnt Seehofer. Nur so könnten wieder Glaubwürdigkeit und Identifikation geschaffen werden. Auch sein Vorgänger als Parteichef, Erwin Huber, analysiert: "Wir befinden uns in einer Vertrauenskrise."

Die Partei müsse sich auch stärker der Veränderung der Gesellschaft bewusst werden, ist sich der CSU-Vorstand laut Seehofer einig. "Die Welt ist im Umbruch", sagt der Vorsitzende und bezeichnet dies als die zweite Hauptursache für den Stimmenverlust. Als Beispiel verweist er auf den Erfolg der Piratenpartei, die unter den Erstwählern auf Anhieb zwölf Prozent der Stimmen bekam.

Auch Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) mahnt am Rande der Vorstandssitzung, die CSU brauche mehr Bandbreite und müsse gleichzeitig verschiedenen gesellschaftlichen Strömungen Heimat sein.

Eine Mitschuld dafür, dass dem derzeit nicht so ist, gibt Seehofer den Strukturen der CSU. Diese seien zum Teil nicht mehr passend für die heutige Gesellschaft. "Wir müssen mit voller Kraft die Parteireform durchführen", fordert der Vorsitzende. Auch Plebiszite und mehr innerparteiliche Mitwirkungsmöglichkeiten seien dabei überlegenswert. "Das wird die Debatte der nächsten Monate", sagt Seehofer.

Bleiben als dritte Mitursache des miserablen Bundestagswahlergebnisses die eigenen Fehler. "Ich würde niemals für mich in Anspruch nehmen, dass ich alles richtig mache", räumt Seehofer bereitwillig ein. Eine Aussage, die in Ruhe betrachtet gar keine so große Demut enthält. So einen Absolutheitsanspruch hat ja nicht einmal der Papst.

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