CSU-Vorstandssitzung:Seehofer fühlt sich missverstanden - und gibt sich zahm

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CSU-Chef Horst Seehofer bei der Vorstandssitzung in der neuen Parteizentrale. (Foto: dpa)
  • Nach monatelangem Streit mit Kanzlerin Angela Merkel über die Flüchtlingspolitik hat die CSU ihre Tonlage vor dem womöglich entscheidenden EU-Gipfel deutlich gemäßigt.
  • CSU-Chef Horst Seehofer verzichtete sowohl vor als auch während einer Parteivorstandssitzung auf jegliche Kritik an Merkel.

Von Wolfgang Wittl, München

So ein bisschen Grünzeug am Haus schadet ja nicht, wenn man frisch eingezogen ist. Die Pflänzchen, die am Montagvormittag vor der neuen CSU-Zentrale aufgereiht sind, haben mit Dekoration allerdings nur wenig zu tun. Es sind kleine Pappkartonschälchen mit Kresse, daneben stehen 15 Demonstranten von "Karawane München", die gegen die Flüchtlingspolitik der CSU anbrüllen. "Statt fiesem Populismus und rassistischer Hetze - einfach mal die Kresse halten", skandieren die Protestierer wieder und wieder.

50 Meter weiter, im Inneren des Gebäudes, ist davon nichts zu hören. Die Vorstandssitzung der CSU hat soeben begonnen, sogar die Vorhänge bleiben diesmal offen, obwohl der Parteichef fragt, ob man sie schließen soll. Forsche Töne in der Flüchtlingspolitik, wie die Demonstranten sie geißeln, sind von der CSU an dem Tag aber nicht zu vernehmen. Auch Horst Seehofer zeigt sich auffällig unauffällig. Ja, regelrecht zahm.

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CSU-Chef Seehofer poltert öfter gegen die Bundeskanzlerin, doch mit der "Herrschaft des Unrechts" hat er sich verstiegen. Damit gefährdet er sogar das Profil seiner Partei.

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Ob Angela Merkel mit ihrer Politik jetzt gescheitert sei, wird der CSU-Chef gefragt. Und welche Frist er der Kanzlerin denn setze, bis es endlich zu Konsequenzen komme? "Jetzt warten wir mal den Gipfel ab in dieser Woche, dann ist der richtige Zeitpunkt, das zu bewerten", sagt Seehofer. Und noch mal: "Wir hoffen und wünschen, dass der Gipfel zu wirksamen Lösungen kommt."

Der Gipfel - das ist also der neue Fixpunkt in der CSU. Merkel soll in Ruhe gelassen werden, damit sie am Donnerstag und Freitag in Brüssel unbehelligt eine europäische Lösung in der Flüchtlingsfrage herbeiführen kann. Dass an diese Lösung kaum einer in der CSU glaubt, spielt am Montag keine Rolle. Selbst Fraktionschef Thomas Kreuzer, einer der größten Hardliner in der Flüchtlingspolitik, zeigt sich gemäßigt. Er wünsche Merkel "alles Gute". Und auch Generalsekretär Andreas Scheuer gibt sich brav: Wenn es in Europa weiterhin eine "Koalition der Wegschauenden" gebe, müsse es bald zu nationalen Lösungen kommen. Aber wie soll diese aussehen? Und warum so moderat? "Unsere Grundposition bleibt", sagt Scheuer nur.

Auch hinter verschlossenen Türen hält sich Seehofer zurück. Er habe der Kanzlerin Erfolg für Brüssel gewünscht, berichten Sitzungsteilnehmer hinterher. Eine lange Grundsatzerklärung habe der Parteichef gehalten, keine Angriffe auf Merkel, wenig Neues. Sehr aus der Defensive habe er gesprochen, sagen Vorstandsmitglieder. Das gilt auch für ein Thema, das Seehofer nachhaltig beschäftigt: die Russlandreise. Der Ministerpräsident fühlt sich offenbar derart falsch interpretiert, dass er auch zehn Tage nach seiner Rückkehr aus Moskau zu einer längeren Erklärung ansetzt.

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Nach heftiger Kritik an seiner These von der "Herrschaft des Unrechts" klingt der CSU-Chef nun etwas zahmer. Ob er vor das Bundesverfassungsgericht zieht, lässt er offen.

In dieser aufgewühlten Welt gebe es zum Dialog nun mal keine Alternative, sagt Seehofer fast schon in Merkelscher Diktion. "Wir haben es nicht mit dem Kalten Krieg zu tun, sondern die Situation ist wesentlich komplizierter." Dass er vielleicht unglückliche Worte wählte, dass er den russischen Präsidenten Wladimir Putin, der mit seiner Syrien-Politik selbst als eine der Fluchtursachen zu bezeichnen ist, nur unnötig aufgewertet habe, weist Seehofer zurück.

Zur Klarstellung: "Bombardements auf Zivilisten sind völlig inakzeptabel, daran gibt es überhaupt keinen Zweifel." Zum Zeitpunkt der Gespräche mit Putin habe er von diesen Dingen nichts gewusst. Am Wochenende habe er ein langes Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko geführt, "sehr beeindruckend", betont Seehofer. In Kürze will er auch die Ukraine besuchen. "Ich spreche mit allen Seiten, man muss immer alle Argumente kennen. Und zwar aus berufenem Munde." Sogar eigene Parteimitglieder werten das allerdings als Versuch, sich nachträglich für eine missglückte Auslandsreise zu rechtfertigen.

Seehofer, der Missverstandene, hat es nicht leicht am Montag - und viel zu erklären. Sein Zitat von der "Herrschaft des Unrechts" in Deutschland sei umgebogen worden in einer Weise, wie er es weder gesagt noch gemeint habe. Die bislang ausstehende Antwort der Kanzlerin wiederum, die aus Bayern eine Klagedrohung vor dem Verfassungsgericht erhalten hat, liefert in München keinen Grund zur Besorgnis. Er laufe jetzt nicht jeden Tag an den Briefkasten der Staatskanzlei, um den Brief herauszufischen, sagt Seehofer. Und überhaupt: "Nur den persönlichen Konflikt in der Sache zu befördern, das ist nicht unsere Politik." Die Kanzlerin und er, "wir machen das schon". Das klingt fast wie ein "Wir-schaffen-das-schon". Aber das wäre wohl sogar an diesem friedlichen Montag zu viel des Guten gewesen.

© SZ vom 16.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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