CSU-Vorstandsklausur in Andechs:Seehofer im Amigo-Stress

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Seehofer reagiert vor den Kameras in Andechs, wie oft in schwierigen Situationen, mit einem Scherz: "Ich muss jetzt zum Abt gehen und erst einmal beichten." Die Antwort folgt prompt: "Das könnte länger dauern." (Foto: dpa)

Chaostage bei der CSU: Ursprünglich wollte der Parteivorstand in Kloster Andechs das Wahlprogramm absegnen, doch die Christsozialen können die Affären ihrer Abgeordneten und den Steuersünder Hoeneß nicht abschütteln. Auch die nächste Woche wird ihnen wenig Freude bereiten.

Von Mike Szymanski

Der Heilige Berg. Wenn ein Ort Erlösung verspricht, dann dieser: Kloster Andechs. Schöner als die Landschaft von hier oben aus betrachtet, kann sie die CSU auch in ihren Broschüren nicht malen. Andechs ist echtes Bayern, nicht CSU-Bayern. Deshalb findet Horst Seehofer an diesem Wochenende hier keine Erlösung.

Die grauhaarige Frau, die den Seehofer-Tross bei der Vorstandsklausur an sich vorbeiziehen sieht, sagt: "Ich wollte ihn fragen, ob er mich anstellt." Die CSU muss ein toller Arbeitgeber sein, so gut wie die Abgeordneten ihre Ehefrauen bezahlen.

Ein Mann fragt wartende Journalisten, ob Georg Schmid auch hinter den Klostermauern mitrede. Als Abgeordneter hatte Schmid seiner Frau 5500 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer für Schreibdienste überwiesen, weshalb er seit Donnerstag nicht mehr Chef der Fraktion und mittlerweile von einer "Abgeordneten-Affäre" die Rede ist. Wenn ja, sagte der Mann, möge man Schmid doch zu ihm hinaus in den Biergarten schicken, wo er unschöne Sachen mit ihm anstellen wolle.

Eine Touristengruppe will vom CSU-Chef wissen, warum er schon so lange wusste, dass der FC Bayern-Präsident Uli Hoeneß Ärger mit den Steuerfahndern hat. Und im Hintergrund krakelt einer: "Gustl Mollath!".

Er ist, als ob der Herrgott Seehofer in Andechs vor besonders große Prüfungen stellt. Der Parteichef reagiert, wie oft in solchen Momenten, mit einem Scherz: "Ich muss jetzt zum Abt gehen und erst einmal beichten." Der Abt, der neben ihm steht, sagt: "Das könnte länger dauern." Mit einer Beichte ist es aber nicht getan.

Die CSU hat ein"ernsthaftes Problem" wie Seehofer einräumt. Sie steht wieder unter Amigo-Verdacht. Der Steuerfall Hoeneß, dessen Nähe die CSU immer suchte. Die Ehefrauen-Jobs bei CSU-Abgeordneten, die seit Jahren schon personell unterversorgte Steuerverwaltung - all dies lässt Erinnerungen wach werden an eine CSU, die doch längst der Vergangenheit angehören sollte. Der Koalitionspartner FDP quält die CSU: "Die Leute erkennen, dass das CSU-Filz ist. Den haben sie satt", sagt FDP-Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch dem Focus. Und: Zu einer absoluten Mehrheit für die CSU werde es im Herbst nicht mehr kommen.

Das Gefühl, die alte CSU wäre zurück, wäre pures Gift für die Partei. So kommt es, dass sich Seehofer nach der Klausur vor das Mikrofon stellt und sagt: "Wir haben in Bayern kein Amigo-System." Und dem "lieben Wolfgang Heubisch" richtet er aus, dass das kein Stil sei, der CSU Filz vorzuwerfen. Verspielt die CSU auf den letzten Metern den Sieg im Herbst? Die von der CSU zur Klausur bestellte Umfrage sieht die Partei bei 48 Prozent. "Der Vorstand ist durchblutet und beseelt vom Willen des Erfolges", sagt Seehofer.

Beseelt? Durchblutet? Bluthochdruck vielleicht, sonst spürt man nichts. Besonders wenn man mit den Abgeordneten spricht, die Ehefrauen beschäftigt und aus der Staatskasse bezahlt haben. Die Debatte kommt nicht zur Ruhe. Schmids Nachfolgerin an der Fraktionsspitze, Christa Stewens, kennt mit ihren 67 Jahren die Partei lange. Sie sagt: "Der Imageschaden ist im Moment sehr groß für die CSU in Bayern."

Seehofer hat Stewens beauftragt, die Abgeordneten-Affäre abzuräumen. Alle 17 Fälle, in denen 2012 CSU-Politiker Familienangehörige beschäftigt hat, will sie sich vornehmen. Vor allem der Druck auf Georg Winter, den Chef des Haushaltsausschusses, wächst. Er hat seine 13 und 14 Jahre alten Söhne für sich arbeiten lassen. Kurz bevor der Landtag im Jahr 2000 untersagte, neue Verträge mit Familienangehörigen abzuschließen, hat er sie noch schnell angestellt.

Winter fehlt mittlerweile jeder Rückhalt in der Fraktion. "Ich werde mit allen Betroffenen reden", sagt Stewens. "Die Sache muss vom Tisch." Bei der Gelegenheit will sie auch gleich die Auskunftspflicht zu Nebeneinkünfte der Abgeordneten neu regeln. Die CSU hatte dies kürzlich noch auf die nächste Legislatur verschoben. Aber Stewens sagt nun: "Wir müssen handeln."

Plötzlich geht, was bis vor kurzem in der CSU für unmöglich gehalten wurde. Finanzminister Markus Söder erklärt in Andechs, Bayern werde sich wieder am Ankauf von Steuer-CDs beteiligen, was er bisher eher für unanständig gehalten hatte. Die Steuerverwaltung bekommt neue Spezialisten. Seehofer zeigt sich offen, die Strafbefreiung bei Selbstanzeigen wegen Steuerhinterziehung auf Bagatellfälle zu beschränken. Die CSU tut alles, um das Amigo-Image schnell wieder abzustreifen.

Derweil geht Seehofer davon aus, dass die nächsten Umfragen nicht mehr so gut ausfallen. Er erwartet eine Delle. Die Landtagswahl sieht er noch nicht in Gefahr.

Hinter den Klostermauern wird der Entwurf für das Wahlprogramm heftig diskutiert. Ein Problem sind die Positionen zur Steuerpolitik. Passen sie noch in die Zeit, in der alle über Steuergerechtigkeit diskutieren? Söder hatte sich vor dem Fall Hoeneß einen richtigen Wahlkampfschlager ausgedacht: Den "Bayerntarif" im Steuerrecht.

Bayern verlangt vom Bund mehr Zuständigkeiten. Die Erbschaftssteuer soll regionalisiert werden, dann würde der Freistaat sie gleich mal halbieren. Bei der Einkommensteuer würde die CSU den Bayern am liebsten einen prozentualen "Fleiß-Bonus" einräumen und Ausfälle von mindestens einer Milliarde Euro übernehmen. Weil man es sich das ja leisten kann. Bayern würde dadurch zu einer Art Steuerparadies. Bitte kein "Bayern für Reiche" warnen die ersten Strategen. Fraktionschefin Stewens sagt: "Auch an diese Frage müssen wir mit der notwendigen politischen Sensibilität herangehen."

Politische Sensibilität - Seehofer mag sich danach sehnen: Schmid rausgeschmissen, Positionen aufgegeben, Image angekratzt. Es war eine Woche der radikalen Entscheidungen. Eine, die ihm wenig Freude bereitet hat, wie er sagt und eine, in der er sich wenig Freunde gemacht habe. Als er den Heiligen Berg verlässt, weiß er, dass die nächste Woche auch nicht wesentlich besser werden dürfte.

© SZ vom 29.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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