CSU und das Web 2.0:Big Brother, Nachname Dobrindt

Die CSU hatte sich im Internet bisher nicht viel zugetraut und sich immer wieder mal blamiert. Doch jetzt hat die Partei das Netz für sich entdeckt - und Generalsekretär Alexander Dobrindt will es beherrschen. Ein Besuch in seiner "Einsatzzentrale".

Mike Szymanski

Es ist kein guter Tag für Sozialministerin Christine Haderthauer. Man muss es wohl noch drastischer formulieren: Die CSU-Politikerin existiert im Internet im Moment so gut wie gar nicht. Auf dem Monitor taucht hinter ihrem Namen nur ein kurzer Balken auf. Da hat sich Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) schon besser angestellt. Er hat den Satz "Steuersenkungen sind notwendig" fallen lassen - gerade als in Berlin die neue Steuerdiskussion beginnt.

CSU und das Web 2.0: Die CSU setzt auf das Web 2.0 - und hat dafür eine 14-köpfige Mannschaft engagiert.

Die CSU setzt auf das Web 2.0 - und hat dafür eine 14-köpfige Mannschaft engagiert.

(Foto: AP)

Jetzt wird er damit häufig im Internet zitiert, und das lässt seinen Balken wachsen.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, 41, schaut zufrieden auf die Statistik. Das neue Computerprogramm, das er angeschafft hat, erlaubt ihm, Big Brother zu spielen, überwachen zu können, wie seine Parteifreunde wirken. Das gefällt ihm. Und das beflügelt seine Phantasie. Er könnte ja Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt in Berlin anrufen, überlegt er, sie auffordern, bitte schön auch was zu Steuersenkungen zu sagen. Es würde nicht lange dauern, man würde auf diesem Monitor auch für sie einen Balken wachsen sehen.

Dobrindt steht im Raum 317 im zweiten Stock des CSU-Hauptquartiers in München. Hier hat er sein neues Hightech-Spielzeug aufbauen lassen, einen Newsroom. Sieben Computerarbeitsplätze und ringsherum hängen große Monitore an den Wänden. Der Nachrichtensender n-tv läuft, der Internetdienst Twitter zwitschert, Nachrichtenagenturen berichten, und jede noch so belanglose "Gefällt mir"-Bekundung auf den Facebook-Seiten von CSU-Chef Horst Seehofer wird registriert. Die große weite Welt in einem Zimmer mit Teppich. Und mittendrin Dobrindt. "Einsatzzentrale" nennt er diesen Raum. "Internet-War-Room" spotten andere im Hauptquartier, die ein bisschen unheimlich finden, was in der CSU gerade passiert. Die Partei hat das Internet für sich entdeckt. Aber damit gibt sie sich nicht zufrieden. Sie versucht auch gleich noch, es zu beherrschen.

Von Generalsekretär Dobrindt erzählt man sich, seitdem er ein iPad besitze, liege für ihn die Zukunft nur noch im Internet. Er lässt sich jedenfalls morgens nicht mehr nur einen Pressespiegel mit Zeitungsausschnitten vorlegen, sondern gleich noch einen Netzbericht, welche Themen gerade im Internet heiß diskutiert werden. Auch eine neue Abteilung hat er in der Landesleitung installiert: "Politik 2.0" heißt sie. 14 Leute, Techniker, Journalisten, Internet-Netzwerker. Sie sollen sich darum kümmern, dass die CSU im Internet mit mehr als nur einer Homepage präsent ist. Und sie sollen im Newsroom Dienst schieben. 14 Leute, selbst für eine große Partei wie die CSU ist das eine gewaltige Mannschaft. Für Dobrindt ist das alles kein Spiel mehr: "Die kommenden Wahlen werden auch im Internet entschieden", sagt er. Wenn Seehofer heute eine Pressekonferenz gibt, weiß Dobrindt dank seiner neuen Technik kurz danach schon, welche Sätze des Chefs die Debatte im Netz prägen. Und Dobrindt kann nachsteuern, erklären, Interviews ausmachen.

Zumindest ist man sich bei den großen Parteien einig, dass man es sich nicht mehr erlauben kann, das Internet zu vernachlässigen. SPD und Grüne sind seit längerem experimentierfreudig. Aber auch CDU und FDP haben erkannt, dass sie Akteure im sogenannten Mitmachnetz Web 2.0 werden müssen. Das heißt: in sozialen Netzwerken wie Facebook Beziehungen aufbauen. "Dies hat das Potential, bei Wahlen das Zünglein an der Waage zu sein", sagt ein CDU-Sprecher. Die FDP etwa freut sich über eine Internet-Fangemeinde von 50.000 Mitgliedern.

Die CSU hatte sich im Netz bisher nicht viel zugetraut

Die CSU hatte sich im Internet bisher nicht viel zugetraut. Markus Söder beantwortete als Generalsekretär mal Videobotschaften von einem weiß-blauen Sofa aus. Aber das elektrisierte das Netz nicht. Jetzt versucht sich Dobrindt. Die Internetjünger verblüffte er neulich mit einer Einladung zu einem Netz-Kongress und Positionspapieren, in denen die CSU nun nicht mehr für das Sperren von Internetseiten ist. CSU-Chef Seehofer nannte bei der Gelegenheit das Internet einen "Segen" und beantwortete Fragen im Video-Kanal YouTube - wenn auch vorher ausgewählte, weil er der Freiheit im Netz dann doch nicht ganz traut.

CSU-Vorstandssitzung

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hat sich viel vorgenommen: Er will das Netz beherrschen.

(Foto: dpa)

Der Online-Studie von ARD und ZDF zufolge sind etwa 76 Prozent der deutschen Internetnutzer täglich im Netz. "Damit ist die Reichweite des Internets inzwischen fast vergleichbar mit der des Fernsehens", schreiben die Autoren. Und wer käme schon als Politiker auf die Idee, das Fernsehen zu vernachlässigen?

Christoph Bieber, Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen, der sich mit politischer Kommunikation im Internet beschäftigt, spricht von einer "nachholenden Modernisierung" in der CSU. "Das Internet geht nicht wieder weg. Von diesem Gedanken muss man sich verabschieden", sagt der 40-Jährige. "Wenn Wahlen gewonnen werden, dann mit immer knapperen Mehrheiten. Da kann es ausschlaggebend sein, ob Parteien Zielgruppen im Internet mit ihren Inhalten erreichen." Nur wie? Das ist das Problem. "Es gibt keine Gebrauchsanweisung. Das muss man alles selbst herausfinden", sagt Bieber.

CSU-General Dobrindt experimentiert nun. Mitte Januar ließ er einen Spot über die Grünen auf der CSU-Seite online stellen. Ein Strichmännchen im Wald, anfangs lächelnd, dann wird es böse und greift zur Steinschleuder. Dazu der Text: "Ein Männlein steht im Walde ...ganz grün und dumm". Eine Provokation, im Internet verbreitete sich das Video wie ein Virus. Mehr als 600.000 Mal wurde der Spot angeklickt, sagt Dobrindt. Nicht zuletzt, weil sich Politiker in Zeitungen und im Rundfunk darüber beschwerten und so neugierig auf den Spot machten. Dobrindt preist den Film als eines der erfolgreichsten Politikvideos im Netz. Was die reinen Klickzahlen angeht, mag das so sein. Dass der Spot bei den Stammwählern schlecht ankam, weil die CSU so rüpelhaft daherkommt, ist Dobrindt egal. Den Flurschaden nimmt er in Kauf.

Das Grünen-Video war nur eines von mehreren, mit denen Dobrindt ausprobieren wollte, wann ein Film zum Renner wird. Knapp zwei Wochen zuvor hatte er es mit einem Werbespot für den politischen Aschermittwoch probiert. Anhand der Geräuschkulisse sollten die Zuschauer raten, bei welcher Parteiveranstaltung sie sich wohl befinden - bei Grünen, SPD oder CSU. Die Idee war eher schlicht: tolle Stimmung, klar, die gibt es nur bei der CSU. Doch der Spot generierte nur ein paar hundert Klicks. Ein Flop.

Jetzt blickt sich Dobrindt um, in seinem neuen Newsroom. Bei all den Informationen hier könnte einem schwindelig werden. Dobrindt nicht. Im Gegenteil. Er wartet nur darauf, dass draußen in der Welt richtig was los ist. Und er hier drinnen dann die Strippen ziehen kann. So zumindest stellt er sich das vor.

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