CSU-Staatssekretär Bernd Sibler:Unmoralisch, aber nicht tragisch

Bernd Silbler

Zuverlässig sei der Herr Abgeordnete, überall präsent, ein unheimlicher Arbeiter - Bernd Sibler trifft in Plattling auf die Bürger.

(Foto: Armin Weigel)

Während Georg Schmid bei Horst Seehofer und der Partei in Ungnade gefallen ist, warten auf CSU-Staatssekretär Bernd Sibler in seinem Stimmkreis lauter Händeschüttler. Die Anstellung seiner Ehefrau? Nicht weiter schlimm, finden die Leute.

Von Wolfgang Wittl

Horst Seehofer ist ausgesprochen gut drauf, so viel lässt sich nach wenigen Sätzen feststellen. "Was für eine Woche", ruft der Ministerpräsident: "Vorgestern mit Helmut Kohl in Hof, gestern 200 Jahre Richard Wagner in Bayreuth - und heute hier in Wischlburg."

Loh-Wischlburg, Kreis Deggendorf, tiefes Niederbayern. Die Freiwillige Feuerwehr feiert ihr 120. Gründungsfest, Bernd Sibler, der örtliche Landtagsabgeordnete, gibt den Schirmherrn. Sibler steht seit Wochen in der Kritik. Der Kultusstaatssekretär ist eines von sechs Kabinettsmitgliedern der CSU, die Familienmitglieder auf Staatskosten beschäftigt hatten.

Sibler läuft nervös umher. Bevor der Ministerpräsident eintrifft, notiert er auf seinem Begrüßungszettel noch schnell die Namen der Honoratioren. Nur keinen vergessen, nur keinen Fehler mehr machen.

Tags zuvor hat Seehofer ihm sowie Landwirtschaftsminister Helmut Brunner und Innenstaatssekretär Gerhard Eck das Vertrauen ausgesprochen. Alle drei hatten ihre Frauen im Jahr 2000 noch angestellt, ehe eine Gesetzesänderung diese Praxis zum 1. Dezember untersagte. Am Dienstag will Landtagspräsidentin Barbara Stamm die Namen von weiteren 31 Abgeordneten nennen, die ähnlich verfuhren. Nur die Fälle von Brunner, Sibler und Eck sind bisher bekannt, sie hätten die Umstände plausibel erläutert, sagt Seehofer. Sibler etwa erklärte, dass er erst im Mai 2000 geheiratet habe und seine Frau bereits vorher bei ihm angestellt gewesen sei.

Doch bei Seehofer weiß man ja nie. Wie also wird der CSU-Chef gleich im persönlichen Aufeinandertreffen reagieren?

Abzocke oder "schon in Ordnung"?

Als Seehofer vor Kurzem dem geschassten CSU-Fraktionschef Georg Schmid begegnete, beließ er es bei einem knappen Händedruck. Schmid und Sibler - das seien Welten, sagen die Leute im Bierzelt. Der eine sei "ein Abzocker", "ein Schummler". Schmid, der seiner Ehefrau jahrelang bis zu 5500 Euro im Monat bezahlte, habe seine Meinung über manche Politiker leider bestätigt, sagt ein Mann. Aber Sibler? "Das war im vernünftigen Rahmen, nicht weiter schlimm." Man müsse jeden Fall einzeln betrachten. Ein paar Hundert Euro für Büroarbeiten, "das war schon in Ordnung", sagt der Mann.

Alle reden so an diesem Bierzeltabend. Wie repräsentativ diese Meinung ist an einem Ort, an dem die Fahnenmutter dem Ministerpräsidenten "Gesundheit, Gottes Segen und die absolute Mehrheit" wünscht, bleibt zu hinterfragen. Auf den Tischen liegen Bierdeckel mit CSU-Logo, Sibler verweist mit Flugzetteln auf seine Errungenschaften für den Stimmkreis. Es ist eine Parteiveranstaltung, ein Heimspiel. Die Personen, die Sibler für integer und wählbar halten, versichern indes, sie hätten mit der CSU nichts zu tun.

Tags zuvor, ein Sportplatz in Plattling, Siblers Heimatstadt. Die Plattlinger Kickers spielen hier in der A-Klasse, jetzt eröffnet die Leichtathletikabteilung des TSV ihre Sportabzeichen-Saison. Lausiges Wetter, keine zehn Grad. Etwa drei Dutzend Menschen sind gekommen, natürlich auch Sibler. Dass hier in ein paar Wochen die Bayerischen Leichtathletik-Meisterschaften stattfinden, ist auch sein Verdienst. Der TSV feiert sein 150. Jubiläum, Sibler ist wieder mal Schirmherr.

Sibler: "Es war schlicht eine Falscheinschätzung"

Walter Hahn, der AH-Abteilungsleiter, bezeichnet sich als Wechselwähler. Doch auf Sibler lässt er nichts kommen. Zuverlässig sei der, überall präsent, ein unheimlicher Arbeiter. "Ich muss ihn bewundern, wie der das schafft." Sicher, die Beschäftigung der Ehefrau sei moralisch und ethisch ein Fehler gewesen, "aber ich sehe das nicht so schlimm", sagt Hahn. Schließlich handle es sich um geringe Beträge, und Sibler habe sofort alle Karten auf den Tisch gelegt. Auch Kurt Choc, der schon 25-mal das Sportabzeichen abgelegt hat, findet "alles nicht so tragisch".

Wenn Bernd Sibler solche Sätze hört, kann er wieder lächeln. Anfang Mai, als er die Beschäftigung seiner Mutter und Ehefrau einräumen musste, lächelte er selten. Bevor er seine Stellungnahme in dieser Causa verschickte, warnte er persönliche Freunde, dass auf ihn "etwas zukomme". Dass die Beschäftigung zwar legal, aber wohl nicht legitim war, wurde ihm erst bewusst, als er 2007 ins Kabinett einzog. Sibler beendete die Verträge. "Im Nachhinein prüft man sich, ob's das alles gebraucht hat", sagt er heute: "Es war schlicht eine Falscheinschätzung."

Mit 42 Jahren zählt Sibler zu den Nachwuchskräften in der CSU. Vielleicht wäre seine Karriere jetzt zu Ende, wäre er ein Einzelfall. Vielleicht hat ihn nur die Summe der Verfehlungen in der CSU gerettet. Welcher Ministerpräsident entlässt schon sechs Kabinettsmitglieder - und das vier Monate vor einer Wahl, die er selbst zur "Mutter aller Schlachten" ausgerufen hat?

Die Niederbayern im Kabinett hat es besonders hart getroffen. Landwirtschaftsminister Brunner aus Regen tritt bei der Wahl als Listenführer an, Sibler steht auf Platz vier. Niederbayerischen CSU-Politikern wird gemeinhin großes Selbstbewusstsein nachgesagt, nicht minder groß ist nun ihre Bereitschaft zu einem erstaunlichen Maß an Selbstzerknirschtheit. Als Brunner seinem Kreisverband vor Tagen seinen Rückzug anbot, klagte er: Er leide wie mit 17 Jahren, als sein Vater gestorben war.

Immer nah dran sein

Sibler sagt, auch ein Leben als einfacher Abgeordneter würde ihn erfüllen. Allein bei den Vorbereitungen zum Feuerwehrfest war er dreimal zu Besuch, einer seiner Mitarbeiter ist mit nichts anderem beschäftigt, als Bürgern in seinem Wahlkreis Glückwunschkarten zu schreiben. Nah dran zu sein, gemocht zu werden, das ist Sibler wichtig. Der Vorwurf, der ihn am härtesten traf, lautete daher: "Von ihm hätte ich das nicht erwartet."

Die Menschen im Bierzelt und am Sportplatz sind jedoch der Ansicht, dass Sibler genug gebüßt hat. In den Ansprachen bleibt es bei Andeutungen, das Wort Familienbeschäftigung fällt kein einziges Mal. Sibler dankt für den Zuspruch, den er zuletzt erfahren habe. Er erntet Applaus. Und sein Chef macht etwas, was er nicht tun müsste: "Aus Freundschaft zu Kultusstaatssekretär Bernd Sibler" sei er gerne hierher gekommen, ruft Seehofer von der Bühne, auf der am nächsten Tag der "Froschhaxn-Express" spielen wird.

Als es um Freibier für die Feier geht, rät er den Loh-Wischlburgern: "Fordert euren Schirmherrn nur heraus, der muss noch abgehärtet werden." Bernd Sibler lächelt tapfer mit, auch wenn er die Sache mit dem Abhärten vermutlich ganz anders sieht.

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