CSU:Söder und der Erlenzeisig

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Alles sah nach einem gelungenen PR-Auftritt von Umweltminister Söder aus. In Italien befreite er einen bayerischen Singvogel aus einem Käfig - von wegen. Das Tier kam gar nicht aus Bayern.

Christian Sebald

Was für ein Bild: Ernsten Blickes hält Umweltminister Markus Söder einen Käfig in die Höhe, das Gittertürchen steht weit offen. Aus ihm ist gerade ein kleiner grüngelber Vogel entwischt.

Der Fotograf hat genau den Moment festgehalten, in dem der Vogel mit schnellem Flügelschlag entschwebt. Über dem Foto prangt in großen Lettern: "Söder befreit bayerische Singvögel aus italienischen Käfigen." Und: "Sie waren am Gardasee gefangen worden und sollten in Gourmet-Restaurants verspeist werden."

Der Artikel beginnt einfühlsam: "Der Erlenzeisig blickt schüchtern auf die geöffnete Käfigtür". Dann schildert der Bild-Reporter Söders Kampf gegen den Vogelfang am italienischen Gardasee. Die Artenvielfalt in Bayern sei dadurch bedroht, sagte der Minister.

Im Umweltministerium haben sie arg geschmunzelt über den Bericht. "War doch der Erlenzeisig, den Söder da so medienwirksam frei gelassen hat, ein Grünfink", sagt ein prominenter Artenschützer, "das erkennt man auf dem Foto sehr klar." Dazu muss man wissen, dass Erlenzeisig und Grünfink für einen Laien zwar ähnlich aussehen, sind beide doch grün, gelb und grau gefiedert.

Aber sie sind auch sehr verschieden. So ist der Erlenzeisig ein Zugvogel, der sich im Herbst von Bayern gen Süden aufmacht. Der Grünfink ist ein Standvogel, der da bleibt, wo er ist, winters wie sommers.

"Der Grünfink, den Söder befreit hat, war kein Zugvogel und schon gar nicht aus Bayern", sagt der Artenschützer, "der war sein Leben lang am Gardasee. Aber was tut ein Politiker nicht alles für gute Schlagzeilen." Der Vogelschützer, der Söder begleitet hat, schwört indes: "Es war ein Erlenzeisig, den wir frei gelassen haben."

Wie auch immer: "Gute Schlagzeilen" von Söder würden sich Vogelfreunde auch für den Kormoran wünschen. Denn der wird auch gejagt, und zwar hier in Bayern. Der Kormoran oder Fischreiher ist bei manchen Fischern und Jägern regelrecht verhasst, weil er angeblich Seen, Flüsse und Teiche leer frisst.

"Unter ihrem Druck", so der Artenschützer, "hat die Staatsregierung den Schutz des Kormorans so aufgeweicht, dass er sogar in der Brutzeit und in Schutzgebieten gejagt werden darf."

© SZ vom 16.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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