CSU:Seehofers Lust am Missverständnis

Abschluss CSU-Parteitag

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) in München.

(Foto: dpa)

Der bayerische Ministerpräsident provoziert in der Flüchtlingsfrage mit Kalkül. Dabei ist Seehofer bewusst: Ein Bruch mit der CDU brächte für die CSU mehr Nachteile als Vorteile.

Von Wolfgang Wittl

Wer wie Horst Seehofer zu den rhetorischen Grenzgängern zählt, bewegt sich mit traumwandlerischer Sicherheit auch durch das Wortfeld "Grenze" und alle dazugehörigen verbalen Nebenpfade. Seehofer weiß genau um die feinen Unterschiede zwischen den Begriffen "Obergrenze" und "Begrenzung", und er weiß, wann er welches der beiden Wörter einzusetzen hat.

Allerdings braucht sich der CSU-Chef nicht zu wundern, dass es Menschen gibt, die nicht so sauber zu trennen vermögen wie er. Dann kommen eben solche Sachen zustande wie am Donnerstag, die das politische Deutschland für einen Moment gespannt aufhorchen ließen.

Seehofer hatte wieder eines seiner derzeit vielen Interviews gegeben, diesmal in der Augsburger Allgemeinen. Der Inhalt deckte sich mit dem, was er seit Wochen propagiert. Doch die ersten Schlagzeilen der Nachrichtenagenturen klangen völlig anders: "CSU: Keine Regierungsbeteiligung ohne Obergrenze". Oder: "Seehofer macht Flüchtlings-Obergrenze zu Bedingung für Mitregieren nach Wahl".

Sollte heißen: Die CSU wolle kein Bündnis mehr mit der CDU eingehen, sollten die Christdemokraten unter Kanzlerin Angela Merkel eine Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen weiter ablehnen. Diese Nachricht war wirklich neu - und ziemlich falsch. Tatsächlich sagte Seehofer, er garantiere den Wählern, "dass wir die Begrenzung durchsetzen. Wir werden nur dann in Berlin mitregieren, wenn das realisiert wird". Begrenzung also, nicht Obergrenze.

Die CSU hat in den vergangenen Monaten wenig ausgelassen, um die Schwesterpartei und deren Vorsitzende in der Flüchtlingsfrage auf ihren Kurs zu zwingen. Doch die Androhung eines Koalitionsbruchs kommt für sie nicht infrage, selbst Merkels härteste Kritiker wagen sich nicht an dieses Instrument. Der CSU ist bewusst: Ein Ende des Bündnisses mit der CDU brächte für sie mehr Nachteile als Vorteile. Sie wäre nicht mehr Teil der größten Bundestagsfraktion, sondern eine bedeutungslose Splittergruppe. Sie verlöre den Einfluss auf die CDU, den sie als Partnerin ausüben kann. Womöglich würde sogar "eine Lawine in Gang gesetzt", die nicht zu stoppen sei, wie manche befürchten. Am Ende stünde vielleicht der Einmarsch der CDU in Bayern, die Horrorvorstellung schlechthin für die CSU.

Am Donnerstag trafen Seehofer und Merkel zusammen. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, würde der CSU-Chef der Kanzlerin sagen, ein Interview von ihm sei missinterpretiert worden. Dabei gibt es durchaus genügend weiteren Konfliktstoff. Merkel und Seehofer sind gerade dabei, sich gegenseitig ihre Vorschläge für eine künftige Zuwanderungspolitik zu unterbreiten.

Wie weit sie voneinander noch entfernt sind, schilderte Seehofer diese Woche seiner Landtagsfraktion. Merkel wolle demnach jedes Jahr im Dezember einen "Statusbericht" zur Flüchtlingssituation vorlegen und jeweils situationsabhängig über das weitere Vorgehen entscheiden. Seehofer dagegen verlangt ein festes Regelwerk zur Zuwanderung und eine Garantie, dass es eingehalten werde.

Das entsprechende CSU-Papier will Seehofer ausgerechnet zum CDU-Parteitag Anfang Dezember präsentieren. Gut möglich, dass die beiden Schwesterparteien dann über ihre Schmerzgrenze diskutieren müssen.

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