CSU:Seehofer und Söder: Liebe auf Zeit

Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen

Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (l, CSU) und der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) sprechen am 04.12.2015 in München (Bayern) während einer Pressekonferenz über die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Foto: Sven Hoppe/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

(Foto: dpa)
  • Normalerweise ist der Ton zwischen Ministerpräsident Horst Seehofer und Finanzminister Markus Söder rau.
  • Seit Wochen haben die beiden größten Rivalen in der CSU kein schlechtes Wort mehr übereinander verloren.
  • Der Grund: Beide kämpfen derzeit gegen dieselben Probleme.

Von Wolfgang Wittl

Auch wenn manche Leute sich das nur schwer vorstellen können: Markus Söder weiß stets sehr genau, was er sagt. Er vermag präzise zu formulieren, kein Wort zu wenig, keines zu viel - zumindest nicht ungewollt. Wenn der Kopfmensch Söder also von sich aus ausführlicher antwortet als gebeten, ist besondere Aufmerksamkeit angebracht.

Ob der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber damit richtig liege, dass die Union die größte inhaltliche Auseinandersetzung ihrer Geschichte bestreite, wurde Söder gefragt. Antwort: "Seehofer und Stoiber haben natürlich recht." Nanu? Nicht nur sein Mentor Stoiber, sondern auch Horst Seehofer. Es gab Zeiten, da hätte Söder den Namen des Parteichefs nicht mal lobend erwähnt, wenn ihm das mit Strafandrohung befohlen worden wäre. Und nun das?

Seit Wochen haben die beiden größten Rivalen in der CSU kein schlechtes Wort mehr übereinander verloren. Keine Indiskretion, keine Schmutzelei, nicht die winzigste Stichelei. Selbst der Ministerpräsident bemüht sich um Harmonie, zum Beispiel Anfang Mai in der Staatskanzlei: Seehofer, Söder und die Spitzen der Fraktion beraten abends über den nächsten Doppelhaushalt, da stimmt Seehofer plötzlich ein Loblied auf seinen Finanzminister an.

Eine überragende Finanzpolitik praktiziere Söder, auch dank ihm stehe der Freistaat glänzend da. Die Anwesenden trauten ihren Ohren nicht. Selbst Söder sei ob der unverhofften Hymne rot angelaufen, berichten Teilnehmer, andere hätten vor Staunen den Mund gar nicht mehr zugebracht.

Im jüngsten Treffen des CSU-Vorstands wiederum war Söder an der Reihe: In trauter Eintracht mit Seehofer appellierte er an die Partei, man müsse im Streit mit der CDU Haltung zeigen und Geduld bewahren. Nur nicht nachgeben, lautete die Botschaft. Und vor allem: Seht her, wir beide stehen geschlossen zusammen. Am Mittwoch verteidigte er den CSU-Vorsitzenden gegen scharfe Angriffe des früheren CDU-Chefs Wolfgang Schäuble, der für den Unionsstreit ausschließlich Seehofer verantwortlich machte.

Verwirrung und Skepsis

Und tags zuvor rief Söder bei einer Bierzeltrede sogar zur Koalition mit dem Bürger auf, ganz wie Seehofer.

Die Partei ist mit dieser unerwarteten Demonstration von Einigkeit fast schon überfordert: Sie schwankt zwischen Verwirrung, Skepsis und Euphorie. Begeistert sind vor allem jene, die sich einen geordneten Übergang von Seehofer auf Söder wünschen. Sie träumen bereits von einer Krönungsmesse, in welcher der alte dem neuen Anführer feierlich die Krone überreicht. Doch sie könnten aus ihrem Traum schneller erwachen als erhofft.

Seehofer und Söder haben dasselbe Interesse

In der Politik, so besagt es ein alter Leitspruch, gibt es keine dauerhaften Freunde und Feinde, sondern nur dauerhafte Interessen. Die Interessen von Seehofer und Söder sind im Moment nahezu deckungsgleich. Beide haben das Gefühl, dass ihre Partei auf eine dramatische Lage zusteuert - gefangen zwischen CDU und AfD. Einerseits prallt die CSU in Berlin immer wieder an der größeren Schwesterpartei ab, die von den Bayern nur noch genervt ist. Andererseits spürt die CSU die AfD in ihrem Nacken. Falls die sich im Bund etabliert, könnte die CSU ihren überregionalen Anspruch als konservative Speerspitze schnell verlieren.

Und daran ist weder dem derzeitigen Parteichef Seehofer gelegen noch Söder, der ihm gerne nachfolgen würde. In ihrem Ziel vereint, die CSU zu stärken und Druck auf die CDU zu machen, lassen sie ihr Zerwürfnis deshalb ruhen. Stattdessen haben sie in Kanzlerin Angela Merkel ein gemeinsames Feindbild auserkoren - assistiert vom Ehrenvorsitzenden Stoiber.

Auch persönlich profitieren die beiden von der derzeitigen Allianz: Für Seehofer ist es bei seinen kräftezehrenden Auseinandersetzungen in Berlin wichtig, dass er in der eigenen Partei Ruhe hat. Dass der medienpräsente Söder ihn sogar aktiv unterstützt, dürfte dem CSU-Chef gefallen. Söder sei in der Lage, komplexe Sachverhalte strategisch zu durchdringen, heißt es auf einmal anerkennend in Seehofers Lager.

Söders Nutzen besteht darin, dass er sich als Art Co-Vorsitzender profilieren kann. Als er vor Monaten noch Zäune bauen und die Griechen aus der EU ausschließen lassen wollte, bekam er von Seehofer regelmäßig eins auf den Deckel. Nun wird er dafür gelobt, den richtigen Ton zu treffen und der CSU Orientierung zu geben. Und wenn er sich unaufgefordert in eine Reihe mit Stoiber und Seehofer stellt, dem Ex- und dem Ist-Vorsitzenden: Welche Rolle in dieser Kontinuitätslinie denkt der Finanzminister sich dann wohl selbst zu?

Ein feines Gespür für Befindlichkeiten

Wie Seehofer hat auch Söder ein feines Gespür für die Stimmung in der Partei. Nicht zuletzt die Basisdialoge haben gezeigt, dass Seehofer derzeit großen Rückhalt genießt, die Nachfolge soll nicht im Konflikt geregelt werden. Die Mitglieder schätzen es nicht, wenn sich ihr Spitzenpersonal fetzt. Attacken auf Merkel hingegen sind in der CSU mehr denn je als der kleinste gemeinsame Nenner vermittelbar. Die Wucht der Angriffe lässt in der Partei sogar die Idee keimen, sie wären untereinander abgestimmt. Vor Monaten wäre allein der Gedanke daran absurd gewesen.

So nahe wie nie stünden sich Seehofer und Söder im Moment, darin sind sich Parteikenner einig. Sie fragen sich nur, welche Haltbarkeit diese Interessensgemeinschaft auszeichnet. Je länger sie besteht, desto größer seien die Chancen, die Grundlage für einen geregelten Übergang zu legen. Andere dagegen schließen ein dauerhaftes Bündnis kategorisch aus. Sollte einer von beiden sein Ziel erreicht haben, werde die alte Rivalität sofort wieder aufflammen. Der temporäre Gleichklang werde dann so rasch beendet sein wie er begonnen habe, denn: "Freundschaft unter Wölfen gibt es nicht."

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