CSU-Politikerin Dorothee Bär:Die Statistin

"Die einzig normale Familie sind nur noch die Simpsons": Mit Vize-Generalsekretärin Dorothee Bär wollte die CSU weiblicher werden. Ihre Rolle zeigt jedoch den Frauen eher die Grenzen auf.

Mike Szymanski

Es ist schade, dass nur so wenige Menschen im Vereinsheim in Pullach bei München zu hören bekommen, was die CSU-Familienpolitikerin und Vize-Generalsekretärin Dorothee Bär zu sagen hat. Knapp 30 Leute sind gekommen, fast nur Rentner. "Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist gar nicht mehr das ganz große Problem, sondern die Vereinbarkeit von Karriere und Familie", doziert Bär.

Politischer Aschermittwoch - CSU

Bei Wahlen kommt sie schlecht bei jungen und gut ausgebildeten Frauen an: Dorothee Bär.

(Foto: dpa)

Und sie sagt: "Die einzig normale Familie sind nur noch die Simpsons." Sie meint die Zeichentrick-Gelbköpfe aus dem Fernsehen, bei denen hat die Mutter kein schlechtes Gewissen, einfach nur Hausfrau und Mutter zu sein.

Dorothee Bärs Vortrag ist deshalb bemerkenswert, weil sie sehr viel über sich selbst erzählt. Die Geschichte von Dorothee Bär ist eine über Frauenförderung à la CSU. Es geht darum, wie weit man als junge Frau mit Familie in dieser Partei tatsächlich kommt.

Bär ist 32 Jahre alt und selbst Mutter einer Tochter, die gerade vier geworden ist. Die Mutter Bär ist also auch eine jener Frauen, die die Politikerin Bär ermuntert, ruhig mal daheim zu bleiben, Beruf Beruf sein zu lassen und sich um die Kinder zu kümmern. Bärs Problem ist nur, dass ihre Partei, die CSU, von ihren Frauen in Führungspositionen erwartet, sich für die Partei aufzuopfern und daheim alles stehen und liegen zu lassen.

Nur 18 Prozent der CSU-Mitglieder sind Frauen. Die CSU ist die männlichste aller Parteien in Deutschland. Bei Wahlen kommt sie schlecht bei jungen und gut ausgebildeten Frauen an - sie finden sich in ihr nicht wieder. Als CSU-Chef Horst Seehofer vor anderthalb Jahren Bär zur Vize-Generalsekretärin ernannte, hatte er einen Plan: Bär sollte die CSU weiblicher machen.

Auf ihrem allerersten Parteitag in dieser neuen Funktion in Nürnberg gönnte Seehofer ihr aber nicht einmal diesen einen kümmerlichen Satz: "Der Parteitag ist hiermit eröffnet." Sie durfte nur neben Seehofer stehen und eine gute Figur machen. Bei der Landesversammlung der Jungen Union in München neulich hielt Generalsekretär Alexander Do- brindt die Rede, und Bär stand mit dem neuen Spielzeug von Apple, dem iPad, im Foyer. Bär ist für das Internet zuständig. Sie soll eine Netzpolitik entwerfen.

Die männlichste aller Parteien

Solche Aufträge verteilt man gerne in der CSU, wenn jemand sonst nicht stören soll. Dobrindt hat ihre Stellenbeschreibung festgelegt: Für ihn steht der Generalsekretär zum Stellvertreter wie ein Minister zu seinem Staatssekretär. In Bayern sind die Staatssekretäre die Grüß-Gott-Onkel ihrer Minister. Alexander Dobrindt will keine starke Frau an seiner Seite.

Er lässt Bär allenfalls in der Familienpolitik zu Wort kommen. "Wir sind keine siamesischen Zwillinge", sagte er nach ein paar gemeinsamen Auftritten, bevor er sich an die Spitze absetzte.

Als es zum großen Streit in der Gesundheitspolitik kam, war es Dobrindt, der das Wort "Gurkentruppe" für den Koalitionspartner FDP in die Welt setzte. Dabei hatte Bär kurz zuvor eigentlich alles gesagt, was es der FDP auszurichten gab. Es sei eine "Ungeheuerlichkeit", die CSU mit einer Wildsau zu vergleichen. Dorothee Bär ist nie wirklich auf dem Posten der Vize-Generalsekretärin angekommen. Sie ist die Bundestagsabgeordnete aus Ebelsbach in Unterfranken geblieben, Schwerpunkt Familienpolitik. Eine, die abends nicht mal ein Vereinsheim in Pullach voll bekommt.

Im Parteivorstand überlegen manche still vor sich hin, ob man den Posten einsparen könnte. "Gerissen hat sie bisher nichts", lästert einer. Ein anderer sagt: "Sie hat sich von Dobrindt wegschieben lassen." So denken die Männer. Man kann es aber auch anders sehen: Die Partei hat sie kaltgestellt. In der CSU wird man als Frau nur wahrgenommen, wenn man sich ihr bedingungslos hingibt.

Barbara Stamm zum Beispiel, 65. Ein Leben lang hat sie sich für die CSU aufgeopfert, abends auf Veranstaltungen ist sie oft die Letzte, und dann legt sie noch Nachtschichten am Schreibtisch ein. Und trotzdem musste sie 2008 noch darum kämpfen, erste Präsidentin des Landtags werden zu dürfen - Parteifreunde hatten durchgestochen, dass sie wegen Brustkrebs behandelt werden müsse und deshalb womöglich zu krank für diese Aufgabe sei.

Justizministerin Beate Merk hat Zeit, auf Gala-Abende zu gehen und auch am Wochenende für ihre Konzepte zu werben. Zu Hause warten keine Kinder. Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner muss nicht auf Kinder Rücksicht nehmen, wenn sie Politik macht. Sozialministerin Christine Haderthauer startete in der Partei erst richtig durch, als ihre Kinder schon groß waren.

Gestörtes Verhältnis zu den Frauen

Die CSU hat ein gestörtes Verhältnis zu ihren Frauen. Nach außen propagiert sie gerne die heile Familienwelt. Deshalb durfte die kinderlose Merk nicht Familienministerin werden, was sie wollte. Und zudem schaffen es meist nur Kinderlose ganz nach oben. Es ist paradox.

Kleiner Parteitag CSU Deggendorf

Schwarz-rot-gold und blau-weiß: Dorothee Bär mit CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt.

(Foto: seyboldtpress.de)

Wer mit Dorothee Bär nach Abendveranstaltungen noch sprechen möchte, bekommt schon mal gesagt, sie müsse nach Hause. Sie wolle ihr Kind sehen. Sie bittet auch um Verständnis dafür, am Wochenende mal nicht gestört werden zu wollen, weil sie mit ihrem Mann und der Tochter Kindergeburtstag feiern möchte. Sie greift nicht nach dem Bezirksvorsitz in Unterfranken, der in absehbarer Zeit zu vergeben ist und innerparteilich viel Macht verleiht, weil sie gar nicht weiß, wie sie dann noch alle Termine schaffen soll. Sie ist ja jetzt schon so häufig unterwegs wie eine Managerin.

"Nicht sexy, aber notwendig"

Wer ihren Lebenslauf studiert, spürt, dass es ihr nicht leichtfällt, Nein zu sagen. Bär hat ihre gesamte Jugend in der CSU verbracht, mit 14 ging sie zur Jungen Union, dann folgte die Ochsentour durch die Partei. Sie hat sich richtig reingewühlt in die Partei, sich akribisch mit jedem neuen Amt ein bisschen mehr Einfluss gesichert. Sie hat ihr Diplom in Politik gemacht, und 2002 wurde sie in den Bundestag gewählt. Es ist eine Bilderbuchkarriere. Sie dachte nicht daran, nach der Geburt ihrer Tochter eine Pause einzulegen. Das hätten einige in der CSU "nicht gerade toll" gefunden, bekannte sie in einem Interview.

Kann es sich die Partei erlauben, so wenig Rücksicht auf ihre wenigen Frauen zu nehmen, die ja tatsächlich wissen, was es bedeutet, Familie und Beruf zu vereinbaren? Sie erlaubt es sich einfach. Die Politikwissenschaftlerin Isabelle Kürschner hat die Lebensläufe der christsozialen Erfolgsfrauen ganz gründlich studiert und eine Dissertation darüber verfasst.

Sie kommt darin zu dem Befund: "Die ideale CSU-Politikerin widmet sich erst ihren Kindern, dann der Politik." Verglichen mit den männlichen Parteikollegen seien die Spitzenpolitikerinnen "überdurchschnittlich häufig unverheiratet und kinderlos".

Dass es so nicht weitergehen kann, haben die Frauen in der Partei Horst Seehofer zu verstehen gegeben. Die Frauen-Union unter Landeschefin Angelika Niebler will auf dem Parteitag im Herbst die CSU zur Abstimmung über eine Frauenquote zwingen. Für alle parteiinternen Gremien, die Vorstände auf Landes-, Orts-, Kreis- und Bezirksebene sowie für die Delegiertenversammlung soll eine 40-Prozent-Quote gelten. "Sie ist nicht sexy, aber notwendig", verteidigt Angelika Niebler den Vorstoß, der immer mehr Unterstützer findet.

Auch Barbara Stamm, früher eine Quotengegnerin, sagt heute: "Nach reiflicher Überlegung bin ich zu dem Schluss gekommen: Wir brauchen eine Frauenquote in der CSU." An der Basis lässt sich die Stimmung so zusammenfassen: "Jetzt reicht's aber mit den Weibern." Es dürfte also ein unbequemer Parteitag für Seehofer werden. Bär sagt bisher zur Quote nicht viel, als Vize-Generalsekretärin wolle sie die Basis erst mal diskutieren lassen. Sie weiß, dass sich die Partei bewegen muss. "Manchmal muss man die Leute zu ihrem Glück zwingen", deutet sie an. Sie meint die Männer.

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