CSU-Parteitag:Seehofer auf Konfrontationskurs - bis es weh tut

CSU-Parteitag

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hört der Rede des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer auf dem CSU-Parteitag in München zu.

(Foto: dpa)

Angela Merkels Auftritt bei der CSU zeigt, wie sehr das Thema Flüchtlinge die Schwesterparteien entfremdet. Horst Seehofer demütigt die Kanzlerin am Ende sogar.

Von Frank Müller und Robert Roßmann

Am Ende geht auch der CSU-Chef auf die Bühne. Es dauert etwas, bis Horst Seehofer oben ist. Er ist ja nicht mehr der Jüngste, außerdem genießt er den Moment. Angela Merkel hat gerade gesprochen. 20 Minuten lang rechtfertigte die Kanzlerin vor dem CSU-Parteitag ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik. Soeben ist sie fertig geworden. Der Applaus ist ziemlich mau. Unten im Saal warten jetzt 1000 Delegierte auf Seehofers Kommentar. Es ist eigentlich nur ein Ritual. Nach jedem Gastauftritt Merkels auf CSU-Parteitagen kommt Seehofer auf die Bühne und sagt noch ein paar nette Worte. Doch diesmal wird aus dem Ritual eine Demütigung, wie sie die Kanzlerin lange nicht mehr erleben musste.

Seehofer klatscht nicht, er überreicht auch keinen Blumenstrauß. Stattdessen fertigt er Merkel ab wie ein Oberlehrer. Der CSU-Chef belässt es nicht bei ein paar Worten. Er hält praktisch eine eigene Rede, während Merkel neben ihm stehen bleiben muss. Für die Kanzlerin gibt es kein Entkommen. Erst nach 15 Minuten hat sie die Quälerei überstanden.

Seehofer lobt - und attackiert

Seehofer lobt zwar zunächst etwas maliziös die bisherige Kanzlerschaft Merkels. "Diese zehn Jahre waren sehr gute für unser Vaterland", sagt der CSU-Chef. "Du hast Großes geleistet für Deutschland und für Europa." Seehofer beschreibt, was die große Koalition "in der Zuwanderungsfrage" schon alles auf den Weg gebracht habe. Aber dann beginnt die Attacke. "Jetzt will ich dir einfach meine Überzeugung sagen, damit die Standpunkte klar sind", meint Seehofer. Die CSU sei der festen Überzeugung, dass die große historische Aufgabe der Integration der Flüchtlinge nicht auf Dauer zu leisten sei, "wenn wir nicht zu einer Obergrenze bei den Flüchtlingen kommen".

Im Saal kommt Beifall auf, wie während der ganzen Rede Merkels nicht. "Du weißt, dass wir hartnäckig an diesem Ziel arbeiten, wir werden es weiter einfordern", sagt Seehofer. Er "trage die Hoffnung im Herzen, dass wir uns noch irgendwie verständigen". Merkel hat die Arme inzwischen verschränkt - sie versucht Contenance zu wahren, aber es fällt ihr sichtlich schwer. Aber Seehofer legt sogar noch eine Schippe oben drauf.

Der CSU-Chef erinnert daran, dass die Kanzlerin einmal gesagt habe, Angela Merkel und Horst Seehofer hätten noch immer für alles eine Lösung gefunden. "Wenn das dein Motto in den kommenden Wochen ist, dann bist du wieder herzlich eingeladen", sagt Seehofer - mit Betonung auf dem "Wenn".

Es ist der Schlusssatz von Seehofers Demütigung. Erst jetzt bekommt sie einen Blumenstrauß und kann die Bühne verlassen. Beim vorangehenden CSU-Parteitag zog Merkel noch unter tosendem Applaus der Delegierten aus dem Saal. Minutenlang klatschten die Delegierten im Stehen. Jetzt ist es fast still. Merkel verschwindet mit Seehofer durch einen Seiteneingang. Auf dem Rückweg in den Saal murmelt der CSU-Chef: "Ich musste das so machen."

Eisige Blicke für die Kanzlerin

Dass der Auftritt für Merkel nicht einfach werden würde, war von Anfang an klar. Die CSU ist schon seit Wochen fassungslos über den Kurs der Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik. Die Bayern fordern vor allem eine Obergrenze für die Zahl der Flüchtlinge, und sie wollen, dass Angela Merkel sich endlich zu einer solchen Höchstzahl bekennt. Dass die Kanzlerin ihren Kurs auf dem CSU-Parteitag nicht grundsätzlich ändern würde, war eigentlich klar. Aber die Delegierten erwarteten sich wenigstens einige Signale, ein Zeichen, dass sie die Sorgen und Nöte der CSU ernst nimmt.

Doch Merkel unternimmt nichts davon. Sie hält praktisch ihre Standardrede der vergangenen Wochen und erklärt den Delegierten sogar ziemlich deutlich, warum es mit ihr keine Obergrenze gibt.

Das sind die Momente, in denen man in die Gesichter der CSU-Größen in der ersten Reihe sehen muss. Es sind eisige Blicke, Gesten tiefer Entfremdung, mit denen die versammelte CSU-Spitze zuhört. Als Merkel ihre klare Absage formuliert, schüttelt es den bayerischen Staatskanzleichef Marcel Huber regelrecht. Markus Söder lässt die Hände abfällig nach unten sinken. Wirtschaftsministerin Ilse Aigner blickt verzweifelt, und Europaministerin Beate Merk ist mit ihrem Tablet auf Facebook unterwegs. So geht es weiter während der Rede Merkels. Es sind nur mehr Reste von Höflichkeit, mit der die CSU-Führung ihrer Kanzlerin begegnet. Söder und Huber beherrschen die Kunst, so langsam und schlapp Beifall zu klatschen, dass es aussieht wie in der Super-Zeitlupe.

"Merkel raus!"-Schild zur Begrüßung

Schon vor dem Einzug Merkels in die Halle geht es unfreundlich zu. Mitglieder der Jungen Union halten bereits am Eingang Plakate hoch: "Zuwanderung begrenzen!", steht auf ihnen, "Transitzonen einführen!" und: "Klarer Kurs? Nur mit der CSU". Menschen aus der Parteiführung gelingt es noch, ihren Nachwuchs davon zu überzeugen, die Plakate herunterzunehmen. Merkel bekommt sie nicht zu Gesicht.

Doch spätestens beim Einzug in den Saal muss Merkel direkt erleben, wie es um die Stimmung in der CSU bestellt ist. Beim letzten Parteitag glich der Weg der CDU-Chefin zum Redepult noch einem Triumphzug. Die Delegierten klatschten euphorisch, viele hielten "Angie"-Plakate hoch. Diesmal bleibt die Hälfte gleich sitzen, der Applaus ist mehr als mau. Vereinzelt gibt es Pfiffe, Buhrufe sind zu hören. Und Roland Gaßner aus dem Kreisverband Neuburg-Schrobenhausen hält sogar einen Zettel hoch mit der Botschaft: "Merkel raus!"

Eines kann man der CSU an diesem Abend nicht vorwerfen: dass sie Konflikten aus dem Weg geht.

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