CSU-Parteitag:Risiko-Analyse der neuen Doppelspitze

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Horst Seehofer und Markus Söder sollen jetzt eine gemeinsame Linie finden. Ob das klappt? (Foto: imago/Christian Thiel)

Auf dem Parteitag in Nürnberg präsentiert die CSU ihr neues Führungsduo Horst Seehofer und Markus Söder. Kann das gutgehen?

Von Roman Deininger und Wolfgang Wittl, München

Was lange Zeit wie ein guter Witz klang, soll nun Wirklichkeit werden: Mit einer Doppelspitze aus Horst Seehofer (68, Parteichef) und Markus Söder (50, Ministerpräsident) will die CSU in die Landtagswahl 2018 ziehen. Jetzt mal ganz ernsthaft: Seehofer und Söder als harmonisches Duo - kann das funktionieren? Eine Risiko-Analyse in acht Kategorien.

Schauspieltalent: Die große Einigkeits-Show der CSU erfordert natürlich gleich zwei darstellerische Glanzleistungen. Söder bringt als Referenz einen fulminanten Gastauftritt in der BR-Soap "Dahoam is dahoam" mit, in der er die anspruchsvolle Rolle eines volksnahen Finanzministers verkörperte. Außerdem bildet er sich in seiner Freizeit regelmäßig mit "Star Trek"-Folgen weiter, tritt als Hobby-Kabarettist auf und ist zu Fasching schon als Gandhi, Edmund Stoiber und König Ludwig II. gegangen - Kritiker fielen auf die Knie ob dieser Wandlungsfähigkeit. Seehofer hat zwar in der großen Tragikomödie "Der Frieden von München" niemand Geringeren als Angela Merkel an die Wand gespielt, ist im Vergleich zu Söder aber nur ein Laiendarsteller. Größerer Risikofaktor: Seehofer

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Disziplin: Auch wenn man es bei dem politischen Schlawiner Seehofer nicht vermutet: Er steht früh auf, trinkt kaum Alkohol und wühlt sich durch Akten. Am Abend vor Kabinettssitzungen zieht Seehofer sich zurück und arbeitet penibel die komplette Tagesordnung durch. In Verhandlungen ist er sattelfest. Auch wenn man es bei dem politischen Raubein Söder nicht vermutet: Er steht früh auf, trinkt kaum Alkohol, wühlt sich durch Akten. Durchdringt auch komplizierte Themen (Landesbank, Steuern). Disziplin ist also keinem der beiden abzusprechen, nur im Umgang miteinander will es damit nicht klappen. Bei Seehofer ist die Antipathie jedoch noch größer als bei Söder. Da brodelt was, da will was raus. Größerer Risikofaktor: Seehofer

Stil: Sowohl Seehofer als auch Söder sind Politiker mit einem gewissen Offensivdrang. Sie unterscheiden sich allerdings im Angriffsstil: Seehofer mag das offene Visier und zieht schon mal bei CSU-Weihnachtsfeiern über Söder her. Söder wiederum arbeitete über ein Jahrzehnt mit mehr oder minder eleganten Anspielungen auf den Karrierehafen Staatskanzlei - steter Tropfen höhlt den Stein. Soll allerdings intern auch mal weniger dezent agieren und bei Wutausbrüchen Dinge durch die Gegend werfen. Größerer Risikofaktor: Söder

Verlässlichkeit: Da wird mancher wieder staunen. Handschlagqualität - dieses große Wort benutzen Seehofer wie auch Söder gerne, und selbst Gegner gestehen zu, dass man sich auf Vereinbarungen mit ihnen verlassen kann. Sogar die politischen Versprechen Seehofers will Söder einhalten ("pacta sunt servanda"), die Tram durch den Englischen Garten in München zum Beispiel, das will was heißen. Schwieriger könnte es werden, alle seine Unterstützer zufrieden zu stellen. Aber weil er nie irgendwelche Posten versprochen hat, sagt Söder, muss er auch da keine Zweifel an seiner Verlässlichkeit befürchten. Puh, Glück gehabt. Größerer Risikofaktor: Söder

Robustheit: So ein Machtkampf erfordert Ausdauer und Kondition. Dafür muss man schon trainiert sein. Seehofer war Motorsportler (Roller), stieg aber aufs Fahrrad um (E-Bike). Nutzt Spaziergänge im Altmühltal nicht nur, um sich körperlich fit zu halten, sondern auch, um für seine Gegner gedanklich Hindernisparcours aufzubauen. Söder kam mit Wettkampf-Gen auf die Welt. Höher, schneller, weiter - das gilt für alle Lebenslagen. Spielt Tennis, schwimmt im Männer-Burkini durch Nürnberger Buchten, legt aber trotzdem nicht nur politisch an Gewicht zu. Boxt mit Seehofer jetzt in der Schwergewichtsklasse. Den härteren Punch hatte zuletzt Söder, vielleicht weil sein Arm besser trainiert war vom vielen Händereichen. Womöglich lag es aber auch an seinen zahlreichen Mitstreitern mit Tiefschlag-Qualitäten. Größerer Risikofaktor: Seehofer

Verantwortung: Hmm, tja, partiell vorhanden, müsste man halt mikroskopisch nachweisen. Nur aus Parteiräson räume Seehofer die Staatskanzlei, ein Opfergang heroischer Dimension, sagen seine Freunde. Söder dagegen: Ziehe doch nur aus Ich-Räson in die Staatskanzlei ein. Söders Verteidiger verweisen gern auf die Bibel, die ihr Mann immer griffbereit am Schreibtisch liegen hat. Und noch eine im Dienstwagen. Demut? Von beiden oft betont, aber selten gesichtet. Größerer Risikofaktor: Söder

Ernährung: Körperliches Wohlbefinden hilft dabei, in Stresssituationen gelassen zu bleiben. Söder setzt bei seiner gesunden Ernährung auf drei Elemente: Fleisch, Fleisch und Fleisch. Er variiert virtuos die fränkischen Nationalgerichte Schäufele, Drei im Weggla und Gans mit Kloß und Soß. Seehofer lehnt solchen Schnickschnack ab, er bevorzugt ein Paar Wiener mit nix oder eine Breze ohne Butter. Beim Italiener muss es eine schlichte Pizza Salami sein, was seinem Generalsekretär die Restaurantsuche im Szeneviertel Berlin-Mitte nicht erleichtert. Warum machen diese Hipster nur überall Trüffel drauf? Bei Wurstsemmeln entfernt Seehofer das Grünzeug, sonst würden sie ja nicht Wurstsemmeln heißen. Macht in Verhandlungsnächten rituell mehrere Vanille-Eisbecher nieder. Bräuchte ganz, ganz dringend einen Ernährungsberater. Größerer Risikofaktor: Seehofer

Work-Life-Balance: Um beruflich allzeit die Fassung zu wahren, ist private Ablenkung unverzichtbar. Seehofer liest zum Beispiel gern in der Freizeit, aber aus seiner Lektüre zieht er dann doch dauernd irgendwelche Lehren für die Politik. Zitiert dann tagein, tagaus Churchill und bringt seine politischen Exegeten zum Rotieren. Sogar die Modelleisenbahn im Keller seines Ferienhauses bildet sein politisches Leben ab. Mit Söder könne man derweil über satte drei Themen reden, sagt ein Wegbegleiter: Politik, Fußball und Filme. Immerhin! Ach ja, Frau, Kinder und Hunde sind auch noch da, wobei die Hunde oft mal als Nebendarsteller in Instagram-Videos herhalten müssen. Urlaub mit der Familie ist Söder heilig, doch der nächste muss leider ausfallen. Die Landtagswahl, die Politik, man muss das verstehen. Größerer Risikofaktor: Söder

Ergebnis: Kann nur schiefgehen. Beide Teile der Doppelspitze stellen ein untragbares Risiko dar. Seehofers geheimer Weihnachtswunsch: Söder holt bei der Landtagswahl 28,4 Prozent und tritt zurück. Söders geheimer Weihnachtswunsch: Seehofer kauft sich einen neuen Roller und verfährt sich im Altmühltal.

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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