CSU-Parteitag:Jenseits aller Schmutzeleien

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Neue Normalität? Angela Merkel und Horst Seehofer sind sich in den vergangenen Wochen wieder etwas näher gekommen.

(Foto: Maurizio Gambarini/dpa)

Machtkampf mit Markus Söder, jahrelanger Asyl-Streit mit Angela Merkel: Auf dem Parteitag muss CSU-Chef Horst Seehofer ein neues Verhältnis zu gleich zwei früheren Kontrahenten finden.

Von Roman Deininger und Wolfgang Wittl

Es ist gerade ein kleines Jubiläum angefallen in der CSU, ein Jahrestag für politische Feinschmecker. Die Sache wurde aber nicht groß gewürdigt am Montag bei der Weihnachtsfeier in der Münchner Parteizentrale; nur im ganz kleinen Kreis tauschten CSU-Funktionäre und Journalisten im adventlichen Schummerlicht ein paar Erinnerungen aus.

Fünf Jahre ist es her, dass CSU-Chef Horst Seehofer bei gleicher Gelegenheit seine Weihnachtsbotschaft nicht durchgehend besinnlich gestaltete. Sein Finanzminister Markus Söder, erzählte Seehofer damals freimütig, habe "charakterliche Schwächen", einen "pathologischen Ehrgeiz" und leiste sich zu viele "Schmutzeleien". Das Wort Schmutzeleien hatte zuvor kein Duden je gesehen - schnell sind ihm dann Flügel gewachsen, es ist zum Schlüsselbegriff einer politischen Feindschaft geworden, die Partei und Publikum über Jahre in Atem hielt. Und die jetzt angeblich beendet ist.

Vergangene Woche hatte sich Seehofer nach langem Kampf seinem Widersacher Söder gefügt: Der Junge soll im ersten Quartal 2018 Ministerpräsident werden, der Alte soll Parteivorsitzender bleiben. Die CSU hat nun ein Spitzenduo, dessen Einigkeit bislang nur Behauptung ist oder ein ziemlich kühner Wunsch.

An diesem Freitag versammeln sich die Christsozialen in der Nürnberger Messe zum Parteitag, am Samstag soll Seehofer als Chef wiedergewählt und Söder zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Herbst nächsten Jahres gekürt werden. Hinterher muss die Doppelspitze ein Signal der Harmonie an die eigene Basis und an die Wähler schicken. Und als ob das nicht Aufgabe genug wäre, sollte Seehofer Geschlossenheit besser auch noch mit dem Ehrengast des Events demonstrieren: Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die CSU-Strategen haben die selige Hoffnung, dass sich in Nürnberg der Weihnachtsfrieden über alle Gräben der Vergangenheit legt.

Die beiden Hauptdarsteller des Schauspiels scheinen sich dieser Tage selbst Mut machen zu wollen, sie reden beschwörend von "Mannschaftsleistung" (Seehofer) und "Verantwortungsgemeinschaft" (Söder). Doch wie schwer dem Ministerpräsidenten der Schulterschluss mit seinem designierten Nachfolger fällt, das war am Montag bei der Weihnachtsfeier zu beobachten, auch wenn das S-Wort nicht zum Einsatz kam. Seehofer sprach eine Viertelstunde lang über die aktuelle Lage der CSU, über die kommenden Herausforderungen in Land und Bund - und brachte es dabei fertig, Söder mit keinem einzigen Wort zu erwähnen. Söder, im Moment der Diszipliniertere von den beiden, hörte sich das alles mit eingefrorenem Lächeln an.

Eine gewisse Bitterkeit hatte Seehofer bereits in seinen ersten Interviews nach der Verständigung mit Söder nicht verbergen können. Er habe eingelenkt, um die offene Spaltung der Partei zu verhindern, sagt ein Vertrauter, aber das bedeute nicht, dass er nicht schwer getroffen sei. Vertreter beider Seiten räumen ein, dass die Wunden des Machtkampfes natürlich nicht über Nacht einfach verheilt seien. Umso wichtiger, heißt es nun in der CSU-Führung, sei der erste große gemeinsame Auftritt des Tandems in Nürnberg, Söders Heimatstadt.

Mit einer übertriebenen Versöhnungsshow, so die Überzeugung der Parteitagsregie, würde man das Publikum nur verstören. "Das muss vernünftig und professionell geschehen, glaubhaft und authentisch", empfiehlt auch Ilse Aigner, bayerische Wirtschaftsministerin und Chefin der Oberbayern-CSU. Freilich sind Seehofer und Söder nicht als Männer bekannt, die Regieanweisungen allzu bereitwillig entgegennehmen. In diesem Fall deutet aber viel daraufhin, dass sie Problembewusstsein entwickelt haben. Künstlichkeit und Inszenierung, gab Seehofer zu Protokoll, würden von den Leuten eh nicht goutiert. Aus Söders Umfeld hört man, die Details sollten in einem persönlichen Gespräch geregelt werden. Geplant ist offenbar, dass die beiden sich für ihre jeweiligen Posten gegenseitig vorschlagen.

Symbolische Kraft dürfte auch den Wahlergebnissen auf dem Parteitag zukommen. Der Spitzenkandidat wird per Akklamation aufs Schild gehoben, was das Risiko eines Betriebsunfalls für Söder minimiert: Wenn viele Hände hochgehen, lassen sich einige andere, die unten bleiben, leicht übersehen. Mit dem gleichen Instrument hatte kürzlich schon die CSU-Landtagsfraktion ein einstimmiges Votum für Söder sichergestellt.

Seehofer will Merkel nicht aus den Augen lassen

Der CSU-Vorsitzende dagegen wird in geheimer Wahl bestimmt, weshalb Seehofer durchaus ein wenig zittern muss. Als akzeptabel gilt in der Führungsriege jedes Resultat von mehr als 80 Prozent. 2015 war Seehofer auf 87,2 Prozent gekommen, doch das Bundestagswahldebakel und die Auseinandersetzung mit Söder würden sich gewiss niederschlagen, so die CSU-interne Erwartung. Ein richtig schlechtes Ergebnis wünschen Seehofer nicht mal Söder-Leute, zumindest nicht die strategisch begabten: Söder ist ja ganz froh, wenn Seehofer noch eine Weile den schweren Berliner Rucksack trägt.

Der Streit um die Obergrenze, den Seehofer mit Merkel über knapp zwei Jahre dehnte, war einer der verheerendsten in der Unionsgeschichte. Die Annäherung von CDU und CSU im Bundestagswahlkampf blieb ebenso krampfhaft wie provisorisch. Wenn Merkel und Seehofer am späten Freitagnachmittag in Nürnberg gemeinsam auftreten, werden alle Anwesenden die Bilder mit jenen des 20. November 2015 abgleichen: Damals demütigte Seehofer die Kanzlerin auf offener Bühne mit einer länglichen Belehrung zur Flüchtlingspolitik. 13 Minuten dauerte das Impulsreferat, Merkel konnte nur dastehen, zuhören und irgendwie die Fassung wahren.

Im Nachhinein hat Seehofer die missliche Szene damit erklärt, dass er Merkel nicht sehen konnte, weil sie hinter ihm stand. Diesmal, kündigte er jetzt an, werde er die Kanzlerin nicht aus den Augen lassen. Auch die Begegnung der Parteichefs, beteuert man in der CSU, wolle man in Nürnberg nicht "überinszenieren". Seehofer sagt, er wäre schon zufrieden, wenn die "Normalität" zwischen den Schwesterparteien zurückkehre. Wie viele Delegierte Normalität für richtig halten, weiß jedoch auch der CSU-Chef noch nicht.

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