CSU-Parteitag in Nürnberg:Spannung liegt in der Luft

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Die Union steuert auf einen Krach über die künftige Ausgestaltung Europas zu. Die CDU will die Gemeinschaft stärken, die CSU gibt sich EU-kritisch. Für die Christsozialen ist der Streit angenehm und unangenehm zugleich.

Stefan Braun

Es ist nicht lange her, da saß Theo Wai-gel im Restaurant des Dachauer Schlosses beim Abendessen. Zu dem Hintergrundgespräch eingeladen hatte Gerda Hasselfeldt, die Chefin der Berliner CSU-Landesgruppe. Der CSU-Ehrenvorsitzende war freundlich, humorvoll, leidenschaftlich, und man verrät kein Geheimnis, wenn man erzählt, dass der frühere Bundesfinanzminister ein flammendes Plädoyer für den Euro abgab.

Die Arena von Nürnberg: Am Freitag kämpft die CSU auf dem Parteitag um ihre Identität. (Foto: dpa)

Überraschend daran war, dass man nicht nur zwischen den Zeilen sehr stark spüren konnte, wie groß Waigels Sorge um Europa ist - und wie groß die Befürchtung, dass seine CSU dabei eine nicht gerade ruhmvolle Rolle spielen könnte. Waigel mühte sich, die Euro-Papiere der CSU als gute Grundlage für eine Europapolitik der Zukunft zu präsentieren. Die Angst aber blieb spürbar, dass die alte Balance zwischen den Europa-Skeptikern und den Europa-Optimisten verloren sein könnte.

Ausgerechnet Waigels Auftritt hat offengelegt, wie sehr einer wie Waigel derzeit bei den Christsozialen fehlt. Da mag Hasselfeldt denken wie ihr Vorvorvorgänger. Doch weder die freundliche Landesgruppenchefin noch die CSU-Bundesminister oder die EU-Parlamentarier um Markus Ferber und Manfred Weber sind derzeit willens oder in der Lage, die Lücke zu schließen.

In Waigels Amtszeit herrschte stets eine Art Patt zwischen den von Edmund Stoiber geführten Skeptikern in München und den von Waigel geführten Befürwortern eines gestärkten Europa in Bonn. Heute ist das Gleichgewicht fürs Erste verloren gegangen. Das hat beim Beschluss zur Aufstockung des Euro-Rettungsschirms noch keine Folgen gehabt. Aber Horst Seehofers "Bis hierhin und nicht weiter" am Tag der Abstimmung lässt keine Zweifel offen, wie er sich die Zukunft der Euro-Rettung und die Zukunft Europas vorstellt.

Während die CDU-Spitze Euro-Anleihen ablehnt, aber sich wegen der Unberechenbarkeit der Krise allen anderen Festlegungen für die Euro-Rettung verweigert, macht Seehofer das Gegenteil: Er erklärt, dass mehr Hilfe für gefährdete Euro-Partner ebenso wenig in Frage kommt wie eine Stärkung Europas. Sein Generalsekretär Alexander Dobrindt nennt das ein "Stoppschild".

Damit steht nicht nur Streit bevor, sollte sich die Euro-Krise weiter verschärfen. Es droht Krach um die künftige Ausgestaltung Europas. Die CDU will als Reaktion auf die Euro-Krise die Gemeinschaft stärken, die CSU stellt sich mit Vehemenz dagegen.

Während die CDU noch im Sommer heftig über Profil, Richtung und mangelnde Wurzeln diskutierte, hat sich ausgerechnet die Pro-Europa-Debatte für das Gros der Christdemokraten zu einem identitätsstiftenden Element entwickelt. Bei diesen Themen entstehen sogar Brücken zwischen alten Anhängern von Helmut Kohl und vielen führenden CDU-Politikern der Jetzt-Zeit - auch wenn nicht alle so weit gehen wie Ursula von der Leyen mit ihrer Forderung nach "Vereinigten Staaten von Europa".

Aber die Schäubles, Röttgens, Gröhes und Altmaiers streben ziemlich geschlossen eine stärkere Integration an. Und während die aktuellen Regionalkonferenzen der CDU als Reaktion auf die Profildebatte im Sommer gedacht waren, kann man dort derzeit mehr Kritik an den europakritischen Tönen der Ramsauers, Seehofers und Gauweilers vernehmen, wie es ein CDU-Mitglied im hessischen Alsfeld ausdrückte.

Für die CSU ist das angenehm und unangenehm zugleich: Angenehm, weil sie einem europakritischen Impuls in der Bevölkerung Nahrung geben kann, um sich von Berlin abzugrenzen. Das fühlt sich auf den ersten Blick angenehm an für eine Partei, die sich selbst als Mitglied der Berliner Koalition auch als Opposition aus Bayern betrachtet. Unangenehm freilich kann werden, dass sie durch die vielen Neins dieser Tage bald wie eine Partei erscheinen könnte, die keinen positiven Plan hat für Europas Zukunft.

Waigel hat bei dem Abendessen in Dachau versprochen, dass er sich einmischen werde, sollte aus seiner Sicht etwas schieflaufen. Einen neuen Auftritt hat er schon im Kalender. Er wird am 12. Oktober auf einer Europa-Konferenz in Berlin sprechen. Ausrichter sind: die Christdemokraten.

© SZ vom 07.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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