CSU-Parteitag:Auftritt bei der Wutschwester

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Die CSU hofft auf eine Geste Angela Merkels in der Rede auf dem Parteitag in München.

Von Robert Roßmann

Eine Kanzlerin muss jede Menge Termine absolvieren, auf die sie gerne verzichten würde - das bringt der Job so mit sich. Insofern ist Angela Merkel einiges gewohnt. Auf diesen Termin dürfte die CDU-Vorsitzende aber besonders wenig Lust verspüren: Am Freitagabend muss Merkel beim CSU-Parteitag auftreten, so will es die Etikette zwischen den Schwesterparteien. Angesichts des Streits um die Flüchtlingspolitik ist es ein Gang in die Höhle des bayerischen Löwen.

In den vergangenen Jahren glichen Merkels Besuche auf CSU-Parteitagen eher Triumphmärschen. Die Christsozialen profitierten damals von der enormen Popularität der Kanzlerin. Seehofer beteuerte immer wieder, der bayerische Löwe sei nur noch "ein schnurrenden Kater", vor dem Merkel keine Angst mehr haben müsse. Doch die Zeiten haben sich geändert.

Seehofer hat seine Partei zum Maßhalten aufgefordert

Die Umfragewerte Merkels sind deutlich gesunken, die Zustimmung zu ihrer Flüchtlingspolitik ist sogar eingebrochen. Viele Christsoziale schäumen vor Wut über den Kurs der Kanzlerin - gute Voraussetzungen für einen herzlichen Umgang mit Merkel auf dem Parteitag sind das nicht. Das gilt erst recht wegen einer Besonderheit: CSU-Parteitage lassen sich weniger steuern als die der politischen Konkurrenz. Bei CDU und SPD sind fast nur Mandatsträger Delegierte - die haben als Polit-Profis viel Verständnis für den Wunsch einer Parteispitze, nach außen ein harmonisches Bild abzugeben. Die SPD tritt in 16 Bundesländern an, hat aber nur 600 Parteitagsdelegierte. Die CSU gibt es lediglich in Bayern, sie zählt aber 1000 Delegierte. Kurz gesagt: Bei den Christsozialen sitzt eher die Basis im Saal. Und die macht gerne, was sie will.

Das muss man wissen, um zu verstehen, warum sie sich in der Union Sorgen wegen des Merkel-Auftritts machen. Bilder von CSU-Delegierten, die die Kanzlerin auspfeifen, würden sich nicht gut machen. Seehofer hat deshalb in der jüngsten Vorstandssitzung seiner Partei zum Maßhalten aufgerufen. Er bat die CSU-Granden dafür zu sorgen, dass sich die Delegierten gegenüber der Kanzlerin als "anständige Gastgeber" präsentierten. Die CSU müsse trotz aller Emotionen "mit Format, Kompetenz und Ernsthaftigkeit" auftreten, das sei, was die Menschen erwarten würden.

Dass es mit Appellen an die Delegierten allein nicht getan ist, weiß aber auch Seehofer. Im CSU-Vorstand beteuerte er deshalb, der Kanzlerin bei einem Gespräch noch einmal die Stimmung in der CSU mit auf den Weg gegeben zu haben. Dabei habe er Merkel darauf hingewiesen, dass sie beim Parteitag auf ein Publikum treffe, das aufgewühlt sei. Deshalb müsse sie "die richtigen Botschaften senden".

In der CSU-Spitze hoffen sie darauf, dass Merkel ihnen "etwas mitbringt". Dass die Kanzlerin auf dem Parteitag keine Kursänderung verkünden wird, wissen sie auch in München. Die Bayern spekulieren aber auf kleinere Signale. Merkel könnte zum Beispiel mitteilen, dass die Bundespolizei künftig nicht mehr nur an ausgesuchten, sondern an allen Grenzübergängen zwischen Bayern und Österreich kontrolliert.

Wenn die CDU-Chefin mit derlei im Gepäck nach München kommt, dürfte sie tatsächlich ohne Blessuren davon kommen. Die Zeiten, in denen Merkel von stehenden CSU-Delegierten mit minutenlangen Applaus Bedacht wurde, sind allerdings erst einmal vorbei.

© SZ vom 20.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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