CSU nach der Europawahl:"Flucht ist kein anständiger Umgang"

Vor der CSU-Vorstandssitzung in München wirkt Horst Seehofer geknickt.

Vor der CSU-Vorstandssitzung in München wirkt Parteichef Horst Seehofer geknickt.

(Foto: dpa)

Für die CSU ist der Tag besonders bitter. Die Partei muss das schlechteste Ergebnis bei einer Europawahl analysieren - und debattiert stundenlang. Parteichef Seehofer will "Verantwortung übernehmen". Aber was heißt das?

Von Ingrid Fuchs und Birgit Kruse

Einfach ist dieser Tag für Horst Seehofer nicht. Von einem "schmerzlichen Wahlergebnis" spricht der CSU-Chef. Es ist der Tag nach der Europawahl, der Tag, nachdem die Partei das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren hat. 40,5 Prozent der Stimmen hat die CSU bekommen. Es ist auch der Tag der Analyse. Wie konnte es dazu kommen, dass die CSU mehr als sieben Prozentpunkte verlor?

Dreieinhalb Stunden hat der Parteivorstand diese Frage erörtert. Als gut, nachdenklich und intensiv bezeichnet Parteichef Seehofer die Debatte im Anschluss. Sehr zufrieden sei er damit. Der Vorstand werde sich am 28. Juni zu einer eintägigen Klausur treffen, um sich ein "offenes und schonungsloses Bild" von dem Wahlergebnis zu machen.

Drei Felder werde man bei dieser Gelegenheit erörtern: Die Frage nach der Mobilisierung, den inhaltlichen Europakurs und den Umgang mit der politischen Konkurrenz wie AfD oder ÖDP. Denn gerade die kleinen Parteien, die in Bayern zusammen 17 Prozent der Wählerstimmen bekommen haben, seien "eine Herausforderung für etablierte Parteien".

Aber die Debatte in der Parteizentrale an der Nymphenburger Straße in München war nicht einfach. Die letzten Stunden hätten jedenfalls "nicht zu den schönsten meiner politischen Laufbahn" gehört, sagt Seehofer. Auch wenn der Politiker immer wieder betont, dass die genaue Analyse erst in einigen Wochen stattfinden werde.

Spagat war zu groß

Auf dem Gehweg vor der Parteizentrale in München, wo nach und nach der CSU-Vorstand eintrifft, hat sie bereits begonnen. Und zwar schon vor der Sitzung. Für einige sei der Spagat zwischen einem Ja zu Europa und der Kritik daran einfach zu groß gewesen. Viele Wähler hätten sich schwer getan, einen Kurs zu erkennen, findet Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. "Der Spagat ist in der Tat zu diskutieren."

Für Ilse Aigner, die Seehofer extra von Berlin nach München holte, ist das Ergebnis bitter. Daraus macht sie keinen Hehl. Gerade in Oberbayern, dem stärksten und einflussreichsten Bezirk der CSU, hat die Partei bei der Europawahl besonders schlecht abgeschnitten. Offenbar habe man es "nicht geschafft, die positiven Aspekte herauszustellen".

Seehofer weiß, dass es jetzt nichts bringt, das desaströse Ergebnis auch nur im Ansatz schön zu reden. In der Politik müsse man lernen: "Es läuft nicht immer gerade und nicht immer im Steilflug." Seehofer ist Polit-Profi und er weiß, wovon er spricht. Hat er doch selbst schon herbe Niederlagen in seiner politischen Karriere erleben müssen. Er müsse die Verantwortung übernehmen, sagt er. Das gehöre zu seinem Selbstverständnis.

Was genau "Verantwortung übernehmen" jedoch heißt, lässt er offen. Erst wolle man die genaue Analyse des Wahlergebnisses abwarten. Nur eines macht er klar: Personelle Konsequenzen im Vorstand werde es nicht geben. Und auch bei ihm nicht. Er sei für die gesamte Legislatur gewählt und werde diese auch zu Ende bringen. "Flucht ist kein anständiger Umgang." Das steht für ihn fest.

Selbsternannte Stimme Bayerns wird leiser

Fest steht aber auch: Auf europäischer Ebene wird es für die CSU nun schwieriger. Statt der bisher acht kann die Partei noch fünf Abgeordnete ins Parlament schicken - die CSU als selbsternannte Stimme Bayerns wird künftig ein wenig leiser werden. Das ist ein schwerer Schlag für die CSU. Gerade für die Christsozialen ist es wichtig, auf allen drei politischen Ebenen vertreten zu sein, in Bayern, Berlin und Brüssel. Daraus speist sich ihr Nimbus.

Besonders trifft das Ergebnis Bernd Posselt. Seit 20 Jahren macht der Münchner nun schon Europapolitik. Mit dieser Wahl geht seine Ära auf der Europabühne zu Ende. Das hindert ihn jedoch nicht, deutliche Worte zu finden. Er werde in der Vorstandssitzung klar seine Meinung äußern, kündigt er an. Das "Ja" zu Europa habe ihm in der Wahlkampagne gefallen. Immerhin führe kein Weg vorbei an einem stärken Europa. Das "Aber" sei ihm dagegen zu dominant gewesen.

Das sehen nicht alle in der CSU so. Der Euroskeptiker Peter Gauweiler etwa ist da anderer Meinung. Parteichef Seehofer hat ihn extra zu einem seiner Stellvertreter gemacht, um der europakritischen Haltung der Partei im Wahlkampf mehr Gewicht zu verleihen. Gauweiler hat auch immer wieder in bekannter Manier gepoltert. Nun, am Tag nach der Wahl, steht er auch weiterhin zu dem Kurs der CSU. Das Programm, an dem er maßgeblich mitgearbeitet hat, sei richtig. Ebenso die "Ja-Aber-Strategie" im Wahlkampf. Sie sei die einzige Möglichkeit gewesen, zum einen der großen Koalition in Berlin gerecht zu werden und zum anderen die eigenen Überzeugungen zu transportieren.

"Trauriges Ergebnis"

Die 40 Prozent seien ein "trauriges Ergebnis", das sieht auch Gauweiler so. Eine der Ursachen sei sicher das beachtliche Wahlergebnis der AfD von acht Prozent. Auch die Freien Wähler hätten der CSU Stimmen gekostet.

So bitter der Tag für Seehofer auch sein mag. Die Kanzlerin scheint hinter ihm zu stehen. Das betont er immer wieder. Und das ist wichtig für ihn. Ist die CSU in einer großen Koalition in Berlin doch der kleinste Partner. Für Nachfragen hat der Vorsitzende nach der Sitzung des Parteivorstands dann auch keine Zeit mehr. Sein Flug wartet. Nach Berlin. Zu Angela Merkel.

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