CSU: Markus Söder:"Politik ist wie Surfen vor Hawaii"

Umweltminister Söder wartet auf die perfekte Welle für seinen Aufstieg zum CSU-Fraktionschef. Dafür hat er eine subtile Taktik.

K. Auer und K. Stroh

"Politik", hat Markus Söder vor kurzem erst gesagt, "ist wie Surfen vor Hawaii. Man weiß nie, ob von hinten eine Welle kommt." Ganz zu schweigen von der Frage, ob jene Welle einen dann nach oben spült oder unter Wasser drückt.

CSU: Markus Söder: Tückisches Spiel mit den Wellen: Wer auf ihnen surft, kommt hoch hinaus - oder geht böse baden.

Tückisches Spiel mit den Wellen: Wer auf ihnen surft, kommt hoch hinaus - oder geht böse baden.

(Foto: Foto: dpa)

Söder, seit Dienstag 43 Jahre alt, brachten die Wellen bislang nur nach oben. Chef der Jungen Union, CSU-Generalsekretär, Europaminister, jetzt Umwelt- und Gesundheitsminister in Bayern - schnell und steil ging seine Karriere voran; das Ziel, einmal Ministerpräsident zu werden, immer vor Augen.

Söder sondiert die Lage

Bald könnte für Söder eine neue Welle heranrollen. Er ist, sollte Georg Schmid als Chef der CSU-Landtagsfraktion gehen, wohl der Favorit für die Nachfolge. Er will sie auch antreten, allerdings betreibt er Schmids Ablösung nicht wirklich aktiv. Er führe von sich aus keine Personaldiskussion, das ist der einzig offizielle Satz, den sich Söder zur derzeit laufenden Personaldebatte entlocken lässt. Er sondiert, und jene, die ihn kennen, merken das.

Da gab es zum Beispiel vor Weihnachten eine Einladung zu einem indischen Essen für einen kleinen Kreis CSU-Abgeordneter. Als "ungewöhnlich" bezeichnet das einer, der dabei war. Söder habe nicht gesagt, dass er Schmid beerben wolle, erzählt ein anderer, aber dennoch deutet der Gast den ganzen Abend als Anzeichen für genau dies.

Die Revolution müssten andere anzetteln

In der Fraktion ist es kein Geheimnis, dass Söder Schmid für keinen allzu großen Strategen hält, sich selbst aber wohl. Gerade deswegen würde der Franke niemals selbst eine Revolution anzetteln, deren Ausgang er nicht eindeutig vorhersagen kann. Das müssten andere für ihn machen, aber gerade an diesen fehlt es im Moment.

Sollte bei der Fraktionsklausur in Kreuth nächste Woche eine Neuwahl stattfinden, hätte diese bereits beantragt werden müssen. Wurde sie aber nicht. Und Georg Schmid tut derzeit alles dafür, um seinen Kampfgeist zu beweisen. Er will sich nicht einfach aus dem Amt jagen lassen, zumal auch Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer in den vergangenen Tagen mehrmals öffentlich beteuert hat, er wolle Schmid halten.

Das glauben ihm in der Fraktion zwar die wenigsten, aber gerade davon profitiert Schmid. Die Abgeordneten wissen um ihren geschwundenen Einfluss, und so wollen sie sich wenigstens in die Besetzung der Fraktionsspitze nicht dreinreden lassen.

Nicht alle wollen Söder

Außerdem ist die Fraktion gespalten. Viele halten Schmid für führungsschwach, und dass er einst als Verwaltungsrat der BayernLB das im Endeffekt 3,7 Milliarden Euro teure Österreich-Abenteuer der Bank mitabnickte, stärkt seine Stellung nicht - aber deswegen wollen noch längst nicht alle Söder. Der gilt derzeit vielen als der einzige, der Seehofer ebenbürtig gegenüber treten und der Fraktion dadurch wieder mehr Gewicht verleihen könnte. Aber gemocht wird er von den wenigsten.

Auch andere Namen werden genannt: Der frühere Justizminister Alfred Sauter, der Strippenzieher und Seehofer-Vertraute, der gerade deswegen bei vielen Abgeordneten unbeliebt ist. Fraktionsvize Thomas Kreuzer, der als kompetent gilt, aber wohl kaum gegen seinen schwäbischen Parteifreund putschen würde. Oder der frühere Umweltminister Otmar Bernhard, den einige der Altgedienten als Fraktionsvorsitzenden favorisieren. Aber keiner kann die Truppen bündeln.

Weniger Putsch als Diplomatie

Ein Söder-Mann sagt, auf Dauer sei Schmid nicht zu halten. Man bräuchte irgendeinen neuen Job für Schmid, so dass er zumindest halbwegs gesichtswahrend gehen könne, hofft ein anderer. "Gut Ding will Weile haben", erklärt einer, und nur noch die wenigsten glauben, dass es in Kreuth tatsächlich einen Putsch gibt. Zwar besitzt die jährliche Klausurtagung immer eine sehr spezielle Eigendynamik, zumal für die nächste Woche auch noch eine aktuelle Umfrage erwartet wird, die der CSU wohl keinen Anlass zur Freude gibt. Dennoch hat sich die Lage über Weihnachten nicht zugespitzt, die Stimmung in der Landtagstruppe sei momentan eher depressiv denn revolutionär, sagt eines ihrer prominenten Mitglieder.

Und was keiner weiß, ist auch die Antwort auf die Frage: Was will Seehofer? Der hält von Schmid nicht viel, von Söder schon, bezeichnet ihn gerne als eine der Stützen seines Kabinetts. Gemocht allerdings haben sich die beiden nie. Und eine Wahl Söders zum Fraktionschef wäre auch eine Vorentscheidung, dass Söder Seehofer einst als Ministerpräsident beerben dürfte.

In den vergangenen Monaten erschien es so, als läge über Söders Surfspot eine gewisse Flaute. Während er in München im Kabinett festsaß und sich mit den Niederungen des Vertragsärzterechts herumschlagen musste, stieg in Berlin sein Konkurrent Karl-Theodor zu Guttenberg auf. Die Wahl als Fraktionschef würde Söders Flaute beenden, er besetzte damit eine Schlüsselposition im schwarz-gelben Regierungsgefüge und könnte sich zu jedem Thema äußern. Zwar hat es - mit Ausnahme Hanns Seidels 1957 - nie ein CSU-Fraktionschef zum bayerischen Ministerpräsidenten gebracht, doch ein Naturgesetz ist das nicht. Das Ende der CSU-Alleinherrschaft hat viele politische Gewissheiten in Bayern über den Haufen geworfen.

Auffälliges Schweigen

Dieser Tage am auffälligsten an Söder ist sein Schweigen. Er, der sonst zu nahezu jedem Thema etwas sagen kann und will, ist in dieser schweren Krise der CSU völlig abgetaucht. Keine Silbe ist von ihm zu hören, und das kann nur eines heißen: Er bleibt noch in Deckung.

Söder wisse, wann der rechte Augenblick ist, sagen Menschen, die ihn näher kennen. Noch sei dieser Moment nicht da. Eher in ein paar Wochen. Eine Welle lässt sich nicht herbeireden. Wer sie reiten will, muss auf sie warten.

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