CSU:Markus Söder findet, dass es insgesamt aufwärts geht

Sein Heimatbericht erweckt den Eindruck, dass es in der Provinz kaum noch Probleme gibt. Die SPD hält das für Schönfärberei.

Von Lisa Schnell

Die Wirtschaft boomt, immer mehr Menschen ziehen in den ländlichen Raum, immer mehr wollen dort studieren. Der Heimatbericht, den Heimatminister Markus Söder am Montag vorstellte, erweckt den Eindruck, auf dem Land gebe es kaum noch Probleme. "Es geht insgesamt aufwärts, aber wir sind noch nicht am Ziel", so Söders Bilanz. Einige Experten stehen der Interpretation des Ministers aber kritisch gegenüber.

Demografie

Die Bevölkerung im ländlichen Raum wächst. In allen Regierungsbezirken stieg die Einwohnerzahl um 46 000 auf 7,13 Millionen Menschen und damit um 0,6 Prozent. Das ergibt sich aus der Zu- und Abwanderung sowie den Geburten- und Sterberaten. 2014 war mehr als jedes zweite Neugeborene ein Kind des ländlichen Raums. Insgesamt ist die Geburtenzahl um vier Prozent gestiegen. Stellt man allerdings Geburten und Sterbefälle nebeneinander, so ergibt sich nur für den bevölkerungsreichen Bezirk Oberbayern ein Plus, in allen anderen Bezirken sterben immer noch mehr Menschen, als geboren werden.

Der Zuwachs im ländlichen Raum geht vor allem auf die Zuwanderung zurück. Seit 2010 liegen die Zuzüge deutlich über den Fortzügen. Hauptsächlich für Menschen zwischen 25 und 50 Jahren ist das Land attraktiv. Der größte Teil, etwa 70 Prozent, stammt aus dem europäischen Ausland. In der Gesamtbilanz wächst der ländliche Raum damit im vierten Jahr in Folge. Die Bevölkerungszahl ging 2014 nur noch in neun Landkreisen zurück. Diese sind Main-Spessart, Rhön-Grabfeld, Coburg, Kronach, Hof, Kulmbach, Wunsiedel, Bayreuth und Tirschenreuth.

Für Heimatminister Söder ist die Demografie der "Kompass der Attraktivität". Die Tendenz zeige, dass es mit der Bevölkerungsentwicklung "langsam aber deutlich besser werde im ländlichen Raum". Detlef Sträter sieht das etwas anders. Er ist Sozialwissenschaftler und sitzt in der Enquete-Kommission des Landtags, die sich mit der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Bayern beschäftigt. Für ihn hatte schon der letzte Heimatbericht Anfang 2015 an einigen Stellen "manipulativen Charakter", weil er krampfhaft ein positives Bild vom ländlichen Raum zeichne.

So stimme es zwar, dass die Bevölkerungszahlen wachsen. Das würden sie aber in ganz Bayern tun. Außerdem seien viele der Zuwächse im ländlichen Raum in Landkreisen festzustellen, die um große Städte liegen. Das Problem des Heimatberichts sei, dass er Bayern nur in sehr groben Rastern erfasse. Obwohl der Zuwachs eigentlich auf die Städte zurückzuführen sei, werde er "in der Grobeinteilung" dem ländlichen Raum zugewiesen.

Attraktiver Wohnort

Damit es in Bayern kein allzu großes Gefälle der Lebensverhältnisse gibt, ist es das Hauptziel, Menschen im ländlichen Raum zu halten. Dazu braucht es eine gute Versorgung an Kindergärten, Grundschulen und Ärzten vor Ort. Im Vergleich zu 2014 verbesserte sich die Betreuungsquote von den Ein- bis Dreijährigen allerdings nur um 0,1 Prozent. Die Zahl der Grundschulen blieb im Schuljahr 2014/2015 etwa auf dem Niveau von 2006/2007.

Allerdings ist die Schülerzahl im selben Zeitraum deutlich gesunken. Das liege auch daran, dass die Klassenstärken runtergesetzt wurden, so der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Christian Bernreiter. Ihm macht allerdings Sorgen, dass Schulen auf dem Land in Zukunft neben dem G 8 wohl auch das G 9 anbieten werden müssen.

"Wir können nicht zweigleisig fahren", sagt er. Er appelliert außerdem an die Politik, die ärztliche Versorgung auf dem Land "mit Nachdruck zu forcieren". Dass bis Dezember 2015 im ländlichen Rum 192 Niederlassungen gefördert wurden, reiche nicht. Bernreiter fordert außerdem, den Numerus Clausus für Ärzte aufzuheben.

Erwerbschancen

Die Arbeitslosenquote war mit 3,2 Prozent etwa so hoch wie vergangenes Jahr. In den zurückliegenden zehn Jahren ist fast jeder zweite Arbeitsplatz im ländlichen Raum entstanden. Auch hier können die Zahlen aber trügen, sagt Sträter. So würde zwar die Zahl der Arbeitsplätze steigen, die Stunden aber blieben gleich. Viele der neuen Jobs seien Teilzeitarbeitsplätze.

Heimatstrategie

Söder führt die positiven Entwicklungen auf seine Heimatstrategie zurück. So etwa auf die Behördenverlagerung. Landkreise und Gemeinden begrüßen diese Maßnahme. Sträter mahnt an, dass sie nur wirkt, wenn aus ihr Kooperationen etwa mit örtlichen Firmen entstehen, sonst verpuffe der Effekt einfach. Regionalen Bildungseinrichtungen aber steht er positiv gegenüber. Auch für Holger Magel, Präsident der bayerischen Akademien im ländlichen Raum, ist diese Maßnahme eine "Erfolgsstory".

Kritik

Die wirtschaftspolitische Sprecherin der SPD, Annette Karl, versucht den positiven Heimatbericht zu relativieren. "Zwar ist es zu begrüßen, wenn sich die Bevölkerungsverluste im ländlichen Raum verringern, doch ändert das nichts daran, dass viele Regionen sich nach wie vor auf der Verliererstraße befinden", sagte sie. So würden zwischen den Boomregionen und abgehängten, meist ländlichen Regionen beim Einkommen oder der digitalen Anbindung massive Unterschiede bestehen.

Diese könnten laut Sträter aufgrund des groben Analyserasters beim Heimatbericht gar nicht angezeigt werden. Ein Blick in den Prognos Zukunftsatlas 2016 würde die Aussagen von Söder entlarven. Der diagnostiziert vor allem in der Oberpfalz deutliche Defizite. Auch weite Teile des Allgäus wurden darin sehr viel kritischer bewertet als vor drei Jahren.

Auch Magel von der Akademie für den ländlichen Raum sagt, Bayern sei zwar in vielen Bereichen Spitzenreiter, gut sei deshalb noch lange nicht alles. Auch wenn der ländliche Raum sich tendenziell verbessere, werde der absolute Abstand zu den Spitzenregionen größer. Teilweise sei der Graben zwischen Nord- und Südbayern sogar noch tiefer geworden. Er verteidigt aber auch Söder. Er sei der erste Landesentwicklungsmister, der wirklich etwas versuche. Er stehe unter Erfolgsdruck und müsse eben jedes Jahr etwas Positives verkünden. Nur schönfärben dürfe man dabei nicht.

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