CSU-Klausur in Kloster Andechs:Seehofer träumt von 46+X Prozent

Eine Vorstandsklausur voller Harmonie. In Kloster Andechs träumen die CSU-Granden von "46 Prozent + X" und bemühen sich, doch keine zu hohen Erwartungen zu wecken. So lautet ein Motto von Horst Seehofer: Kurs halten und solide weiterarbeiten. Das Ziel? - "Die Champions League."

Frank Müller, Andechs

"Singen und Lärmen nicht gestattet" - an einem Schild mit dieser Mahnung muss in Kloster Andechs jeder Besucher von Biergarten und Klosterschänke vorbei. Zwei Tage lang tummelte sich der engere CSU-Führungskreis oben auf dem Heiligen Berg, ein Gremium, dem der interne Radau nicht völlig fremd ist.

Klausurtagung der CSU

CSU-Chef Horst Seehofer bei der Vorstandsklausur in Kloster Andechs: "Der Weg ist unumkehrbar."

(Foto: dapd)

Doch diesmal brauchte es keine Verbote und Mahnungen: Es gab keinen Lärm und keinen Krach auf der CSU-Vorstandsklausur, allenfalls Freudengesänge angesichts einer für die Partei erfreulichen Gesamtlage. Und Parteichef Horst Seehofer selbst trällerte zwar in strahlenden Dur-Tonlagen mit, gab sich aber gleich wieder um Dämpfung der Gesamtlautstärke bemüht. Man wollte zwar schon auffallen in Andechs, aber bei Gott nicht unangenehm.

So sagte Seehofer in seiner Bilanz des Treffens zwar: "Ich glaube, dass unsere Partei, die CSU, blendend in Schuss ist." Von "Titelverteidigung" und "Champions League" sprach der Ministerpräsident und meinte damit eine Neuauflage der CSU-geführten Regierung in Bayern. Doch dann fing er alle Höhenflüge gleich wieder ein, sprach von Demut, die die Partei brauche, und davon, dass sich in einer politisch schnelllebigen Zeit alles auch binnen 14 Tagen wieder ändern könne. "Das ist keine Lebensversicherung." Um gleich wieder zu sagen, dass man natürlich bei der Wahl im nächsten Jahr "so stark wie möglich sein möchte".

Was so stark wie möglich ist, darüber gab es in Andechs allerlei Phantasien und deren umgehende - klösterlich-bescheidene - Dämpfung. Vor allem eine selbst beim Institut Emnid im Auftrag gegebene Umfrage hatte die Christsozialen euphorisiert. Dass diese die CSU in Bayern bei 46 Prozent sieht und das Oppositionsbündnis nur bei 39 war schon zum Auftakt am Freitag bekannt geworden.

Was denken die Bürger?

Bei der Klausur aber beschäftigte sich die CSU mit einer ganzen Flut von Detaileinschätzungen der Partei durch die Bürger. Ob es um die Verkörperung bayerischen Lebensgefühls geht, um Staatsfinanzen, um Wirtschaftspolitik, innere Sicherheit oder die Fähigkeit, eine stabile Regierung zu bestellen - stets landet die CSU bei Werten zwischen 50 und 60 Prozent und die Oppositionsparteien unter ferner liefen.

Nur zweimal ziehen diese vorbei: Beim Thema soziale Gerechtigkeit steht es 37:33 für die SPD, bei der Ökologie führen die Grünen haushoch mit 56, die CSU folgt mit 21, die SPD hat 5 Prozent. Man habe eben auch noch Schwachpunkte, sagte Seehofer dazu. Freie Wähler, FDP und Piraten spielen in Kompetenzfragen offenbar keine Rolle. Als Generalsekretär Alexander Dobrindt danach gefragt wurde, suchte er seine Statistiken durch und sagte dann, vermutlich noch nicht einmal hämisch: "Auf der Graphik ist das nicht mehr erkennbar."

Dafür sieht es in manchen sachpolitischen Fragen für die CSU sogar überragend gut aus: 67 Prozent der Bayern sind demnach für das auch in der Berliner Koalition umstrittene Betreuungsgeld, gar 91 Prozent befürworten Seehofers Wahlkampfschlager der Entschuldung Bayerns bis zum Jahr 2030.

Fast überall also 50 Prozent plus teils recht großem X bei den Kompetenzwerten - "das halte ich noch für weitaus wichtiger als diese Sonntagsfrage", sagte der Parteichef. In der CSU beflügelt das die Gedanken an das Unaussprechliche. Von der Rückkehr zur absoluten Mehrheit zu sprechen ist unter Seehofer zwar Tabu. Umso schöner, wenn man sich einer nuancenreichen Formulierungskunst erfreut, mit der man dasselbe sagen kann: Man könne die jetzige Zustimmung von 46 Prozent "vielleicht noch ein Stückchen ausbauen", sagte Seehofer. Schon zum Klausurauftakt hatte der Parteichef das einprägsam-skurrile Wort von der "Luft nach oben", die man noch durchstoßen wolle, geprägt.

CSU-Fraktionschef Georg Schmid platzte ebenfalls vor Bescheidenheit: Nicht von der absoluten Mehrheit träume man: "Wir träumen vor allem davon, dass wir zu den 46 vielleicht noch ein oder zwei Prozent hinzufügen." Damit freilich hätte man die absolute Mehrheit der Landtagsmandate praktisch sicher. Schon bei den jetzigen 46 Prozent wäre diese denkbar.

Generalsekretär Dobrindt freute sich derweil über die Details, darüber etwa, "dass zur Zeit Wählerwanderung von der CSU zu den Piraten nicht stattfindet". Oder dass die Partei nicht nur bei den über 60-Jährigen vorne liege, sondern auch bei den Menschen unter 30 Jahren.

"Der Weg ist unumkehrbar"

Kurs halten und solide weiterarbeiten gab Seehofer nun als Motto für die eineinhalb Jahre bis zur Wahl aus. Es bleibe bei den Linien, die schon festgezurrt seien, hieß es in Andechs: Am Betreuungsgeld werde kein Rütteln zugelassen, die Reformen für mehr Bürgerbeteiligung und Transparenz, die Seehofer als Reaktion auf die Erfolge der Piraten angestoßen hatte, werden voran getrieben. "Der Weg ist unumkehrbar", sagte Seehofer.

Auch beim Länderfinanzausgleich, den Bayern als größter Nettozahler im föderalen System als massiv ungerecht angreift, bleibt es bei der bisherigen Linie: Es gibt noch einen Versuch auf dem Verhandlungsweg, sprachen die CSU-Granden mit Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier als Klausurgast ab.

Auch den Grünen-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg will man ins Boot holen. Und wenn die Verhandlungen nichts bringen, sagte Seehofer, "dann bleibt es bei der Klage".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: