CSU-Klausur:Gerda Hasselfeldt - die Gastgeberin von Kreuth

Auftakt Winterklausur CSU-Landesgruppe

So leicht lässt sich Gerda Hasselfeldt, die gebürtige Niederbayerin, von ihren Parteikollegen nicht blenden.

(Foto: dpa)

In der Testosteron-verliebten CSU hat es Gerda Hasselfeldt überraschend weit gebracht. Wer die Frau ist und warum sie bei der Klausur in Kreuth nun doch auf den Tisch hauen muss.

Porträt von Daniela Kuhr und Robert Roßmann, Berlin/München

Die CSU ist vieles, aber sicher nicht die bekannteste Heimstatt dezenter Politiker. Horst Seehofer, Markus Söder, Andreas Scheuer - sie alle stehen regelmäßig für das brachial Bayerische, das der CSU nicht erst seit den Zeiten von Franz Josef Strauß in den Genen zu liegen scheint. Im Zweifel entscheiden sich die Herren für die deutliche Aussprache. Bevor sie überhört werden, werden sie lieber falsch verstanden. Umso erstaunlicher ist die Karriere von Gerda Hasselfeldt.

Mehr als 20 Jahre steht die Frau jetzt in den ersten Reihen der deutschen Politik. 1987 kam sie als Nachrückerin für Strauß in den Bundestag. Beim Mauerfall war sie bereits Bauministerin. Hasselfeldt wurde Gesundheitsministerin, Bundestagsvizepräsidentin, Landesgruppen-Chefin und Spitzenkandidatin der CSU bei der letzten Bundestagswahl. Und trotzdem ist sie den meisten Deutschen bis heute ziemlich unbekannt. Das Erstaunlichste daran ist aber, dass das Hasselfeldt gar nicht zu stören scheint. Die Frau macht lieber in Ruhe Politik als zu poltern. Dafür hat sie es in der Testosteron-verliebten CSU überraschend weit gebracht.

Wie sich Hasselfeldt in Kreuth Gehör verschaffen wird

Einmal im Jahr muss aber auch Hasselfeldt laut werden. Diese Woche ist es wieder so weit. Am Mittwoch trifft sich die CSU-Landesgruppe zur Klausur in Kreuth - und Hasselfeldt muss als Chefin dafür sorgen, dass das im Rest des Landes auch wahrgenommen wird. Vor zwei Jahren entstand dabei der zu zweifelhaftem Ruhm gelangte Slogan "Wer betrügt, der fliegt". Diesmal probiert es Hasselfeldt eher mit: Integrieren oder Geld verlieren.

So mancher in der CSU wäre froh, wenn Hasselfeldt auch im Rest des Jahres derlei Schlagzeilen-Politik betriebe - oder zumindest kraftvoller auftreten würde. Aber die Landesgruppen-Chefin hält es in dieser Hinsicht eher wie die Kanzlerin. Sie verhandelt und moderiert lieber, ein Basta hört man von ihr fast nie.

CSU-Vorstandssitzung

Gerda Hasselfeldt geht es nicht darum, aufzufallen - höchstens mit ihrer Schuhmode.

(Foto: dpa)

Hasselfeldt ist kein Mensch, der viel Aufhebens um sich macht. Die Frau ist gebürtige Niederbayerin, da hat man es nicht so mit dem Blenden. Ihre Beharrlichkeit sollte aber keiner unterschätzen. Hasselfeldt ist durchaus machtbewusst - ihr geht es dabei aber ums Durchsetzen von Inhalten und weniger ums Auffallen. Damit ist sie in den vergangenen Jahren zu einer Art politischem Scharnier zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer geworden. Die Kanzlerin schätzt sie - auch wegen der in Berlin seltenen Gabe der Verschwiegenheit. Das hilft, wenn die Vorsitzenden von CDU und CSU mal wieder im Clinch liegen.

Dass Seehofer und Hasselfeldt dabei ein ziemlich ungewöhnliches politisches Duo sind, ist den beiden natürlich auch selbst klar. Manchmal spielen sie mit ihren Widersprüchen ganz offen - wie gerade auf dem Bundesparteitag der CDU. Da lobte Seehofer in seinem Grußwort die Zusammenarbeit mit Unionsfraktionschef Volker Kauder, nahm dann aber auf einmal die neben dem CDU-Politiker sitzende Hasselfeldt in den Blick und sagte: "Manchmal habe ich's mit Dir leichter als mit der Gerda, Volker."

Hasselfeldt lächelte gequält. Am Tag danach antwortete sie in einer großen Berliner Journalistenrunde auf die Frage, was sie sich in diesem Moment gedacht habe, ziemlich süffisant, sie "nehme solche Bemerkungen nicht allzu ernst". Die Zusammenarbeit mit Seehofer sei halt "gelegentlich auch eine Herausforderung". Da stand es wieder unentschieden zwischen den beiden.

Welche Beziehung Merkel zur CSU-Politikerin hat

Es gibt vermutlich niemand in der ganzen CSU, den Merkel im Koalitionsalltag so schätzt wie Hasselfeldt. Die beiden Frauen vertrauen sich. Es ist auch eine Wertschätzung Hasselfeldts, dass die Kanzlerin jetzt zum ersten Mal in ihrer zehnjährigen Amtszeit nach Kreuth kommt. Doch gerade diese Nähe zu Merkel hat man Hasselfeldt in ihrer eigenen Partei im vergangenen Jahr ziemlich übel genommen.

Es war Ende September, wie jedes Jahr traf sich die CSU-Landtagsfraktion zur Herbstklausur im Kloster Banz. Hasselfeldt war eingeladen worden, um aus Berlin zu berichten - eigentlich ein Routine-Termin. Doch die Debatte über die Arbeit der CSU in der Hauptstadt eskalierte plötzlich. Es entlud sich ein Zorn über der Landesgruppen-Vorsitzenden, wie ihn Hasselfeldt vermutlich in ihrer gesamten politischen Karriere noch nie erlebt hatte. Dabei war eigentlich gar nicht sie allein die Ursache des aufgestauten Unmuts.

Warum Hasselfeldt den Zorn der CSU-Landtagsabgeordneten auf sich zog

Es ging den Landtagsabgeordneten eher um den schwachen Gesamteindruck der Berliner CSU-Landesgruppe - und um die Bundeskanzlerin. Doch alles, was die Fraktion an Merkel und ihrer Flüchtlingspolitik auszusetzen hatte, bekam Hasselfeldt ab. Besonders übel nahmen die Abgeordneten ihr, dass sie sich damals beharrlich weigerte, in die Kritik an Merkel und deren Ablehnung von Obergrenzen einzustimmen. Aus der Landtagsfraktion hieß es anschließend, Hasselfeldt sei "fast schon unverschämt arrogant" aufgetreten. Dafür habe sie eine ordentliche "Abreibung" erhalten und sei "abgewatscht" worden.

Fast schien es, als sei die Landtagsfraktion auch noch stolz darauf, wie sie mit der Kollegin aus dem Bundestag umgegangen ist. Als sich Hasselfeldt nach dem Kurzbesuch auf den Weg zurück nach Berlin machte, war sie ziemlich angeschlagen. Der Vorfall ging ihr nahe.

Jetzt, gut drei Monate später, hat sich die ganze Aufregung gelegt. Vom Zorn der Landtagsabgeordneten ist kaum noch etwas zu spüren. Das gesamte Verhältnis habe sich "normalisiert", heißt es in München. Inzwischen werde sehr wohl anerkannt, dass Hasselfeldt versuche, "in Berlin das zu transportieren, was der Fraktion in Bayern wichtig ist" - nämlich die Überzeugung, dass die Gesellschaft auf Dauer überfordert sei, wenn der Zuzug von Flüchtlingen ungebremst so weiter gehe. Vermutlich habe man Hasselfeldt damals unrecht getan, sagt ein Mitglied der Landtagsfraktion sogar.

Warum die Hemmungen schwinden, gegen Hasselfeldt zu opponieren

Es war schon immer ein schwieriges Verhältnis: das zwischen den CSU-Abgeordneten im bayerischen Landtag und denen, die im Bundestag sitzen. Die Bundestagsabgeordneten "haben bei uns nun mal den Ruf, nicht die fleißigsten zu sein", heißt es in München. Umgekehrt hat man den Eindruck, dass die Berliner CSU-Abgeordneten ihre Kollegen im Landtag manchmal für Provinzpolitiker halten, die bestenfalls über ein paar Umgehungsstraßen entscheiden dürften, während in der Hauptstadt Weltpolitik gemacht werde.

Abschluss Winterklausur CSU-Landesgruppe

Auch ihre Strumpfmode sorgt für Furore.

(Foto: Andreas Gebert/dpa)

Während die Landtagsabgeordneten in Bayern erwarten, dass ihre Kollegen in Berlin etwa in der Flüchtlingspolitik endlich mal richtig auf den Putz hauen, denken die Berliner: Herrschaftszeiten, so macht man doch keine erfolgreiche Politik. Und so passiert es dann eben mal, dass ein Auftritt Hasselfeldts von Landtagsabgeordneten als arrogant empfunden wird - die Landesgruppenchefin sich aber über das rüpelhafte Benehmen der Landtagskollegen wundert.

Dabei sieht man in München mittlerweile sehr wohl, was man an Hasselfeldt hat. "Sie ist zwar keine Lautsprecherin, aber dafür diejenige, die im Hintergrund die Fäden zieht", sagt ein Landtagsabgeordneter. Gerade weil er viel von Hasselfeldt hält, beobachtet er mit einem gewissen Bedauern, dass mittlerweile auch in Berlin "die Hemmungen schwinden, gegen sie zu opponieren". Dafür hat er einen ganz einfachen Grund ausgemacht: "Weil man nicht weiß, ob sie weitermacht."

Bei der nächsten Bundestagswahl ist Hasselfeldt 67 Jahre alt, ein Alter, in dem man nicht aufhören muss, aber aufhören kann. Hasselfeldt hat sich zu ihren Plänen noch nicht geäußert. Aber es gibt bereits einige in der Landesgruppe, die sich vorstellen können, ihre Nachfolge anzutreten. Doch all die Möchtegern-Diadochen sollten Hasselfeldt nicht unterschätzen. Eine Niederbayerin wie sie lässt sich nicht gern schubsen - schon gar nicht aus dem Amt.

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