CSU in Wildbad Kreuth:Von Rüttgers lernen

Zu Strauß' Zeiten hätte es das nicht gegeben: In Wildbad Kreuth erklärt der CDU-Landeschef aus Nordrhein-Westfalen den Bayern, was eine Volkspartei ausmacht.

Stefan Braun

Eines ist sicher: Mit Franz-Josef Strauß hätte es das nicht gegeben. Doch im Kreuth des Jahres 2010 liegen die Dinge anders als früher. Das Debakel bei der Landesbank erschüttert die CSU so stark, dass es diesmal eine Premiere gibt: Ein Vertreter der Schwesterpartei CDU darf der CSU im Wildbad erklären, was eine Volkspartei heute noch ausmacht.

CSU in Wildbad Kreuth: Horst Seehofer und Jürgen Rüttgers auf der CSU-Klausurtagung in Wildbad Kreuth.

Horst Seehofer und Jürgen Rüttgers auf der CSU-Klausurtagung in Wildbad Kreuth.

(Foto: Foto: ddp)

Für Jürgen Rüttgers, den CDU-Ministerpräsidenten aus Nordrhein-Westfalen, ist das "eine Ehre", wie er selbst sagt. Wichtiger freilich ist, dass ihm der Auftritt in den verschneiten bayerischen Bergen eine öffentliche Aufmerksamkeit verschafft, die er vier Monate vor seiner Landtagswahl gut gebrauchen kann.

Außerdem darf er dabei - was derzeit vielen in der CDU gefallen dürfte - mahnend den Zeigefinger Richtung München erheben. Nicht wenige aus der CDU-Parteiführung haben sich in den vergangenen Wochen über die CSU sehr geärgert. Streiten, poltern, einen Vizekanzler fordern und die Kanzlerin kritisieren - das hat im Konrad-Adenauerhaus niemandem mehr gefallen.

Außerdem hat auch Rüttgers persönlich ein Interesse daran, dass der bundespolitische Dauerzwist endet: Bliebe das Erscheinungsbild der schwarz-gelben Koalition im Bund so schlecht, wie es ist, kann ihm das bei der Landtagswahl im Mai sehr weh tun.

Nun kann man sagen, dass Rüttgers in Wildbad Kreuth nicht zu allzu harten Worten gegriffen hat. Wohl aber hat der CDU-Vize seinen Auftritt genutzt, um einerseits Selbstverständlichkeiten zu erwähnen ("eine Volkspartei muss in allen Schichten verankert sein"), die allein durch ihre Betonung die Frage aufwerfen, ob das bei der CSU noch der Fall ist.

Andererseits hat er angefügt, dass sich Volksparteien vor allem dadurch auszeichnen, dass sie das Allgemeinwohl vertreten müssen - was bei der CSU (siehe Begünstigungen für Hoteliers, für Hausärzte und Milchbauern) zuletzt nicht mehr der Fall war. Rüttgers trägt das leise vor, trotzdem dürften es alle verstanden haben. Wie sagte es ihr Chef Hans-Peter Friedrich nach Rüttgers Vortrag: "Wir wollen zusammenführen, nicht spalten. Wir wollen nicht Klientel vertreten, sondern das ganze Volk."

Friedrich macht ohnehin den Eindruck, als seien ihm Rüttgers Worte zupass gekommen. Er verficht schon seit längerem die These, dass die CSU wieder sachlicher und verantwortungsbewusster Politik machen müsse. In Kreuth hat er sich zudem das Ziel gesetzt, beim Rückblick nur an die Siege zu denken - und das schlechte Ergebnis der Bundestagswahl zu vergessen. Entsprechend zählte er intern zu den treibenden Kräften, die im Wildbad viel über den Stolz der CSU reden wollten, um anschließend mit Verve ein "Jahrzehnt der Erneuerung" auszurufen.

Gemeint sei die Erneuerung Deutschlands, betont Friedrich immer wieder - auch wenn selbst Parteichef Horst Seehofer die Formel am Donnerstag auch auf die Lage der Christsozialen übertragen möchte. Seehofer räumt ein, dass damit viel Arbeit vor der Partei liege, mit einer Klausurtagung sei das nicht erledigt. "Große Geduld und Zähigkeit" sei vonnöten. Zu Hilfe kommt dabei beiden, dass es in Kreuth fast allen gelingt, über die Affäre um die Landesbank zu schweigen.

Den Grund liefert ein CSU-Politiker, der schon lange im Bundestag sitzt: "Wir Berliner haben in der Sache nichts zu entscheiden. Deshalb werden wir einen Teufel tun, die Angelegenheit hier dauernd hervorzuheben."

Das erledigt dann jedoch ausgerechnet der Mitverantwortliche Edmund Stoiber. Eigentlich will der Ex-Partei- und Regierungschef den neuen EU-Präsidenten Herman van Rompuy auf seiner Kurzvisite zur Landesgruppe begleiten. Entsprechend schwärmt Stoiber zunächst vom "Coup", van Rompuy nach Kreuth geholt zu haben. Doch dann sagt er plötzlich von ganz alleine, was er noch einmal loswerden möchte: Dass er die Entwicklung bei der Bayerischen Landesbank bedauere - und dass sie ihn "auch persönlich" sehr schmerze. Die anderen möchten nicht über das Thema reden, Stoiber aber will an diesem Tag nicht darüber schweigen.

Trotzdem blieb das Treffen nicht nur ernst und problembeladen, zwischendurch gab es herzhafte Lacher. Den Anlass dafür lieferte kein CSU-Mann, sondern ein Gast aus dem Ausland: Als der ehemalige tschechische Außenminister Karl Fürst zu Schwarzenberg es sich am Mittwochabend im Kaminzimmer gemütlich gemacht hatte, als er mit der für ihn üblichen Leidenschaft über Europa referierte und zur Untermalung auch das Ende des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nationen bemühte, klingelte plötzlich sein Handy.

Wobei "Klingeln" ein bisschen weit gefasst sein dürfte. Aus Schwarzenbergs Handy ertönte sehr laut ein Jagdhorn. Nichts hätte die Sehnsucht der Anwesenden besser treffen können. Sie wollen wieder jagen und nicht mehr gejagt werden.

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