CSU in SZ-Umfrage vorn:Wo für Seehofer die Gefahr lauert

Großer Vorsprung, Hoffnung auf die Alleinregierung: Horst Seehofers CSU steht drei Monate vor der Landtagswahl gut da - trotz all der Affären. Doch die Situation für die Christsozialen ist alles andere als komfortabel. Vor der desaströsen Wahl 2008 war die Prognose sogar noch besser - und der Absturz umso brutaler. Er könnte sich wiederholen.

Eine Analyse von Sebastian Gierke

43,4 Prozent! Für die CSU! In Bayern. Die absolute Mehrheit verfehlt. Es war ein erschütterndes Ergebnis für die Partei, die mittlerweile seit 56 Jahren in Bayern an der Regierung ist.

Von "Götterdämmerung" war die Rede, die CSU sei entzaubert, ihre Unantastbarkeit für immer dahin, die symbiotische Beziehung zwischen Bayern und den Christsozialen ein Relikt der Vergangenheit, der Status der Volkspartei wenn nicht bereits verloren, dann aber nicht mehr lange zu halten.

46 Prozent sind es aktuell, die der CSU laut einer aktuellen SZ-Umfrage ihre Stimme geben würden. Horst Seehofer kann darauf hoffen, schon bald wieder alleine zu regieren. Und trotzdem sind die Analysen aus dem Jahr 2008 heute nicht falsch. Sie sind sogar zutreffender, als sie es damals waren.

Zwar wird dem Ministerpräsidenten das Ergebnis der Umfrage gefallen. Sicher sein darf er sich aber nicht. Dazu genügt ein Blick auf die letzte Umfrage vor der Wahl 2008. Damals wurden der CSU 49 Prozent vorhergesagt. Geht es nur danach, war die Ausgangslage also sogar besser, als sie es heute ist. Der Absturz war umso brutaler.

Erosionsprozess erfasst CSU

Und er könnte sich wiederholen. Denn all die Probleme und Affären, mit denen die CSU zu kämpfen hat, die hinterlassen Spuren. Zwar wenden sich die Bürger nicht in Scharen ab, aber ihre Zweifel werden größer.

Die Wechselbereitschaft, die noch vor einem Jahr zu spüren war, als sich die Christsozialen tatsächlich mit der Möglichkeit konfrontiert sahen, nach der Wahl in der Opposition zu landen, die ist zwar nicht mehr so deutlich wahrzunehmen. Einfach verschwunden ist sie aber nicht. Ihr fehlt nur die Möglichkeit, wirklich zu werden.

Die CSU ist angreifbar geworden, wenn auch nicht von einer hirngespinstigen Dreierkoalition aus SPD, Grünen und Freien Wählern, deren politische Schnittmenge in den Köpfen der Wähler nur in der Opposition zur CSU besteht. Und selbst das ist bei den Anhängern der Freien Wählern nicht ausgemacht.

Es ist die Schwäche der Opposition, von der die CSU profitiert. Horst Seehofer gelingt es immer noch, den Eindruck zu vermeiden, dass er Wahlkampf auf Augenhöhe führt. Christian Ude bekommt den Gegner einfach nicht zu fassen, weil der ihm auf ziemlich durchschaubar aber effektive Art und Weise die Themen klaut und außerdem auf die von der Kanzlerin perfektionierte Strategie der "asymmetrischen Demobilisierung" setzt, also kontroverse Themen so gut es geht vermeidet. Ach ja, auf den aufgeweichten Deichen stand er auch und präsentierte sich zu Udes Ärger in einer Rot-Kreuz-Jacke als fürsorglicher Katastrophenhelfer.

Donnernde Selbstgewissheit

Doch gerade bei den Wählern, die bisher fest der CSU zuzurechnen waren, herrscht immer noch ein gehöriges Maß an Verstörung darüber, wie salopp die Partei und ihr Chef den Kurs in wichtigen Fragen geändert haben. In der Energiepolitik oder bei der Abschaffung der Wehrpflicht zum Beispiel.

Die SZ-Umfrage zeigt außerdem, dass bei zentralen Themen die Parteilinie und die Meinung der Menschen weit auseinander gehen. Bildung ist für die Befragten das zweitwichtigste Thema - nach dem Hochwasser. Es wird bald wieder die Nummer eins sein - und dann womöglich den Wahlkampf dominieren. Die Unzufriedenheit mit dem achtjährigen Gymnasium in Bayern ist gewaltig. Hier offenbart die CSU eine offene Flanke. Die Freien Wähler, die das G9 zurück haben wollen, werden sie für einen Angriff nutzen. Und auch das so hart erkämpfte Betreuungsgeld könnte für die Christsozialen noch zum Problem werden. 52 Prozent der Befragten lehnen es ab. Sogar 45 Prozent der CSU-Anhänger sind dagegen.

Verschärfend kommt hinzu, dass der Erosionsprozess der Volksparteien mit Verspätung auch die CSU erfasst. Auch sie verliert an gesellschaftlicher Bindekraft, das Bündnis zwischen CSU und Kirche beispielsweise, so es denn überhaupt noch existiert, bring kaum mehr Stimmen. Und vor allem bei den Jungen nimmt die Identifizierung mit Parteien immer weiter ab.

Die donnernde Selbstgewissheit, die die Partei aktuell immer wieder zur Schau stellt, speist sich deshalb mehr aus dem Bedürfnis nach Selbstschutz als aus wirklicher Überzeugung. Das zeigt die Dünnhäutigkeit Seehofers bei manchem Auftritt, aber zum Beispiel auch die Überheblichkeit und Selbstherrlichkeit, mit der zwei Augsburger CSU-Männer eine Rentnerin wegen eines kritischen Leserbriefes abmahnten - oder das Tönen von Parteiveteran Winfried Scharnagel, der die "Sicherung der Bastion Bayern" anmahnt.

Die Macht der CSU beruhte lange darauf, dass es ihr gelungen ist, politische und gesellschaftliche Anachronismen mit wirtschaftlicher Moderne zu verbinden - und dem Ganzen einen weiß-blauen Anstrich zu verpassen. Unter ihrer Ägide wurde Bayern vom einem bäuerlich-klerikal geprägten Bundesland zum dem, was es heute ist.

Doch Ungleichheit und Niedriglöhne, eine große und sich in vielen Landesteilen weiter vergrößernde Kluft zwischen Arm und Reich sind ein Teil der Wirklichkeit, auch im reichen Bayern.

Wer kennt Margarete Bause?

Deshalb ist die Partei des wirtschaftlichen Aufschwungs, die Partei, die lange das "immer mehr", das "immer weiter" predigte, angreifbar geworden. Es hat sich eine Wachstumsskepsis breit gemacht. Der Herz-Jesu-Sozialist Horst Seehofer hat das erkannt, er nimmt sich gerade im Wahlkampf den soziales Themen an. Dennoch trauen die Menschen immer noch eher der SPD zu, für soziale Gerechtigkeit sorgen zu können, als der CSU. Es wirkt fast, als hätte die Partei ihre Mission erfüllt, nur der starke Erbe, der das Geschaffene jetzt etwas sozialverträglicher in die Zukunft führt, der zeigt sich nicht.

Die bayerische Wachstumsskepis spiegelt sich auch in den guten Umfragewerten der Grünen. 2008 kamen die auf 9,4 Prozent, im Moment stehen sie bei 13 Prozent. Und das, obwohl die Spitzenkandidatin Margarete Bause nicht einmal jeder zweite in Bayern so gut kennt, dass er sich ein Urteil über ihre Arbeit erlauben würde. Die Grünen setzen auf Sachthemen - und haben Erfolg damit.

Für Christian Ude, der Ministerpräsident werden will, reicht das allerdings nicht. Genau deshalb scheint es für Seehofer und die CSU auch diesmal wieder zu reichen.

SZ Umfrage - So denkt Bayern

Alle weiteren Ergebnisse des großen SZ Bayern-Monitors finden Sie im Detail in der Samstagsausgabe der Süddeutschen Zeitung - am Kiosk, in der App "SZ Digital" (iPad, Windows 8) oder als E-Paper (PDF). Einfach Zugang anlegen, einloggen und lesen: www.sz.de/digital-exklusiv

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: