CSU-Hoffnung Guttenberg:Die goldenen Eier der CSU

In ihrer unglücklichen Lage lässt sich die CSU einreden, Karl-Theodor zu Guttenberg sei das Huhn, das ihr goldene Eier legt. Denn wer, wie er, in höchste Höhen gehoben wird, könne sicher auch die Partei wieder in höchste Sphären tragen. Es ist dies eine wirklich törichte Überlegung.

Heribert Prantl

Die CSU ist der Hans im Glück der deutschen Parteien. Sie macht sich auf ihrem Weg durch die deutsche Politik immer leichter, sie tauscht immer billiger. Der originale Hans im Glück, der im Schwank der Brüder Grimm also, besaß zunächst einen kopfgroßen Klumpen Gold, der der Lohn gewesen war für einen großen Arbeitseinsatz. Das Gold tauschte er dann für ein Pferd, das Pferd für eine Kuh, die Kuh für ein Schwein, das Schwein für eine Gans und die Gans für einen Stein. Jedesmal ließ sich der Hans im Glück beschwatzen, jedesmal glaubte er, ein gutes Geschäft zu machen. Zuletzt fiel ihm dann noch, als er trinken wollte, der Stein in den Brunnen.

CSU-Parteitag

Guttenberg kann alles Mögliche, vor allem eine gute Figur abgeben. Aber kann er auch den Vorsitz der Kleine-Leute-Partei CSU führen?

(Foto: dpa)

So ähnlich wie ihm ergeht es der CSU. Sie hat immer weniger bundespolitisches Gewicht, immer weniger landespolitischen Proviant, immer weniger programmatischen Vorrat und immer weniger praktischen Nutzwert. Ihre Vorsitzenden tauscht die CSU so, wie das der Hans im Glück mit seinem Schatz tat: Auf den Parteichef Franz Josef Strauß folgte Theo Waigel, auf Waigel folgte Edmund Stoiber. Stoiber wurde dann von der Partei ausgewechselt gegen Erwin Huber und Huber gegen Horst Seehofer. Heute steht die CSU, nach langem Weg, vor dem Brunnen. Und nach dem jüngsten Parteitag fragt man sich, ob Horst Seehofer schon in diesen gefallen ist - oder ob das erst dem Karl-Theodor zu Guttenberg passiert, wenn dieser (wie es sich viele in und außerhalb der Partei wünschen) CSU-Chef geworden ist.

Die Geschichte der CSU in jüngerer Vergangenheit ist eine Geschichte der Wertevernichtung. Aber im Gegensatz zum Hans im Glück, der, als er gar nichts mehr hatte, mit leichtem Herzen und frei von aller Last davonschritt, ist die CSU zutiefst unglücklich: Sie sehnt sich nach den alten Zeiten, als sie noch den Goldklumpen, viel Gewicht und das Genie hatte, selbst Unsinn mit unbändiger Lust durchzusetzen. In den alten Zeiten, von denen die CSU träumt, war ihr Prinzip nicht das des schlechten Tauschens, sondern das des vielen Sammelns.

Brutal, vital und zunehmend sentimental

Die CSU hat alles eingesammelt und mitgenommen, was da war und was so daher kam - Gold und Katzensilber. Sie hat Bayern und Nichtbayern integriert, Brauchtum, Hightech und Wiederaufbereitungsanlage, und sich dann erst später überlegt, ob sie das alles wirklich brauchen kann. Sie war damals kein Hans im Glück, sondern ein großsprecherischer, großartig volkstümlicher Schlawiner, der den Leuten die Ohren mit Dingen vollblies, von denen sie bis dahin oft nicht einmal gewusst hatten, dass sie sie hören wollten. Erst war die CSU ein Kramerladen, später ein riesiges weiß-blau drapiertes Einkaufszentrum. Und sie war dabei so, wie einer der ihren einmal den Altbayern beschrieb: vital, brutal und sentimental. Heute ist die CSU nur noch sentimental.

In dieser Sentimentalität lässt sie sich einreden, Karl-Theodor zu Guttenberg sei für die CSU das Huhn, das goldene Eier legt. Er sei jetzt der richtige Vorsitzende für die zagende Partei; von dem Getue und Gewese, das in den Medien von Herrn Guttenberg gemacht wird, von der gewaltigen Aufmerksamkeit, vom "Hype" könne, so heißt es, die CSU nur profitieren - nach dem Motto: wer so in höchste Höhen gehoben wird, der kann auch die CSU wieder in höchste Höhen heben.

Es ist dies eine wirklich törichte Überlegung. Guttenberg nämlich kann alles Mögliche, vor allem eine gute Figur abgeben, vielleicht hat er auch das Zeug zu einem präsidiablen Kanzler, aber: den Vorsitz der Kleine-Leute-Partei CSU führen - das kann ein großadliger Multimillionär nicht, es sei denn, er wäre schon bisher (wie Guttenberg nicht) als ein mantelteilender sozialpolitischer Sankt Martin aufgefallen. Guttenberg als CSU-Chef: das wäre der Schlusspunkt der Hans-im-Glück-Geschichte und wohl das Ende der Volkspartei CSU. Er könnte wohl die Sehnsucht nach dem Gutsherrn befriedigen, der in der Not die Zügel in die Hand nimmt - aber Bayern ist kein Gutshof. Als CSU-Vorsitzender wäre Guttenberg etwa so glaubwürdig, wie es Bismarck als Vorsitzender der sozialdemokratischen Partei gewesen wäre.

Noblesse für die Kleine-Leute-Partei?

Wie gesagt: Die CSU war und ist eine Kleine-Leute-Partei und eine Partei der kleinen Mittelständler. Früher ist diese Partei vom deftig Bäuerlichen, später vom strebsam Kleinbürgerlichen geprägt worden, von der Kraft der Leute also, denen die kleine Welt, aus der sie kamen, zu eng wurde; sie haben sich aus dieser kleinen Welt herausgearbeitet, bissen sich nach oben durch und blieben der kleinen Welt trotzdem nahe. Die christsoziale Partei ist karrierepolitisch immer noch das, was früher die Kirche war: man kann dort aufsteigen, man wurde und war dort etwas, auch wenn man aus kleinen Verhältnissen kam. Das gehört zur Genese und zur Seele der CSU.

Die allermeisten christsozialen Politiker kommen und kamen aus der Mitte der Leute, die sie wählten und wählen - und sie sprechen deren Sprache. Guttenberg kann das nicht. Das ist nicht schlimm; dumm ist es nur, wenn man so eine Partei repräsentieren soll, die von ihrem Staatsbayerntum lebt, mit dem Guttenberg ersichtlich gar nichts am Hut hat.

Josef Müller, der legendäre Ochsensepp und Mitbegründer der CSU, war das sechste Kind eines oberfränkischen Bauern aus Steinwiesen. Hermann Höcherl, der erste CSU-Bundesinnenminister (der nicht immer mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen wollte), war ein Häuslersbub aus Trasching in der Oberpfalz. Franz Josef Strauß stammte aus einer Metzgerfamilie. Theo Waigel ist Sohn eines Maurerpoliers und Nebenerwerbslandwirts, Edmund Stoiber Sohn eines kleinen Angestellten, Horst Seehofer eines Lastwagenfahrers, Alois Glück kommt aus einer Bauernfamilie, Markus Söders Vater war Maurer. Sie alle haben gelernt, studiert, sind Doktor der Wirtschafts- oder der Rechtswissenschaften geworden; manchmal haben sie zwar vergessen woher sie kamen und haben dann, wie Erwin Huber, im dunklen Anzug im Bierzelt geredet; gut bekommen ist ihnen das aber nicht.

Nur wenige stammten und stammen aus den "besseren Kreisen". Und der Stolz, nicht im goldenen Nest geboren worden zu sein, "es" aber trotzdem geschafft zu haben, korrespondiert durchaus mit dem Stolz Bayerns, sich an die Spitze der deutschen Bundesländer geschoben zu haben: Jede Parteitagsrede eines CSU-Vorsitzenden, auch die jüngste Rede von Seehofer, lebt davon, dass Bayern "die Nummer 1" sei - und die Delegierten können es gar nicht oft genug hören.

Einmal stand in der CSU eine Art Kurfürst ganz vorne, als Ministerpräsident von 1962 bis 1978: Alfons Goppel. Er war ein gutbürgerlicher Kurfürst aus bescheidenen Verhältnissen, der den Königstraum des Bayernlandes wunderbar in die weißblaue Demokratie transportieren konnte. Parteivorsitzender war damals Franz Josef Strauß, und Goppel und Strauß ergänzten sich gut: Goppel war Hausvater in München, Strauß Weltenlenker in Bonn - der als solcher den Sohn des letzten österreichischen Kaisers, Otto von Habsburg, für die CSU ins Europaparlament schickte. Da hat Otto von Habsburg brilliert, da war er der europäischste Abgeordnete, den die CSU je hatte; er war ihr Anschluss an europäische Geschichte und Zukunft.

Seehofers irrlichternde Politik irritiert die Partei

Die CSU leidet heute daran, dass sie den Anschluss nicht mehr kriegt - nicht an den Fortschritt, von dem sie nicht mehr weiß, wie er aussieht; nicht an das pralle Selbstbewusstsein, für das Strauß so exemplarisch stand; und nicht an das Land, das CSU-Land war und das sich mittlerweile viel schneller wandelt als die Partei. Seehofer merkt das durchaus, und seine Vorstöße zur Einführung von Mitgliederbefragungen und von Frauenquoten sind der Versuch, den Anschluss wieder zu finden. Aber Seehofer irritiert die CSU mit seiner irrlichternden Politik so, dass sie ihm nur widerwillig folgt und lieber mit dem Freiherrn aus dem Schloss liebäugelt, weil der ihrer Sehnsucht nach Großartigkeit, nach alter Größe schmeichelt.

Viele in der CSU glauben, Guttenberg könne das pralle christsoziale Selbstbewusstsein des Franz Josef Strauß durch aristokratische Noblesse substituieren, so wie das Stoiber mit seiner rasenden Akribie konnte. Aber das ist eine Täuschung, weil Guttenberg im CSU-Bayern und in seinem Staatsbayerntum nicht zu Hause ist und wohl auch nicht zu Haus sein will.

Zweimal ist ein CSU-Mann als Kanzlerkandidat der CDU/CSU angetreten - und hat verloren: Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber. Wenn Angela Merkel im nächsten Jahr scheitert, weil die Landtagswahlen zu einem Desaster für ihre Partei werden, dann könnte es sein, dass die CDU einen Not-Kanzler sucht und in Guttenberg findet, um mit ihm gut durch die Bundestagswahl zu kommen. CSU-Vorsitzender bräuchte er zu diesem Zweck nicht sein, im Gegenteil, das wäre eher hinderlich. Guttenberg ist unter anderem deswegen bundesweit so beliebt, weil er nicht die CSU verkörpert. Er ist halt nicht weiß-blau, sondern von Adel.

Die CSU lebt künftig wohl am besten mit einer bayerischen Spielart des Kohl/Weizsäcker-Modells: einem bodenständig kohlischen Menschen in München, quasi einem CSU-Kanzler, und einem eloquent weizsäckerischen Mann in Berlin, quasi einem CSU-Präsidenten. Sie tauscht nicht mehr, sie sammelt wieder.

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