CSU:Herrmann gibt Kontra

CSU-Vorstandssitzung

Es knirscht ein bisschen zwischen Innenminister Joachim Herrmann (links) und Horst Seehofer.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Der Innenminister bremst Ministerpräsident Seehofer bei Flüchtlingsthema aus

Von Wolfgang Wittl, Schwarzenfeld

Die Frage nach der Beinfreiheit ist für Politiker wichtiger, als man gemeinhin denkt. Dabei geht es weniger darum, ob ein 1,93-Meter-Riese wie Horst Seehofer seine Beine bei einer Pressekonferenz verstauen kann, ohne dass er sie unter dem Tisch verknoten muss. Sondern wie viel Spielraum eine Partei ihrem Chef vor wichtigen Verhandlungen zugesteht. So gesehen kann sich Seehofer nach der CSU-Vorstandsklausur in Schwarzenfeld nicht beschweren. Die CSU bleibt bei wichtigen Themen, etwa der steuerlichen Entlastung, erstaunlich vage. Kein Ballast soll Seehofers Position erschweren, wenn er mit der CDU und Kanzlerin Angela Merkel das gemeinsame Programm für die Bundestagswahl festzurrt. Und so ist die Frage nach dem Gesicht diesmal ausnahmsweise interessanter als die nach den Beinen.

"Sicherheit und Wohlstand für alle", diese zwei Botschaften rückt Seehofer für den Wahlkampf in den Mittelpunkt. Das "Megathema" schlechthin sei die Sicherheit, und mit Joachim Herrmann habe die CSU "das Gesicht der inneren Sicherheit in Deutschland", schwärmt Seehofer. Allerdings hat dieses sonst so freundliche Herrmann-Gesicht in Schwarzenfeld gezeigt, dass es auch anders dreinblicken kann. Zum ersten Mal, seit der bayerische Innenminister zum CSU-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gewählt worden ist, seien Herrmann und Seehofer aneinandergeraten. So schildern es Teilnehmer der zweitägigen Vorstandssitzung.

Anlass für den Disput sind Arbeitserleichterungen für nicht anerkannte Asylbewerber. Seehofer kann sich vorstellen, die Bestimmungen zu lockern, Herrmann habe gebremst. Seehofer hat in den Basisdialogen den Wunsch aufgegriffen, Flüchtlinge, die nicht zurückgeführt werden können, wenigstens arbeiten zu lassen. Herrmann befürchtet dadurch einen sogenannten Pull-Effekt, der weitere Asylbewerber nach Deutschland locken könnte. Bei unbegleiteten Minderjährigen stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt sie einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen haben, um nicht abgeschoben werden zu können.

Seehofer wünscht mit Blick auf die Wirtschaft Erleichterungen, der Innenminister mahnt zur Zurückhaltung. Es geht hierbei nicht ums Wahlprogramm, sondern schlicht um den Verwaltungsvollzug in Bayern. Am Dienstag wird sich das Kabinett damit befassen. Trotzdem wollten Sitzungsteilnehmer eine Kraftprobe gesehen haben zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Innenminister. "Mutig und klar" habe Herrmann seine Position vertreten - und sich teilweise durchgesetzt. So soll es keine pauschale Lockerung geben, erst sollen Gespräche mit Landräten über die Erfahrungen in der Praxis geführt werden.

Seehofer sagte der SZ, von einem Konflikt könne keine Rede sein. "Aus meiner Sicht ist das die Normalität des politischen Alltagsgeschäftes." Schon vor der Klausur habe er mit Herrmann, Wirtschaftsministerin Ilse Aigner und Sozialministerin Emilia Müller gesprochen, "jeder Schritt wird in Einigkeit vollzogen". Jetzt gelte es eine Lösung zu finden, um Asylbewerber einerseits leichter in Arbeit zu bringen, andererseits aber keine neuen Anreize für Flüchtlinge zu schaffen. "Wir halten alle unsere Prinzipien aufrecht." Klar sei auch: Niemand, der straffällig geworden sei, werde eine Arbeitserlaubnis bekommen.

In der CSU wurde Herrmanns Auftritt trotzdem aufmerksam registriert. Der Innenminister habe sich "nicht kleinkriegen lassen". Es werde daher spannend sein zu beobachten, ob Seehofer wirklich Macht abgeben könne, wie er es angekündigt habe. Seit Schwarzenfeld wisse man nun, dass ein Stück Beinfreiheit auch anderen gut zu Gesicht stehe.

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