CSU: Hans-Peter Friedrich:Der Anti-Seehofer

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Von wegen Weichei: Auch wenn CSU-Landesgruppenchef Friedrich kein rauflustiger Verteidiger bayerischer Interesse ist. Unterschätzen sollte man ihn deswegen nicht.

Stefan Braun

Nein, mit Horst Seehofer kann er es nicht aufnehmen. Da mag die Hanns-Seidel-Stiftung noch so sehr für seinen Auftritt trommeln, da mögen seine Mitarbeiter via Telefon heftig an diesen Termin erinnern - die Hütte will nicht voll werden. Gerade mal ein paar Dutzend Leute, die meisten mit grauen Haaren, haben sich in der bayerischen Landesvertretung eingefunden. Wenn Seehofer hierher einlädt, platzt der Saal meist aus allen Nähten.

Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich - unterschätzen sollte man ihn nicht. (Foto: SEYBOLDTPRESS)

Bei Hans-Peter Friedrich vereint sich an diesem Abend nur ein Senioren-Grüppchen. Nun gut, er will übers Konservative und die Globalisierung reden; das kann im Wettbewerb der Berliner Event-Maschinerie nicht zum Fixstern werden. Doch wenn die Leute Friedrich nicht die Bude einrennen, liegt das kaum nur am Thema - sondern auch daran, dass der CSU-Landesgruppenchef nicht als Marktschreier auftritt und wohl deshalb noch keine ganz große Nummer ist in der Hauptstadt.

Unwichtig ist der 53-Jährige gleichwohl nicht. Im Gegenteil, die Bedeutung des Abgeordneten aus Hof hat im ersten Jahr der schwarz-gelben Regierung deutlich zugenommen. Bis zur Wahl galt er als ebenso ruhiger wie seriöser Wirtschaftspolitiker - in Expertenkreisen bekannt. Nach Bildung der Koalition wählten die CSU-Parlamentarier ihn zu ihrem Vormann - das machte ihn mächtig. Seither gehört er, der so gar nicht in die Riege der Haudraufs in der CSU passen möchte, zum engsten Machtzirkel der Regierung.

Er sitzt im Koalitionsausschuss und zählt dort zu denen, die nicht das eigene Profil schärfen, sondern den Zusammenhalt fördern. Kein Wunder, dass Christdemokraten und Liberale ihn schätzen. Ein führender CDU-Mann lobt ihn als "fairen Kollegen", der "klare Überzeugungen hat, aber weiß, dass wir Kompromisse brauchen"; ein prominenter FDP-Kollege ergänzt, Friedrich sei "ein konservativer Knochen", aber auch "ein verlässlicher Zeitgenosse". Dass auch die Kanzlerin um den Franken froh ist, kann da nicht mehr überraschen.

Das aber kann in der CSU gefährlich werden; Lob suggeriert, dass Friedrich nicht ist, was ein CSU-Politiker sein soll: ein rauflustiger Verteidiger bayerischer Interessen. Wer das nicht lautstark verkörpert, wird schnell als Weichei belächelt. Seine Vorgänger Michael Glos und Peter Ramsauer hatten das verinnerlicht, beide zeigten immer wieder, dass sie verbal zuschlagen konnten - Seehofer kann das auch. Der Parteichef hatte zwar mitgeholfen, Friedrich zu küren, danach aber unternahmen er, sein Gesundheitsminister Markus Söder und Generalsekretär Alexander Dobrindt alles, um sich insbesondere in den ersten sechs Monaten von der eigenen Koalition in Berlin abzusetzen.

Und das traf auch die Landesgruppe: Wo Friedrich solide wirken wollte, benahmen sie sich wie ausgehungerte bayerische Löwen. Ob Gesundheitsreform, Steuersenkungen oder einfach Teamgeist - aus München kamen monatelang immer wieder aggressive Töne.

Daneben musste der freundliche Herr Friedrich wie ein braver Buchhalter erscheinen. "Am Anfang hat ihn das Münchner Feuerwerk geschlaucht", erzählt ein Parteifreund. "Dann hat er gemerkt, dass er nicht nur zuhören darf, wenn der Parteichef redet." Denn das Leben in der Landesgruppe ist kompliziert: Einerseits wollen die Parlamentarier in Berlin genauso bayerisch sein wie ihre Parteigenossen in München; andererseits wollen sie sich nicht von dort unterjochen lassen. Und das gilt umso mehr, wenn sie in Berlin Teil einer Koalition sind, während die Münchner so tun, als würden sie nicht dazugehören.

Deshalb wuchs unter den 45 Berliner CSU-Leuten bald der Druck, Friedrich möge dagegen halten. Gedauert hat es vier Monate, bis er "die Störfeuer" aus Bayern kritisierte. Ein Schritt, den er seither wiederholt hat, auch bei Seehofers Drohung, die Rente mit 67 wieder in Frage zu stellen. In der Sache ist man ja oft einig, den Tonfall, also Seehofers ultimative Drohung an die eigene Koalition, hielt Friedrich jedoch für politisch gefährlich.

Dass sein Einfluss gewachsen ist, verdankt er nicht nur seinen Widerworten Richtung München. Genauso wichtig ist seine enge Vernetzung - nicht nur, aber auch in der Landesgruppe. Keine Autofahrt, kaum ein Warten am Flughafen, bei dem er nicht zum Handy greift, um sich abzustimmen, mal mit den Erfahreneren um Johannes Singhammer oder Hans Peter Uhl, mal mit den Jüngeren. Es gibt nicht wenige, die - ob ehrlich oder nicht - sein Mannschaftsspiel loben.

Ob sein zurückhaltender Stil Erfolg bringt, lässt sich bislang mit nichts belegen. Gerade deshalb sind die Tage von Kreuth, die am Mittwoch beginnen, eine besondere Probe. So war die Einladung an Margot Käßmann, die Ex-Ratsvorsitzenden der EKD, in der Partei umstritten. Friedrich will streitig reden und reden lassen. "Politik verkommt zur Unterhaltung, zum Kabarett", klagt er. Eigentlich würde er das gern ändern. Partei und Landesgruppe könnten das freilich - wie so oft schon in Kreuth - anders sehen.

© SZ vom 05./06.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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