CSU nach der Wahl:Die Gestrauchelten

Die CSU präsentiert sich gerne als Garant für Sicherheit und Ordnung. Doch seit Sonntagabend sind ausgerechnet die Christsozialen der größte Unsicherheitsfaktor in der deutschen Politik.

Kommentar von Robert Roßmann

Die CSU präsentiert sich gerne als Garant für Sicherheit und Ordnung. Doch seit Sonntagabend sind ausgerechnet die Christsozialen der größte Unsicherheitsfaktor in der deutschen Politik. Der Absturz auf 38,8 Prozent hat die Partei schwer getroffen, Horst Seehofer muss um sein politisches Überleben kämpfen.

Wie stark die CSU taumelt, kann man bereits daran erkennen, dass Seehofer seinen Vorstand am Montag sogar über die Frage abstimmen ließ, ob die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU im Bundestag fortgesetzt werden soll. Wenn eine Partei derart Grundsätzliches infrage stellt, ist nichts mehr sicher.

Dabei bräuchte Angela Merkel mehr denn je eine berechenbare CSU. Denn anders als in der bisherigen großen Koalition ist die Kanzlerin künftig auf die Stimmen aus dem Süden angewiesen. Ein Jamaika-Pakt kommt im Bundestag nur mit den Abgeordneten der CSU auf eine Mehrheit. (Das würde übrigens auch für eine Fortsetzung des Bündnisses mit der SPD gelten.) Wie konnte es so weit kommen?

Seehofer muss jetzt aufpassen

Wie einem ein Wahlergebnis bekommt, liegt ja nicht nur am tatsächlichen Resultat, sondern auch an den Erwartungen. Die Grünen werden im nächsten Bundestag nur die kleinste Fraktion stellen, sie haben aber besser abgeschnitten als in allen Umfragen vorhergesagt.

Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt gehen deshalb relativ frohgemut in die Gespräche über eine Jamaika-Koalition. Die FDP sowieso. Bei der CSU ist es genau umgekehrt, sie ist überraschend eingebrochen. Noch drei Tage vor der Wahl sagte ein Institut der CSU 47 Prozent voraus. Entsprechend groß ist der Schock.

In Niederbayern, bisher Hochburg der Christsozialen, hat die AfD in vielen Ortschaften deutlich über 20 Prozent geholt. Mit Plakaten wie "Die AfD hält, was die CSU verspricht" oder "Wer CSU wählt, bekommt Merkel" haben die Rechtspopulisten die Christsozialen ins Mark getroffen. Ein Jahr vor der bayerischen Landtagswahl ist die absolute Mehrheit, und damit das Alleinstellungsmerkmal der CSU in der deutschen Politik, in weite Ferne gerückt. Und die Partei hat keine Idee, wie sie zurück zu alten Höhen kommen kann.

Wenn die CSU jetzt (noch) weiter nach rechts rückt, verprellt sie nicht nur die Kirchen und all jene Bayern, die Merkel schätzen und lediglich deshalb CSU gewählt haben. Sie würde auch die Chance auf ein Jamaika-Bündnis im Bund deutlich verringern. Für die Grünen ist es schon jetzt ein Graus, mit der CSU eine Koalition eingehen zu müssen. Und wie es die von Seehofer verlangte Obergrenze für Flüchtlinge in einen Koalitionsvertrag schaffen soll, weiß ohnehin niemand. Bereits jetzt wünscht sich Umfragen zufolge lediglich ein Viertel der Deutschen ein Jamaika-Bündnis.

Mit jemandem, der vor Angst schwitzt, ist schlecht verhandeln

Falls die CSU aber nicht auf die AfD-Wähler zugeht und Seehofer gar ohne Obergrenze im Koalitionsvertrag aus Berlin zurückkommt, wird die CSU die AfD im Freistaat nicht eindämmen können. Die Rechtspopulisten würden Seehofer zum Maulhelden erklären.

Eine Regierungsbildung scheitern zu lassen, kann sich die CSU auch nicht erlauben. Von ihr wird erwartet, dass sie in Berlin Interessen durchsetzen kann - das geht nun mal nur in der Regierung. Außerdem dürfte die CSU bei einer von ihr verursachten Neuwahl erst recht abgestraft werden.

Jetzt rächt sich, dass Seehofers CSU auch dann noch wie ein Rumpelstilzchen gegen Merkels Flüchtlingspolitik gewütet hat, als die Kanzlerin ihren Kurs längst korrigiert hatte. Die CSU hat Merkels Vorgehen als "historischen Fehler" gebrandmarkt. Seehofer hat Merkel sogar für eine angebliche "Herrschaft des Unrechts" verantwortlich gemacht.

Größere Vorwürfe kann man einer Regierungschefin kaum machen. Eine Kanzlerin, die man für ein derart großes Sicherheitsrisiko hält, müsste man mit aller Kraft aus dem Amt drängen. Stattdessen hat die CSU doch wieder zur Wahl Merkels aufgerufen - und Seehofer ihr sogar sein "blindes Vertrauen" ausgesprochen. Das konnte nicht gutgehen.

Seehofer muss jetzt aufpassen, dass ihn seine Partei nicht austauscht. Im Moment profitiert er noch davon, dass auch die Hintersassen in der CSU wissen: Die anstehenden Koalitionsverhandlungen werden die schwersten seit Jahrzehnten sein. Und Markus Söder ist auf Bundesebene viel zu unerfahren, um in solchen Verhandlungen zu bestehen. Spätestens nach Abschluss der Verhandlungen wird aber die Stunde schlagen, in der die CSU über Seehofer Gericht halten wird.

Für Angela Merkel bedeutet das nichts Gutes. Mit jemandem, dem der Angstschweiß auf der Stirn steht, ist schlecht verhandeln. Dabei ist die Aufgabe, die vor der CDU-Vorsitzenden liegt, schon schwer genug. Seit mehr als einem halben Jahrhundert musste kein deutscher Regierungschef mehr ein Vier-Parteien-Bündnis schmieden, um an der Macht zu bleiben.

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